Schauspieler/-innen mit Down-Syndrom sind im Kino noch immer eine Ausnahme. Umso bemerkenswerter ist es, dass Zack Gottsagen in Zum Filmarchiv: "The Peanut Butter Falcon" (Tyler Nilson, Michael Schwartz, USA 2019) als Hauptdarsteller neben einem Star wie Shia LaBeouf auftritt. Konventioneller ist der Film dagegen in formaler Hinsicht: In ihrem Film folgen die Regisseure Tyler Nilson und Michael Schwartz, die auch das Zum Inhalt: Drehbuch verfasst haben, den Gesetzmäßigkeiten von Road- und Buddy-Movies.

Ein Südstaaten-Roadmovie mit literarischem Vorbild

Den Mittelpunkt von Buddy-Movies bildet typischerweise ein ungleiches, meist durch kuriose Umstände vereintes Männerpaar, das sich trotz aller Reibereien letztlich gerade aufgrund seiner Gegensätze als unzertrennlich erweist: Der Eine wird dem Anderen zum fehlenden Puzzlestück, das eine existenzielle Leerstelle auszufüllen vermag. Dieses Muster erfüllt auch "The Peanut Butter Falcon" : So entwickelt sich Tyler für Zak zum vertrauensvollen Mentor, und Zak wiederum wird für Tyler zum Bruderersatz. Wie in einem Zum Inhalt: Roadmovie üblich geht dieser Prozess mit einer Reise einher, in deren Verlauf die Protagonisten erst gemeinsam Hindernisse überwinden oder Gefahren überstehen müssen, um so ihren Wert füreinander zu erkennen. Der Hauptschauplatz (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) des Films, die Outer Banks vor der Küste von North Carolina, ist dabei mehr als ein bloßer Hintergrund. Wie die Landschaft am Mississippi in Mark Twains Roman The Adventures of Huckleberry Finn (1884), der den Filmemachern offenbar als Inspiration diente, bietet erst die wilde, vom Wasser geprägte Natur im Deep South den Männern den Freiraum, um sich fernab der gesellschaftlichen Normen entfalten zu können.

Erste Szene: Die Flussüberquerung

Die Analyse zweier kurzer Zum Inhalt: Szenen soll im Folgenden veranschaulichen, wie die Beziehung der beiden Protagonisten zueinander filmisch entwickelt wird. Der erste Ausschnitt handelt von der riskanten Überquerung eines Flusslaufs, bei der Zak, der nicht schwimmen kann, beinahe von einem Schiff überfahren wird. Zu diesem Zeitpunkt hat Tyler zwar bereits akzeptiert, dass Zak ihn begleitet – allerdings nur unter der Bedingung, dass er allein die Regeln bestimmt. In der Szene nun betont die Zum Inhalt: Inszenierung zunächst Tylers Führungsrolle und seine Distanziertheit gegenüber Zak: Die Kamera begleitet Tyler frontal oder seitlich, als er mit kontrollierten Brustzügen den Fluss überquert. Währenddessen ist Zak, der von luftgefüllten Plastiksäcken über Wasser gehalten wird, nur in einem kurzen Zwischenschnitt (Glossar: Zum Inhalt: Montage) oder im unscharfen Bildhintergrund (Glossar: Zum Inhalt: Tiefenschärfe/Schärfentiefe) zu sehen. So wie er gegenüber Zak die Richtung vorgibt, scheint Tyler auch den Rhythmus der Zum Inhalt: Sequenz zu bestimmen.

The Peanut Butter Falcon, Szene "Die Flussüberquerung" (© TOBIS Film)

Der Eindruck, er habe alles im Griff, wird allerdings erschüttert, als unversehens eine Totale (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) die Situation senkrecht von oben einfängt – und damit gewissermaßen aus höherer Warte. In diesem markanten Top-Shot (Glossar: Zum Inhalt: Kameraperspektiven) bilden die beiden durch das Seil verbundenen Männer eine Vertikale, die im Bild nach rechts versetzt ist, so dass sich die Zum Inhalt: Bildkomposition im Ungleichgewicht befindet. Die Leere auf der linken Bildseite evoziert eine vage Bedrohung, die sich bald konkretisiert, als die Kamera wieder auf Augenhöhe zurückkehrt: Von links nähert sich in rasantem Tempo ein Fischerboot. In dem Moment, in dem sich Tyler der Gefahr bewusst wird, nimmt eine typische Spannungsmontage ihren Anfang. Der hektisch kraulende Held und das laut hupende Schiff werden alternierend gegeneinander geschnitten. Den Zuschauenden wird so die Orientierung erschwert, was zu ihrer Verunsicherung führt und vermittelt: Tylers Plan geht nicht auf.

