Längst nicht alle Filme erzählen neue – originäre – Geschichten. Schon seit jeher hat das Kino Stoffe "recycelt", literarische Klassiker, Trivialromane, Theaterstücke und Opern, aber auch Mythen, Sagen oder Legenden für die Leinwand adaptiert. Mit dem Aufstieg des Kinos zur populären Massenunterhaltung bedienten sich Filmschaffende dann auch vermehrt im eigenen Medium und drehten Zum Inhalt: Remakes erfolgreicher Filme. Der Blick in die Filmgeschichte offenbart dabei, dass das Kino alte Stoffe auf sehr vielfältige Weise und aus unterschiedlichen Beweggründen verarbeitet: Die Spannbreite reicht von biederen Adaptionen und Neuverfilmungen, die vorrangig darauf setzen, mit Blick aufs Einspielergebnis publikumsbewährte Inhalte zu verwerten, bis zu originellen künstlerischen Aneignungen, die scheinbar Altbekanntes in neue Kontexte stellen, sie uminterpretieren oder auch filmästhetisch kreativ aktualisieren.

Heldenepos meets Marvel

Big-Budget-Filme stehen gemeinhin vor der Herausforderung, das Versprechen auf ein Kinoerlebnis "bigger than life" einlösen zu müssen und gleichzeitig das Verlustrisiko gering zu halten. Alte Erfolgsstoffe neu zu verfilmen und die Aktualisierung weitgehend auf attraktive Stars und auf eine Umsetzung auf neustem filmtechnologischem Stand zu beschränken – diese Strategie haben Filmproduzent/-innen (Glossar: Zum Inhalt: Filmproduktion) gerade in Krisenzeiten des Kinos immer wieder verfolgt. Ihr Funktionieren hängt allerdings auch vom Zeitgeist und -geschmack ab.

William Wylers in Zum Inhalt: Farbe und Zum Inhalt: Cinemascope gedrehtes stargespicktes Remake des monumentalen Stummfilmklassikers "Ben Hur" ("Ben-Hur: A Tale of the Christ" , Fred Niblo, USA 1925) erreichte 1959 in den konservativ geprägten USA der Eisenhower-Ära ein Massenpublikum. Als der bundesdeutsche Produzent Artur Brauner das Rezept im Kampf gegen den neuen Konkurrenten Fernsehen kopierte und 1966/67 (Harald Reinl, BRD/YU) eine immens teure Neuauflage von Fritz Langs berühmtem Zum Inhalt: Stummfilm "Die Nibelungen" (DE 1924) auf die Leinwand brachte, enttäuschte das mittelalterliche Heldenepos an den Kassen: Am Vorabend von 1968 wirkte der Film mit seinem naiven Pathos auf viele offenbar hoffnungslos altbacken. Ironischerweise stieß Jahre später Uli Edels gleichnamige TV- Zum Inhalt: Adaption des Sagenstoffs (ZA/DE/IT/UK 2004) auf weit positivere Resonanz: Edel nutzte die im Zuge der -Trilogie ("The Lord of the Rings" , Peter Jackson NZ/USA 2001-2003) aufbrandende Zum Inhalt: Fantasy-Welle und lehnte seine Zum Inhalt: Inszenierung an die der Zum Inhalt: Blockbuster an. So deutete sein Film bereits an, was angesichts der "Thor" -Filme (USA 2022-2022) des Marvel Cinematic Universe inzwischen unübersehbar ist: Zum Inhalt: CGI eröffnet speziell auch Aktualisierungen mythologischer Stoffe ganz neue Möglichkeiten.

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Aschenputtel empowered

Wohl kein anderes Märchen ist so oft verfilmt worden wie Aschenputtel. Schon lange vor der Erfindung des Kinos war der Stoff in Buchform in verschiedenen Varianten und Sprachregionen verbreitet. Und bereits 1899 nutzte der für seine Filmtricks und fantastischen Zum Inhalt: Sets berühmte französische Kinopionier Georges Méliès das Märchen als Vorlage. Nachdem der Stoff zwischenzeitlich mehrfach in Deutschland, aber auch in Italien, der UdSSR und weiteren Ländern verfilmt wurde, landete die kriselnde Walt-Disney-Company 1950 einen internationalen Hit mit "Cinderella" (Clyde Geronimi/Wilfred Jackson/Hamilton Luske, USA), der das Märchen nach dem Vorbild von Zum Filmarchiv: "Schneewittchen und die sieben Zwerge" ("Snow White and the Seven Dwarfs" , William Cottrell/David Hand/Wilfred Jackson/Larry Morey/Perce Pearce/Ben Sharpsteen, USA 1937) als Zeichentrickmusical (Glossar: Zum Inhalt: Musical) adaptierte. Dabei blieb der Familienfilm, dem restaurativen Zeitgeist der McCarthy-Jahre entsprechend, der traditionellen Romantik des Märchens und seinem antiquierten Rollenbild treu.

