Mit einem Blick voller Unbehagen betritt der junge Benjamin Braddock einen Rollsteig am Flughafen Los Angeles. Sein Ausdruck bleibt starr, während er fast zwei Minuten an weißen Wandfliesen entlanggleitet. Der frischgebackene College-Absolvent ist auf der Heimreise nach Kalifornien und macht auf dem Laufband eine Verwandlung durch. Keine sichtbare Verwandlung, nein, aber eine, die in der Filmindustrie wie auch der amerikanischen Gesellschaft zu spüren ist.

Benjamins Unbehagen gründet nicht in einer Angst vor der Zukunft, die am Ende des beständig driftenden Laufbands wartet. Vielmehr fasst er dort eine bedrückende Gegenwart in den Blick: die Welt der Eltern und der gesellschaftlichen Verpflichtungen. Er ist nicht mehr Teil dieser Welt, in der Väter fette Zigarren an Nierentischen rauchen und Mütter oft gute Miene zum bösen Spiel machen. Dieses Unbehagen, zu dem auch (Selbst-)Zweifel und Wut gehören, macht Benjamin zu einem der ersten Helden eines neuen amerikanischen Kinos: des Zum Inhalt: New Hollywood.

Das alte Hollywood in der Krise

Zum Filmarchiv: "Die Reifeprüfung" ist die Geschichte eines launischen Melancholikers, der gesellschaftliche Tabus bricht, ohne ein festes Ziel vor Augen zu haben. Die Tabubrüche passieren ihm einfach – wie das Leben selbst. Damit steht Benjamin Braddock den einstigen Helden Hollywoods diametral gegenüber. Als Mike Nichols‘ bahnbrechender Film kurz vor Weihnachten 1967 in die Kinos kommt, gibt es kaum noch Platz für die Cowboys und Charmeure der alten Traumfabrik: John Wayne und Cary Grant bewegen sich auf das Ende ihrer Filmkarrieren zu, Humphrey Bogart ist schon seit zehn Jahren tot.

Auch die Erfinder dieser Stars, die großen Filmstudios, stehen in der Krise. Ende der 1950er-Jahre macht das zunehmend populäre Fernsehen den Kinos die Besucher/-innen abspenstig. Die Studios versuchen daraufhin das Kinoerlebnis zu stärken, indem sie monumentale Historienfilme im Zum Inhalt: Cinemascope-Format wie "Ben Hur" (USA 1959) oder familienfreundliche Musicals wie "Meine Lieder – meine Träume" (USA 1965) drehen. Obwohl einige dieser Filme Erfolge feiern – während andere Prestige-Produktionen spektakulär floppen –, können sie die stetige Abwanderung des Publikums auf Dauer nicht verhindern.

Neue Filme für eine neue (Kino-)Generation

Zudem bildet sich in den USA Anfang der 1960er-Jahre ein neues Publikum heraus, die sogenannten Babyboomer. Diese Generation wächst in der optimistischen Nachkriegszeit auf und prägt einen starken gesellschaftlichen Fokus auf die Jugend(-Kultur). Ihr setzt das TIME Magazine 1966 ein Denkmal: Die Zeitschrift wählt zum ersten Mal eine gesamte Generation zur "Person of the Year".

Von diesem Generationswandel profitiert der Regisseur und Produzent Roger Corman. Als sogenannter "König der B-Movies" – also der schnell und günstig produzierten Filme – führt er allein zwischen 1960 und 1967 bei 29 Filmen Regie. Meist geht es um Abseitiges; Drogen, Motorradgangs und Monster gestalten sein filmisches Universum. Bei den heranwachsenden Babyboomern, die das Autokino und Mitternachtsvorstellungen für sich entdecken, finden sie großen Anklang. Gleichzeitig lernen viele Größen des New Hollywood ihr Handwerkszeug bei Corman: Jack Nicholson und Peter Fonda spielen erste Rollen, während Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Peter Bogdanovich Regieassistenzen übernehmen.

Gesellschaft im Umbruch

Wenige Wochen bevor Zum Filmarchiv: "Die Reifeprüfung" im Dezember 1967 in die Kinos kommt, versammeln sich 100.000 Menschen vor dem Lincoln Memorial in Washington, um gegen die Beteiligung der USA am Vietnamkrieg zu protestieren. Neben dem blutigen Stellvertreterkrieg, der bereits seit zwei Jahren tobt, wird auch die Forderung nach Gleichberechtigung der afroamerikanischen Bevölkerung immer wieder auf die Straße getragen. Nur Tage vor der Premiere von Nichols‘ Film fordert der Oberste Gerichtshof den Staat Alabama auf, die im ganzen Land eingeführte Aufhebung der Rassentrennung an Schulen korrekt umzusetzen.

Zwar finden diese Streitpunkte nicht immer als konkretes Thema Eingang in die Filme des New Hollywood, aber das Kino bietet nun eine neue Form der künstlerischen Auseinandersetzung. Arthur Penns "Bonnie und Clyde" (USA 1967), der als erster Film des New Hollywood gilt, scheut etwa nicht davor zurück, Gewalt zum Stilmittel zu erheben. Sie ist nicht einfach notwendiger Teil der Gangster-Geschichte, sondern zeigt sich in all ihren Facetten: als Wut auf die Lebensumstände, als Geltungssucht und auch in ihrer eigenartigen Schönheit.

