Geografische Entdeckungsreise

Alamode Film

Zum Filmarchiv: "Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa" (Zarafa, Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie, Frankreich, Belgien 2011) ist ein auf historische Begebenheiten basierender Abenteuerfilm, bei dem die Reise der Hauptfiguren im Mittelpunkt steht. In der Hoffnung auf militärische Unterstützung der Kolonialmacht Frankreich gegen die Belagerung Alexandrias durch die Osmanen, folgt der edelmütige Beduine Hassan dem Befehl des ägyptischen Herrschers, eine Babygiraffe einzufangen und als zielführendes Geschenk nach Frankreich zu transportieren. Der kleine Junge Maki hingegen agiert in ethischer Mission: Er hat versprochen auf Zarafa aufzupassen und will sie deshalb in ihre Heimat zurückbringen. Fortan an die Fersen des Entführers und der gefangenen Zarafa geheftet, beginnt für ihn eine lange Reise an Land, zu Wasser und in der Luft, bei der sich majestätische Räume und außergewöhnliche Ansichten der Landschaften zwischen Afrika und Europa in zahlreichen Schauplatzwechseln und breiten Zum Inhalt: Cinemascope-Bildern offenbaren: die unendliche Weite der sudanesischen Savanne, die Kolossalität des ägyptischen Tempels von Abu Simbel und der Pyramiden von Gizeh, die Massivität der glänzenden Gebirgsstöcke in den Alpen, der Lavendelzauber der Provence, aber auch die Hektik und Enge der großen Städte Alexandria, Marseille und Paris.

Reisekolorit: bunte Heimat vs. farblose Fremde

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Es ist eine kontrastreiche Reise vom Sudan nach Frankreich, bei der die Gegensätze von Wildnis und Kulturlandschaft, von Heimat und Fremde sowie das Gefühl von Freiheit und Freiheitsentzug in einer ausgeklügelten Zum Inhalt: Farbdramaturgie reflektiert werden. So erstrahlen die weitläufigen Landschaftsidyllen und endlosen Naturräume Afrikas in Zum Inhalt: hellem Sonnenlicht, unter blauem Himmel und in kräftigen und warmen Färbungen. Doch bereits über den mächtigen Gipfeln der Alpen begrenzt sich der Horizont. Schneestürme behindern die Sicht, die Farben verblassen, bis die Reisenden nach langer Odyssee schließlich im schmutzig-grauen Paris landen. Dessen rußige Dächer erstarren unter bleiernem Himmel in düsterem Grundton, und die kalte und unbehagliche Stimmung der französischen Hauptstadt macht die trostlose Endstation von Zarafas Reise auch sinnlich erfahrbar: Als Ausstellungsstück in einem reizarmen und engen Zookäfig eingesperrt bleibt ihr die Rückkehr in die weite Steppe Afrikas auf immer verwehrt.

Klangwelten: Harmonie und Disharmonie

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Auch die Zum Inhalt: musikalische Gestaltung in Zum Filmarchiv: "Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa" passt sich den Etappen der Reise vom Orient in den Okzident an, unterstreicht nicht nur den abenteuerlichen oder emotionalen Gehalt bestimmter Szenen, sondern spiegelt auch atmosphärisch die Unterschiede der arabischen und europäischen Kulturkreise, ihrer Geisteshaltungen und Sozialformen. So etabliert der Film zu Beginn der Reise ein orientalisches Leitmotiv, gespielt mit traditionell afrikanischen Instrumenten wie Percussions, Flöten und Kalimbas. Die afrikanische Welt wird dadurch in exotische, gleichwohl warme und symphonische Klänge getaucht. Doch je weiter die Figuren gen Europa voranschreiten, desto abendländischer wird auch die Musik. Während auf dem Mittelmeer noch die lebensfrohe Folkloremusik zum Sirtaki-Tanz der griechischen Piraten ertönt, wählt der Komponist für den königlichen Empfang von Zarafa im Pariser Zoo eine klassische Kammermusik mit Cembalo und Bratsche, wie sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in erhabenen Kreisen Mitteleuropas gerne gespielt wurde. Die feinsinnigen und zarten Klänge setzen einen disharmonischen Kontrapunkt, denn sie untermalen die Bilder bornierter Dekadenz eines clownesk überzeichneten, durch Dummheit und rassistische Überheblichkeit charakterisierten Königs und seines nicht minder grotesken Hofstaates. Auf diese Art musikalisch betont, werden sie endgültig zu Karikaturen ihrer selbst. Eine ähnliche Wirkung erzielt die zirkusatmosphärische Drehorgel-Untermalung auf den Straßen von Paris, durch die der grassierende Irrsinn der Giraffenmode einer oberflächlichen und schaulustigen Gesellschaft auch musikalisch verspottet wird.