Ganz anders Václav Vorlíčeks Zum Filmarchiv: "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ("Tři oříšky pro Popelku" , DDR/ČSSR 1973), der seinen Status als Kultfilm nicht zuletzt seiner rebellischen Protagonistin verdankt – eine aktive und selbstbewusste Heldin, die dem emanzipierten Frauenbild der sozialistischen Gesellschaften jener Jahre entspricht. Auch die Hollywood-Adaptionen des Märchens aus jüngerer Zeit haben das Rollenbild inzwischen, wenngleich eher behutsam modernisiert. Trotzdem liegt in Kenneth Branaghs erneut von Disney produziertem "Cinderella" (USA/UK 2015) das Hauptaugenmerk auf der filmästhetischen Aktualisierung – darauf, den Stoff mit CGI-Schauwerten und stets geschmeidig bewegter Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) an die Sehgewohnheiten des vom digitalen Blockbuster-Kino geprägten Publikums anzupassen.

Gleiches trifft auch für die gleichnamige, allerdings weniger aufwendige Amazon-Produktion von Kay Cannon (USA/UK 2021) zu. Ein markanter Unterschied liegt im Cast, der dem gewachsenen Bewusstsein für Diversität Rechnung trägt: So bricht die aus Kuba stammende Sängerin Camila Cabello als Hauptdarstellerin mit dem Stereotyp der blonden Hollywood-Cinderella – ein Trend, den Zum Filmarchiv: "Arielle, die Meerjungfrau" ("The Little Mermaid" , Rob Marshall, USA 2023) mit seiner von Halle Bailey gespielten Titelheldin zuletzt fortsetzte.

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Shakespeare goes to Hollywood

Shakespeares Tragödie Romeo und Julia ist ein weiterer offenbar zeitloser romantischer Stoff, der in allen Kinoepochen und in einer Vielzahl von Ländern verfilmt wurde – und zahlreichen weiteren Filmen als eine Art Urtext zugrunde liegt, wie etwa der Musicalverfilmung Zum Filmarchiv: "West Side Story" (Robert Wise, USA 1961) und ihrem Remake von Steven Spielberg (Zum Filmarchiv: "West Side Story", USA 2021). Bei den Filmen, die sich direkt auf Shakespeares Werk beziehen, springt ins Auge, dass sie in der Regel besonderes Augenmerk auf Texttreue legen, was sicherlich nicht zuletzt der Bekanntheit des Stücks und seiner anhaltenden Präsenz auf den Bühnen geschuldet ist. Insofern verwundert es nicht, dass vielen Adaptionen etwas altmodisch Theatralisches anhaftet. Umso faszinierender erscheint Baz Luhrmanns "William Shakespeares Romeo + Julia" ("William Shakespeare’s Romeo + Juliet" , USA/MX/AU 1996), der das tragische Liebespaar vom Italien der Renaissance ins Kalifornien der Gegenwart transferiert und es anstelle einer Familienfehde einem Bandenkrieg aussetzt. Luhrmann inszeniert den Stoff als grellen Mix aus Gewalt und Kitsch und untermalt ihn musikalisch mit einem Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik), der Rock, Punk, Hip-Hop und Soul vereint – während er die Darsteller/-innen Shakespearsche Dialoge sprechen lässt und nebenbei die Gewaltaffinität der Popkultur reflektiert.

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Orpheus in der Künstlerwelt

Ein derartiges Kassenpotenzial besitzt Axel Ranischs eigenwillig-poetischer Opernfilm Zum Filmarchiv: "Orphea in Love" (DE 2023) nicht – das hat er gemein mit weiteren filmischen Adaptionen des antiken Orpheus-Mythos, die sich vor allem durch ihren individuellen künstlerischen Ansatz in die Kinogeschichte eingeschrieben haben: Jean Cocteaus "Orpheus" ("Orphée" , FR 1950), der mit surrealer Poesie verzaubert und zugleich die Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs nachhallen lässt, Marcel Camus mit Laien besetzter "Orfeu Negro" (BR/IT/FR 1959), der das Geschehen in den Karneval von Rio verlegt, oder zuletzt Alexander Kluges und Khavns Filmexperiment Zum Filmarchiv: "Orphea " (DE 2020). Wie diese Filme ist auch "Orphea in Love" , der den Mythos ebenfalls in die Gegenwart transferiert und zudem die Geschlechterrollen umkehrt, ein eigenständiges Werk. Bemerkenswert ist dabei, dass Ranischs Film weniger dem Kino verpflichtet zu sein scheint als der Musik, vor allem den musikalischen Orpheus-Adaptionen – obwohl die Inszenierung von einer ausgesprochen filmischen Fantasie geprägt ist. Mit dieser kreativen Unabhängigkeit, die sich frei über die Vorgaben des Stoffs und mediale Grenzen hinwegbewegt, setzt Ranisch einen Kontrapunkt zu den gängigen Adaptionsverfahren des Mainstreamkinos.

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