Die Reifeprüfung, Filmszene (© Studiocanal)

Zweifler und Anti-Helden: Die Figuren des New Hollywood

Auch "Die Reifeprüfung" löst solche Vielschichtigkeiten bewusst nicht auf, was den Film zum zweiten Grundstein des New-Hollywood-Kinos macht. Wie Bonnie und Clyde – und wenig später das Biker-Duo in "Easy Rider" (USA 1969) – ist Benjamin Braddock ein Anti-Held. Seine Handlungen lassen sich nicht immer logisch erklären: Seine Ängste und Zweifel sind auf andere Weise fühlbar, weil sie so irrational sind wie das lebensweltliche Vorbild – unsere Ängste und Zweifel.

Filme des New Hollywood scheuen nicht davor zurück, diese Zweifel auf formaler Ebene auszudrücken. Benjamin wird häufig von einem Tele-Objektiv eingefangen, das ihn mit schnellen Zum Inhalt: Zooms von seiner Umwelt isoliert oder ihn abrupt zurückholt. So huschen in der Zum Inhalt: Anfangsszene schemenhafte Menschen durch den nah herangezoomten Blick auf Benjamin. Sie sind ein kurzes Aufflackern der Welt außerhalb seiner Gedanken, was bereits zu Beginn des Films als bewusste Störung gesetzt wird. Wenige Jahre zuvor hätte man solche Experimente, die von den "Neuen Wellen" des europäischen Autorenkinos in Italien, Frankreich und Großbritannien inspiriert sind, noch als schlechte Kameraarbeit abgetan.

Der europäische Autorenfilm erreicht die USA

Im Zuge der Krise gewähren die Filmstudios den oft jungen Regisseuren – auch im progressiven New Hollywood fast ausnahmslos Männer – eine größere künstlerische Freiheit. Auch in den USA können sich nun Autorenfilmer herausbilden, die ihre Vision konsequent auf allen Ebenen des Films verfolgen. Terrence Malick etwa führt bei seinem Debütfilm "Badlands" (USA 1973) Regie, übernimmt die Produktion und schreibt das Zum Inhalt: Drehbuch. Im Verlauf der Dreharbeiten wechselt er mehrmals den Kameramann, um seine Ideen einer eigenständigen Kamera, die sich immer wieder von der Handlung abwendet, und einer realistischeren Zum Inhalt: Bildsprache ohne künstliches Zum Inhalt: Licht umzusetzen.

Eine ähnliche Arbeitsweise findet sich in "Five Easy Pieces – Ein Mann sucht sich selbst" (USA 1970) von Bob Rafelson oder in den zentralen New Hollywood-Filmen von Martin Scorsese, "Hexenkessel" (USA 1973) und Zum Filmarchiv: "Taxi Driver" (USA 1976). Sie zeigen auch, dass die neuen Regisseure eher die Schattenseiten der amerikanischen Gesellschaft in den Fokus rücken. Themen wie Einsamkeit, Traumata, Sexarbeit, Drogen und Gewalt finden aber nicht nur den Weg auf die Leinwand (die Zensur durch den sogenannten "Production Code" wurde 1967 abgeschafft), sondern werden zunehmend komplex vermittelt. Das Kino des New Hollywood bedient sich dabei assoziativer Erzähltechniken, die mit Zum Inhalt: Ellipsen und offenen Enden arbeiten.

Die Reifeprüfung, Schluss-Szene (© Studiocanal)

Musik als Stilmittel und Identifikationsangebot

Auch die Zum Inhalt: Soundtracks der Filme sind nun als Stilmittel zu verstehen. Wie kaum ein Film zuvor verbindet "Die Reifeprüfung" die Gestaltung der Charaktere mit Musik – hier stilprägend von Simon & Garfunkel eingespielt. Gerade Folk- und Rockmusik bieten zur Zeit des New Hollywood zunehmend Identifikationsangebote für junge Menschen. Wo einst Musicalnummern und Big Band-Hits bloß die emotionale Wirkung verstärken sollten, arbeiten Filme wie "Easy Rider" oder "Harold und Maude" (USA 1971) bewusst mit der für junge Zuschauende identitätsstiftenden Wirkung ihrer Soundtracks, die zum Teil auch auf bereits bekannte Hits zurückgreifen. Arthur Penns "Alice's Restaurant" (USA 1969) basiert sogar gänzlich auf einem Musikstück: ein knapp zweistündiges filmisches Arrangement des Folksongs "Alice's Restaurant Massacree" (1967) von Arlo Guthrie.

In den 1960er-Jahren finden diese Filme ein Publikum, das mit der Komplexität der Welt hadert und sich zunehmend gegen soziale Missstände auflehnt. Das New-Hollywood-Kino, allen voran "Die Reifeprüfung" , bildet solche Komplexitäten nicht nur ab, sondern verhandelt sie auf filmischer Ebene. Es macht das Zweifeln im Kino auf eine neue Art erlebbar – und wirkt gerade deshalb bis heute nach.

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