Eine Schneedecke hüllt Berlin in fast unwirkliches Weiß. Es ist der Silvestertag des Jahres 1944. Am späten Nachmittag treffen sich Menschen in einer Wohnung, um ausgelassen den Jahreswechsel zu feiern. Im Kontrast zu diesen Bildern, die Normalität suggerieren, steht die Tonspur: Wir hören den Tagebucheintrag einer jungen Frau, die sich vor den Ereignissen im Jahr 1945 fürchtet. In der nächsten Einstellung ist Hermann Göring mit anderen führenden Nationalsozialisten beim Neujahrsempfang zusehen. Die anschließenden Bilder zeigen die Alliiertenstreitkräfte mit Kurs auf Berlin und zerbombte Straßenzüge. Sie illustrieren, dass die Front immer näher rückt und die Niederlage des Deutschen Reiches nur noch eine Frage der Zeit ist.

Die Zum Inhalt: Anfangssequenz von "Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt" verdeutlicht das Zum Inhalt: Montage-Prinzip, das Regisseur Volker Heise in den beiden Teilen seines Zum Inhalt: dokumentarischen Essayfilms anwendet. Zeugnisse des Alltagslebens, beispielsweise ein Einkaufsbummel in den Modeläden der Innenstadt oder ein Kinobesuch, werden mit Impressionen aus Bunkern oder von Ruinen gegengeschnitten. Das Bildmaterial aus den Archiven der Alliierten und Deutschlands montiert Heise mit den Tagebuch-Eintragungen von Armee-Angehörigen, Zwangsarbeiter/-innen, Politiker/-innen, Journalist/-innen und Bürger/-innen. Die polyphonen Eindrücke wurden von Schauspieler/-innen als Zum Inhalt: Voice-Over eingesprochen. Damit zeichnet sich "Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt" als multiperspektivischer Blick auf die letzten Wochen des Kriegsgeschehens und die Monate nach der Kapitulation aus. Für die Zuschauenden wird erst durch die Tonebene der (Nach-)Kriegsalltag zwischen Not und Elend und der Sehnsucht nach Normalität deutlich greifbar.

Im Zum externen Inhalt: Interview mit der Berliner Zeitung (öffnet im neuen Tab) beschreibt Regisseur Volker Heise die visuelle Ebene von "Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt" als "Dekonstruktion von Propagandabildern". Im Deutsch- und Geschichtsunterricht sollten die verwendeten Quellen und die Wirkung des künstlerischen Konzepts untersucht werden. Ebenso kann die Bedeutung der Zeugnisse von Zeitzeug/-innen untersucht werden. Der Einstieg dazu sollte an konkreten Ereignissen im Film festgemacht werden, die von unterschiedlichen Personen beschrieben werden. Im Deutschunterricht bietet sich in der Oberstufe an, eine Unterscheidung von Essayfilmen und Dokumentarfilmen vorzunehmen und dabei insbesondere den Umgang mit Archivaufnahmen zu vertiefen. In dieser Unterrichtsreihe kann ein Vergleich mit Filmen wie Zum Filmarchiv: "They Shall Not Grow Old" (GB/NZL 2018, Regie: Peter Jackson) und Zum Filmarchiv: "Heimat ist ein Raum aus Zeit" (D/A 2019, Regie: Thomas Heise) erfolgen.

Wichtiger Hinweis:

"Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt" kann in der Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung kostenlos gesichtet werden:
Zum externen Inhalt: Teil 1 (öffnet im neuen Tab) und Zum externen Inhalt: Teil 2 (öffnet im neuen Tab).

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