Kategorie: Filmbesprechung
"Fimpen, der Knirps"
Fimpen
Ein sechsjähriger Junge schießt die schwedische Nationalelf der Männer zur Fußball-WM 1974 in Deutschland.
Unterrichtsfächer
Thema
Ein Fußballstar zu werden, wenn sie mal groß sind, davon träumen viele Kinder. Johan, sechs Jahre alt, muss nicht solange warten. Auf dem Bolzplatz entdeckt, wird er vom Fleck weg vom Stockholmer Traditionsverein Hammarby IF für das Erstligateam engagiert. Kurz darauf erfolgt der Anruf vom schwedischen Nationaltrainer. Beim Abspielen der Hymnen reicht "Fimpen" (schwedisch: "Stummel") seinen Mitspielern gerade mal bis zur Hüfte, doch mit seinen Toren und Vorlagen ebnet er der schwedischen Auswahl den Weg zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Ein Fußballmärchen wird wahr.
Bo Widerbergs "Fimpen, der Knirps" ist, ganz offiziell, nicht irgendein Fußballfilm (Glossar: Zum Inhalt: Genre). Die Fachjury des Fußballfilmfestivals "11mm", unterstützt von der DFB-Kulturstiftung, wählte ihn 2013 zum "besten Fußballfilm aller Zeiten". Der schwedische Kinderfilmklassiker appelliert nicht nur an Kinderträume, sondern weckt auch nostalgische Sehnsüchte nach einer unschuldigeren, weniger kommerzialisierten Ära des heutigen Massenphänomens Fußball. Die gesamte schwedische Nationalmannschaft, darunter der aus seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern auch in Deutschland bekannte Torwart Ronnie Hellström, ließ sich zu dem Spaß überreden. Heute kaum vorstellbar ist auch die Mitwirkung gegnerischer Teams wie hier der Sowjetunion oder Ungarns, die sich von einem Dreikäsehoch auf dem Spielfeld vorführen lassen. Gedreht wurde am Rande der WM-Qualifikationsspiele im Frühjahr 1972 in vollen Stadien (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set). Das Publikum muss sich gewundert haben über den kleinen Jungen, der mit seinem gewitzten Tunneltrick an den größten Gegenspielern vorbeikommt und sogar per Kopf trifft.
Die Mitwirkung echter Sportprofis (sprich: schauspielerischer Laien) fügt sich nahtlos in das Konzept des Films, seine fantastische Geschichte mit realistischen, bisweilen dokumentarisch (Glossar: Zum Inhalt: Dokumentarfilm) wirkenden Mitteln zu erzählen. Der einzige "Trick" besteht in der sturen Realitätsbehauptung. Niemand wundert sich über einen Sechsjährigen in der Mannschaftskabine. Mit ernsten Worten wird der Neuzugang in die Taktik eingebunden: "Zieh den Libero auf dich, und nicht die Flügel vernachlässigen!" Diese unaufgeregte Zum Inhalt: Inszenierung gilt auch dem privaten Umfeld, wo Johans steile Karriere zunächst kaum bemerkt wird. In der Schule zeigt ihn die Kamera als einen von vielen. Die Familie jubelt ihm am heimischen Fernseher zu und spielt weiterhin keine Rolle. Johan, ein wortkarger Junge ohne Starallüren, managt sich offenbar selbst. Kleinere Zwischenspiele zeigen ihn aber auch beim unbefangenen Zeitvertreib mit Schulkameraden. Fußball ist schließlich nicht alles im Leben.
Nach und nach jedoch bekommt das von klassischer Musik (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) untermalte Idyll Risse. Spiele gehen verloren, Fimpen verschuldet Freistöße, bekommt eine gelbe Karte wegen Schiedsrichterbeleidigung und schlechte Presse. Fans sind ungehalten, weil er ihnen keine Autogramme schreibt – er kann überhaupt noch nicht schreiben, weil er in der Schule ständig einschläft. Auf immer noch humorvolle Art reflektiert das Fußballmärchen auch die Schattenseiten einer frühen Sportlerkarriere. Im Jahr 1974 winken noch keine Millionen, doch die Frage nach der Vereinbarkeit von Ausbildung und Leistungssport ist dieselbe wie heute. Johan entscheidet sich für die Schule. Er will, wie ein Reporter irritiert mitteilt, "wieder ein ganz normaler schwedischer Junge werden". Zum Glück, darin liegt ja das Märchenhafte, war er das den ganzen Film über.