"Laß den Bub doch Chaplin kucken, wenn er aufwacht. Der tut ihm sicher gut." (aus: Patrick Roth: Meine Reise zu Chaplin, 1997)

Zum Inhalt: Slapstick! Schon das Wort klingt nach der comichaften Turbulenz, die diese körperbetonte Spielart der Zum Inhalt: Komödie auszeichnet. Der Begriff meint ursprünglich die "Pritsche des Narren" aus dem italienischen Stegreiftheater der Renaissance, der Commedia dell'arte. Eine aus Holz oder starker Pappe gebastelte Klatsche, mit der man geräuschvoll zuschlagen kann, ohne wirkliche Schmerzen zuzufügen. Zur schadenfreudigen oder befreienden Erheiterung des Publikums versohlten sich die Narren und boten Akrobatisches dar. Anfang des 20. Jahrhunderts führten Stummfilmkomiker/-innen die Tradition, die im Zirkus oder im Vaudeville-Theater fortlebte, in eine zweite große Blütezeit. Das neue Unterhaltungsmedium Film war perfekt geeignet für optische Pointen, für Pantomime, Ausrutscher, fliegende Sahnetorten oder irrwitzige Stunts und Keilereien.

Was Slapstick ausmacht

Wesentlich für den Slapstick sind visuelle Gags, die auf Körperkomik zielen. Mittel dazu sind Verrenkungen, akrobatische Stelldicheins oder Aggressionen, die wie in den eng verwandten Cartoons verletzungsfrei ausgehen. Hinzu kommen "komische" körperliche Merkmale, wenn die Figuren besonders schlaksig oder beleibt sind oder unvorteilhafte Kleidung (Glossar: Zum Inhalt: Kostüm/Kostümbild) tragen. Die Tölpel taumeln, stolpern, ringen mit Alltagsdingen ("Tücke des Objekts"), ihre Körpersprache ist expressiv und wuselig. Ein Verdienst der Slapstickstars war es, ihre geschickte Akrobatik möglichst ungeschickt aussehen zu lassen.

Das Prinzip dahinter ist es, die Ordnung durch eine Verkettung von Misslichkeiten auszuhebeln. Passieren kann das in festen Zum Inhalt: Einstellungen, die Peinlichkeiten anhäufen, oder in zerstörungswütigen Verfolgungsjagden. Dem Slapstick wohnt etwas Anarchisches inne, weshalb weder das Kaputtmachen noch die häufige Düpierung von Autoritäten ein Zufall ist. Der klassische Slapstick untergräbt Hierarchien, lehnt sich durch Travestie oder den Tausch sozialer Rollen gegen bürgerliche Sitten auf, verarbeitet die Entfremdung im Maschinenzeitalter, konfrontiert mit Ängsten, Sehnsüchten, Liebe. Letztendlich, ein Trost für das Publikum, triumphieren die Figuren über ihre Ungeschicktheit oder finden sich damit ab.

Stumme Slapstickkomödien

Erste Filmvorläufer der Komödiengattung (Glossar: Zum Inhalt: Komödie) entstanden um 1900. Oft nur einmütige Filme mit einer einzigen unbewegten Kameraeinstellung. Einer davon ist "Little Tich and his Big Boots" (FR 1900), in dem Alice Guy Kunststücke des kleinwüchsigen britischen Bühnenstars Harry Relph zeigt. Der Humor entsteht aus der absurden Übergröße der Schuhe und Relphs lässiger Heiterkeit. An einer Stelle fällt ihm der Zylinder herunter, als er ihn auf der Nase balanciert. Auch das ist Slapstick, den ein Zum Inhalt: Dokumentarfilm von 2014 "Kunst des Scheiterns" nennt. Die ersten Stars des Metiers waren Franzosen: André Deed und Max Linder, die in der Frühphase des Kinos in etlichen Kurzkomödien auftraten.

LITTLE TICH AND HIS BIG BOOTS (FR 1900/03, © Little Tich & Phono-Cinéma-Théâtre, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die frühen Slapstickgrotesken waren rasant und billig produzierte Unterhaltung. Einzelne Komiker/-innen drehten hunderte Zum Inhalt: Kurzfilme hintereinander weg und übernahmen dabei oft zugleich die Regie. Im Studio oder auf der Straße wurde ausprobiert, verfeinert und verworfen; das alles im Rahmen einer bald vom Studiosystem à la Hollywood eingehegten künstlerischen Unabhängigkeit mit Raum für Improvisationen. Ein Schmelztiegel dieser seriellen Produktion waren die 1912 von Mack Sennett gegründeten Keystone Studios in Los Angeles, die den Erfolg der französischen Komödien im Verlauf des Ersten Weltkriegs überflügelten. Die US-amerikanischen Komödiant/-innen nutzten die Möglichkeiten des Kinos – Zum Inhalt: Montage, Filmtricks und wechselnde Schauplätze (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) – so wirkungsvoll, dass die Slapstickfilme der 1910er- und 1920er-Jahre entscheidend zum Siegeszug des Mediums und zum Aufstieg Hollywoods beitrugen.