Gefahr und Flucht

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Ähnlich den Konventionen eines Zum Inhalt: Road Movies verläuft die Reise in Etappen, bei denen Komplikationen und Gefahren ihrem Fortgang im Wege stehen. Der Fußmarsch durch die flirrende Hitze der endlos scheinenden Wüste führt zu gefährlichen Halluzinationen und lässt die Kräfte schwinden. Die Ausreise nach Frankreich mit dem Schiff ist unmöglich, da die Küste von der osmanischen Flotte belagert ist. Der Heißluftballon als neu gewähltes Transportmittel hält den Turbulenzen der Luft nicht stand und in den Alpen lauert nicht nur klirrende Kälte, sondern auch ein angriffslustiges Wolfsrudel. Aber nicht nur die Natur und das Klima zeigen sich den Reisenden von rauer und gefährlicher Seite. Auch der unerbittliche Sklavenhändler Moreno und sein Kampfhund sorgen immer wieder für Angst und Schrecken und verwandeln das Reiseabenteuer in eine ständige Flucht vor Unterdrückung und Sklaverei.

Riskante Situationen, neue Freundschaften

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Es sind Freundschaften, die aus den ausweglosen und lebensbedrohlichen Situationen der Reise heraushelfen. Das solidarische und verantwortungsvolle Füreinandereinstehen wird dabei in allen wichtigen Begegnungen variiert: Sowohl Zarafas Mutter als auch Zarafa selbst retten Maki das Leben, der Luftschiffer Malaterre erweist sich als loyaler und hilfsbereiter Reisegefährte, die hartgesottene Piratin Bouboulina als mütterliche Mitstreiterin im Freiheitskampf und selbst der einzelgängerische Hassan wandelt sich zur verantwortungsvollen Vaterfigur, der dem verwaisten Maki immer wieder beschützend zur Seite steht.
Doch dem Schließen neuer Freundschaften auf Reisen steht der schmerzliche Verlust enger Freunde/innen diametral entgegen. Dies gilt nicht nur für einzelne Reiseetappen, sondern auch für den ursprünglichen Grund des Aufbruchs: Maki wird vom Sklavenhändler verschleppt, Zarafas Mutter stirbt. War das Versprechen, Zarafa zurück nach Afrika zu bringen, Makis treibender Motor für die strapaziöse und kämpferische Reise, muss er am Ende erkennen, dass er, trotz des Einsatzes seines Lebens, sein Gelöbnis nicht halten kann. Mittlerweile eine ausgewachsene Giraffe, ist Zarafa zu groß für die organisierte Rückreise im Heißluftballon. Für Maki bedeutet dies, Freundschaft mit der Realität und dem Abschiednehmen zu schließen und einen offenen Blick für die Reise in die Zukunft zu entwickeln. Mit neuer Perspektive im Gepäck und Zarafa für immer im Herzen entpuppt sich die von Licht und Schatten durchzogene Reise von Afrika nach Frankreich und wieder zurück nicht zuletzt als Initiations- und Heldenreise, auf der Maki einen wichtigen Schritt ins Erwachsensein unternommen hat.

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