Tyler erkennt Zak als Mensch mit Zielen und Fähigkeiten

Als Tyler das Ufer erreicht, erlebt das visuelle Chaos seinen Höhepunkt: Eine wackelige Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) hält fest, wie Tyler panisch versucht, Zak aus der Gefahrenzone zu ziehen. Sein Kontrollverlust findet eine Entsprechung im instabilen Kamerablick. Als Zak sicheren Boden erreicht und Tyler erschöpft ins Wasser fällt, übernimmt die Kamera dann kurzzeitig den Blickwinkel des Geretteten. Und tatsächlich übernimmt Zak daraufhin das Heft des Handelns: Ohne zu Verschnaufen steigt er aus dem Wasser und zieht Tyler mit einem kräftigen Ruck zu sich hoch: "Das ist die tollste Geschichte aller Zeiten." Erstmals sind beide in einer Nahaufnahme vereint. Die Annäherung suggeriert: Zak hat sich als Abenteurer und damit als Buddy bewiesen. Die Szene endet mit einer augenzwinkernd inszenierten Ablösung in der Führungsrolle: Zak wendet sich dem vor ihm liegenden Wald zu und fordert Tyler auf, ihm zu folgen. In einer Nahaufnahme blickt ihm Tyler verblüfft hinterher: Er erkennt Zak als Persönlichkeit mit eigenen Zielen und ungeahnten Fähigkeiten.

Zweite Szene: Die Floßfahrt

Zak, Tyler und Eleanor fahren auf einem Floß durch eine Lagune. Der Ausschnitt setzt ein, als zwischen Tyler und Eleanor ein Disput über den richtigen Umgang mit Zak entbrennt. Während sie das Konzept einer strikten Beaufsichtigung vertritt, ist er überzeugt, dass Zak die Herausforderungen in der freien Natur braucht. In der Szene sind die Buddys Zak und Tyler auf der einen und Eleanor auf der anderen Seite durch ihre Platzierung als Gegenpole inszeniert: Während Zak, der das Steuer führt, und Tyler nebeneinander auf dem Boden sitzen, hat Eleanor am anderen Ende auf einer Kiste Platz genommen. In ihrer gepflegten Erscheinung bildet sie auch einen starken optischen Kontrast zu den verwahrlosten Männern. Damit Zak dem Streitgespräch nicht folgen kann, schlägt Tyler ihm vor, Luftanhalten zu trainieren und den Kopf unter Wasser zu stecken. Die Kamera fängt Zaks Reaktion in einer halbnahen Einstellung ein, die ihn unscharf im Vordergrund zeigt, während die Schärfe auf dem direkt hinter ihm sitzenden Tyler liegt. Dann verlagert sich die Schärfe auf Zak, der ohne zu Zögern auf Tylers Vorschlag eingeht. Der vertrauensvolle Austausch zwischen beiden ist augenscheinlich.

The Peanut Butter Falcon, Szene "Die Floßfahrt" (© TOBIS Film)

Wildnis und Zivilisation – ein Konflikt zwischen den Geschlechtern?

Als Zak abtaucht und die Kamera ihn in einer Unterwasseraufnahme zeigt, setzt sich der Disput in Form einer klassischen Zum Inhalt: Schuss-Gegenschuss-Montage fort. Nahaufnahmen von Eleanor und Tyler wechseln einander ab, zwischendurch aufgelockert durch Over-the-Shoulder-Shots, die die Distanz zueinander betonen. Zaks Auf- und Wiederabtauchen führt zu einer kurzzeitigen komödiantischen Unterbrechung des Schlagabtauschs. In den Nahaufnahmen ist Eleanor aus leichter Untersicht mit dem Himmel als Hintergrund gefilmt, Tyler dagegen aus leichter Aufsicht mit dem Wasser im Rücken. Eleanor spricht so nicht nur von oben herab zu ihm, sie gehört auch sichtbar einer andere Sphäre an: Wildnis und Zivilisation, so scheint es, treffen in dem Mann und der Frau unversöhnlich aufeinander – der Film lässt hier eine klischeehafte Sicht auf die Geschlechter erkennen. Aufgelöst wird der Konflikt erst durch den Tumult, den Zak hervorruft, als er einen großen Fisch an Bord hievt, den er mit den Händen gefangen hat. Zak liefert damit den Beweis für Tylers Position im Streit: Er hat sich abermals in der Natur bewiesen. Der Film inszeniert den Moment als Triumph der beiden Buddys. Als Eleanor in einer Mischung aus Kapitulation und ehrlicher Bewunderung Zak attestiert, er sei wirklich ein wilder Mann, fängt die Kamera die Situation in einer leicht erhöhten Supertotalen ein: Die Drei sind nun inmitten der großen Wasserfläche vereint. Eleanor hat sich den Plänen des Männerbunds gefügt.

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