In den USA tätige Komiker/-innen erlangten weltweiten Ruhm: Buster Keaton (Zum Filmarchiv: "Buster und die Polizei/Cops", USA 1922), Harold Lloyd oder Charlie Chaplin (Zum Filmarchiv: "Der Zirkus/The Circus", USA 1928) perfektionierten in ihren Filmen den wortlosen Kinoslapstick. Keaton drehte frühe Actionkomödien voller halsbrecherischer Stunts, Lloyd kletterte tollkühn Hochhausfassaden herauf, was dem Slapstick Nervenkitzel verlieh, Chaplin verpasste der Komik mit der Figur des "Tramp" ein melancholisches Antlitz. Etwas später betraten Stan Laurel und Oliver Hardy die Bühne. Wo es für Keaton essenziell war, seine realen Stunts als solche erkennbar zu lassen, nutzte das ungleiche Komiker-Duo vermehrt Filmtricks.

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Vor allem der frühe Slapstick hatte auch weibliche Stars. Noch vor Chaplin agierte die US-Amerikanerin Minta Durfee in stummen Komödien, darunter "The Knockout" (Charles Avery, USA 1914), in dem sie Männerkleidung trägt. Die Kanadierin Marie Dressler übernahm die Hauptrolle in "Tillies gestörte Romanze" ("Tillie's Punctured Romance" , Mack Sennett, USA 1914), der mutmaßlich ersten Langfilmkomödie, die in den US-Kinos zu sehen war. Im selben Film trat auch Mabel Normand auf, die etwa bei "Mabel in peinlicher Lage" ("Mabel's Strange Predicament" , USA 1914) auch Zum Inhalt: Regie führte. In Deutschland avancierte Ossi Oswalda zur Stummfilmikone, sehr populär war sie im Lustspiel "Ich möchte kein Mann sein" (Ernst Lubitsch, D 1918).

Neuere Spielarten

Gegen Ende der Stummfilmära (Glossar: Zum Inhalt: Stummfilm) wurde der Slapstick vermehrt in narrative Langfilme eingebunden, bis der Tonfilm ihn zugunsten witziger Dialoge verdrängte. Ein später Slapstickregisseur war der Franzose Jacques Tati, der bis in die 1970er-Jahre hinein wortlose Komik inszenierte. Wie Chaplin in "Moderne Zeiten" ("Modern Times" , USA 1936) reflektiert Tati die Überforderung des Menschen in der Industriegesellschaft. In "Tatis herrliche Zeiten" ("Playtime" , FR 1967) führte er den Irrsinn in einer riesigen Kulissenstadt auf und nutzte das Tondesign (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sounddesign), um technischen Geräten ein slapstickhaftes Eigenleben zu verleihen.

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Neben Louis de Funès, einem weiteren Franzosen, der britischen Komikertruppe Monty Python oder ihrem Landsmann Rowan Atkinson ("Mr. Bean") führte auch der Hongkong-Kinostar Jackie Chan die Tradition fort, indem er Slapstick-Elemente in seine Kampfszenen einbaute. Prädestiniert für den unmittelbaren Slapstickhumor sind Kinderfilme, die bis heute vielfach damit arbeiten; ein älteres Beispiel ist die DEFA-Produktion "Alfons Zitterbacke" (Konrad Petzold, DDR 1966). In der DDR weithin rezipiert wurden auch die Slapstick-Abenteuer der Olsenbande aus Dänemark. Trickfilme (Glossar: Zum Inhalt: Animationsfilm) und digitale Animationen (Glossar: Zum Inhalt: CGI) treiben die Artistik von einst auf die Spitze. Näher am analogen Ursprung sind Formate wie "Pleiten, Pech und Pannen" (ARD), in denen Privatleute "von nebenan" die Harold Lloyds ihrer eigenen Heimvideo-Missgeschicke sind. Eine Parallele zur Experimentierlust der Stummfilmzeit tut sich in den sozialen Netzwerken auf. Auch hier spielen Videomacher/-innen kreativ mit den neuen medialen Möglichkeiten, um Pointen zu setzen und gesellschaftliche Themen anzusprechen, aber auch um physische Herausforderungen und Grenzerfahrungen abzubilden. Der universell verständliche Slapstick und der experimentierfreudige Geist, in dem er entstanden ist, bieten flexible Variationsmöglichkeiten.

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