Am Anfang steht ein Abschied. Bevor sie – nach einem Autounfall – ihre Welt verlässt, spult die Hündin Marona den Film ihres ereignisreichen Lebens zurück und erinnert sich an all die Menschen, die sie liebte. Geboren als Welpe Nummer Neun wird sie früh von ihrer Mutter und den Geschwistern getrennt und findet sich allein auf der Straße wieder. Zu ihrem Glück adoptiert sie der talentierte Akrobat Manole. Er nennt sie Ana. Auch er ist einsam, aber gemeinsam erleben sie eine Zeit voll unbeschwerter Freude, in der alles möglich zu sein scheint. Bis ein berühmter Zirkus Manole eine feste Arbeit anbietet – ohne Ana. Obwohl er sich damit seinen eigenen Traum versperrt, will Manole sie nicht verlassen. Doch Ana kann "ihren Menschen" nicht leiden sehen und geht heimlich fort. Nach einer Weile findet sie Unterschlupf bei Istvan, einem gutmütigen Ingenieur. Für ihn ist sie Sara. Sie befolgt die vielen Regeln, die in Istvans Familie gelten, doch es nützt nichts: Seine Mutter und seine exzentrische Frau sind wankelmütig in ihrer Zuneigung und Sara bleibt wieder allein. In einem Park trifft sie schließlich auf die blauhaarige Solange. Bei ihr wird sie zu Marona. Auch mit der heranwachsenden Solange ist es nicht immer leicht, doch Marona wird Teil ihrer Familie und findet ein Zuhause. Hier wird sie bleiben, bis der Kreislauf des Lebens sich schließt und wir zum Beginn des Films zurückkehren.

Die fabelhafte Reise der Marona, Szene (© Luftkind Filmverleih)

Ein visuelles Feuerwerk voller Gefühl

Regisseurin Anca Damian erzählt eine berührende Geschichte von Liebe, Glück und Zugehörigkeit und weckt dabei große Gefühle – Freude und Trauer stehen gleichberechtigt nebeneinander. Besonderen Anteil daran hat die zauberhaft-fantasievolle Zum Inhalt: Animation, die vor allem durch den Stil des belgischen Comiczeichners Brecht Evens geprägt ist, zugleich aber auch kindlich-naiv anmutet. Die Bilder leuchten in einem Feuerwerk von Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung), die Zeichnungen sprengen Grenzen und Sehgewohnheiten. Klare Linien und realitätsnahe Figuren und Orte, wie sie aus Disney- oder Pixar-Filmen bekannt sind, gibt es wenig. Eher noch lässt sich eine Ähnlichkeit zu den fantastisch-expressiven Welten der Zum Inhalt: Animes finden, doch vor allem ist "Die fabelhafte Reise der Marona" in einem einzigartigen Stil animiert. Ästhetisch ist der Film eher in der bildenden Kunst verhaftet und changiert zwischen Impressionismus, Expressionismus und Surrealismus: verwischte Aquarellfarben, geometrische Farbflächen, starke Kontraste zwischen Licht und Dunkel (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung), dazu sich ständig verändernde und bewegende Hintergründe und animalisch-menschliche Mischwesen. Das schlichte Schwarz-Weiß und die klare Abgrenzung der Figur Marona fallen dagegen besonders auf und stellen sie auch bildlich in den Mittelpunkt. Die Zum Inhalt: Filmmusik transportiert starke Emotionen, ohne dabei pathetisch zu wirken. Ein leiser Humor hält die Gefühle in der Balance.

Die fabelhafte Reise der Marona, Szene (© Luftkind Filmverleih)

Die Stationen von Maronas Entwicklung

Maronas Reise ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die jeweils für eine Phase ihres Lebens stehen. Nachdem sie die Hundefamilie hinter sich lassen muss, verbringt sie ihre Kindheit beim Akrobaten Manole, der mit ihr spielt und träumt. Mit Istvan erlebt sie ihre Jugend und stößt sich ungewollt an dem sich immer wieder verändernden Regelwerk. In Solanges Haus findet sie Akzeptanz und wird erwachsen. Jede Phase und die dazugehörigen Figuren und Orte haben eine eigene visuelle Prägung: Manoles Welt ist biegsam und immer in Bewegung, selbst die Streifen seines Anzugs haben ein Eigenleben. Istvan ist ganz Geometrie und Fläche, seine Wohnung geordnet und einengend. Und die sprunghafte Solange lebt vor allem in sich oft überlagernden, lichten Aquarellen.

Eine kleine Hündin und ihre Weisheiten

Die Welt betrachten wir aus der Perspektive von Marona. Im Zum Inhalt: Voiceover erzählt die Hündin ihre Geschichte in einfachen, poetischen Worten. Während sie ihr Leben rekapituliert, eröffnet sich gleichzeitig der Blick auf die Menschen und auf deren Gefühle, Wünsche und Unzulänglichkeiten. Es ist ein entwaffnender Blick: Er zeigt, wie der Mensch in seiner Suche nach dem eigenen Glück oft nicht nur sich selbst im Weg steht, sondern auch diejenigen verletzt, die ihm am nächsten stehen. Ein kleiner Hund bleibt da schnell auf der Strecke. Trotz der deutlichen Kritik an der Selbstbezogenheit unserer Gesellschaft wird jedoch kein einseitiges Urteil gefällt, sondern versucht, der Komplexität des Lebens gerecht zu werden. Für Marona hingegen könnte alles so einfach sein. Statt stetig nach Neuem zu streben, findet sie das Glück im Moment und in den kleinen Dingen, etwa in einer Schale Milch, einem warmen Platz zum Schlafen oder in einer zärtlichen Berührung. Doch sind Mensch und Tier wirklich so verschieden? Wären wir nicht alle glücklicher, wenn wir das Leben nähmen, wie es kommt? Es ist so einfach wie radikal, was die Hündin mit der Herznase ihrem kleinen und großen Publikum schließlich mitgibt, wenn sie sich in den Tod verabschiedet: ein Plädoyer für die Schönheit des Lebens mit all seinen Widersprüchen, für Gemeinsamkeit und vor allem für die Liebe.

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