So unverblümt wie am 2. Dezember 2010 hat sich der organisierte Weltfußball noch nie als zwielichtiges Business zu erkennen gegeben. An diesem Tag verkündete das Exekutivkomitee der FIFA in Zürich die Vergabe der Männerfußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar – an zwei autoritär regierte Staaten, deren massive Menschenrechtsverletzungen damals schon offenkundig waren. Die unter dubiosen Umständen getroffene Wahl des Weltfußballverbands haben einige Funktionäre mit dem Hinweis entschuldigt, die Mega-Events würden in den Ausrichterländern positive Entwicklungen im Zeichen von Fair Play und Toleranz anstoßen. Mit Blick auf Russland erscheint dies geradezu absurd. Das Turnier in Katar, ein Land ohne nennenswerte Fußballtradition, hat inzwischen begonnen. Und wenngleich unter dem Druck schockierender Presseberichte über tausende Todesfälle von ausländischen Arbeitern auf WM-Baustellen einige Verbesserungen für Arbeitsmigrant/-innen gewährt wurden, ist im Emirat noch immer bittere Realität: Frauen ist die Selbstbestimmung verwehrt, Homosexualität verboten.

Fußballfilme als Alternative zur WM

Auch über die WM hinaus besteht Anlass genug, den extrem kommerzialisierten Männerfußball kritisch zu sehen: Sein Starkult, der oft mit einem fragwürdigen Bild von Männlichkeit verbunden ist. Seine mediale Dauerpräsenz, die den Frauenfußball und andere Sportarten marginalisiert. Missstände wie Homophobie, Rassismus und Hooligangewalt, denen Vereine und Verbände oft nur halbherzig begegnen. Unzweifelhaft ist allerdings genauso, dass der Fußball immenses positives Potenzial birgt, das über den bloßen Spaß am Spiel und die sportliche Leistung hinausreicht: Er kann Toleranz fördern, den Wert von Solidarität vermitteln, empowernd wirken, den sozialen Zusammenhalt stärken und im Idealfall sogar über Grenzen hinweg Austausch und Verständigung anregen. Schon der französische Schriftsteller Albert Camus sah in seinen als Spieler auf dem Fußballplatz gesammelten Erfahrungen wertvolle Lektionen fürs Leben: "Alles, was ich von Moral und Pflicht weiß, verdanke ich dem Fußball." So wollen wir Fußball auch nicht verdammen, sondern mit unserem Themendossier vielmehr Alternativen zum zwiespältigen WM-Spektakel anbieten: Fußballfilme für Kinder, die die Faszination für den Sport auf vielfältige Weise einfangen – und die es ermöglichen, über wichtige Themen zu sprechen, die mit Fußball in Verbindung stehen.

Fußball im Weltkino

Schon zu Zum Inhalt: Stummfilmzeiten entstanden Filme, in denen Fußball eine tragende Rolle einnahm, in Deutschland etwa "Der König der Mittelstürmer" und "Die Elf Teufel" (beide D 1927). Besonders zahlreich waren Fußballfilme allerdings nicht. Schon deshalb bildeten sie, anders als etwa Boxer- oder Baseballfilme, zumindest im engeren Sinne kein eigenes Zum Inhalt: Subgenre des Sportfilms. Als möglicher Grund dafür wird oft auf die Schwierigkeit verwiesen, Fußball als komplexen Mannschaftssport überzeugend zu inszenieren. Eine Rolle spielte aber sicher ebenso, dass Hollywood als dominierende Kinoweltmacht offenbar wenig Potenzial für Fußballfilme auf dem heimischen Markt sah, weil die Sportart in den USA auf eher geringes Publikumsinteresse stieß. So wurden Fußballfilme lange Zeit vorwiegend in Europa und Südamerika produziert, in Ländern, in denen Fußball früh als Volkssport etabliert war und die zugleich über etablierte Filmindustrien verfügten, wie etwa Großbritannien, Spanien oder auch Argentinien.

In den vergangenen Jahrzehnten haben jedoch zusehends Filmschaffende in aller Welt auf unterschiedlichste Weise Fußball zum Thema gemacht: Die international erfolgreiche Hongkong-Action-Komödie "Shaolin Kickers" ("Siu lam juk kau" , HK/CHN 2001, R: Steven Chow) und der auf der Berlinale präsentierte portugiesisch-kapverdische Autorenfilm "Fintar o Destino" (1998, R: Fernando Vendrell) stehen beispielhaft für die enorme Spannbreite der Filme. Einen lebhaften Eindruck von der heutigen Vielfalt an fiktionalen und Lang- und Kurzfilmen, die um Fußball kreisen, vermitteln spezialisierte Filmfestivals wie 11mm, das jährlich in Berlin stattfindet, oder CINEfoot in der brasilianischen Fußballmetropole Rio de Janeiro. Auch Kinder- und Jugendfilme haben dort einen festen Platz.

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Fußball vs. Schule

Die hier skizzierten Besonderheiten lassen sich grundsätzlich zwar auch auf Fußballfilme für das junge Publikum übertragen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass viele nationale Filmindustrien erst spät Kinder und Jugendliche als eigene Zielgruppe entdeckten. In der DDR, wo das Kino wie in nahezu allen sozialistischen Staaten eine besondere bildungspolitische Bedeutung besaß, war das anders. Hier drehte DEFA-Regisseur Walter Beck mit "Der neue Fimmel" bereits 1960 einen Fußballfilm für Kinder, der einen typischen Konflikt aufgreift: Die Schwierigkeit, Sportbegeisterung und schulische Erfordernisse unter einen Hut zu bringen. Das Thema spielt auch in dem Film eine zentrale Rolle, der inzwischen so etwas wie der Klassiker des Kinderfußballfilms geworden ist: Zum Filmarchiv: "Fimpen, der Knirps" ("Fimpen" , SWE 1974) handelt von einem 6-Jährigen, der in Schweden zum Torjäger der Fußballnationalmannschaft avanciert und sie zur WM 1974 in Deutschland schießt. Außergewöhnlich ist der Film von Regisseur Bo Widerberg schon deshalb, weil der kleine Hauptdarsteller mit den echten damaligen schwedischen Nationalspielern auf dem Platz steht.

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Von Helden und Außenseitern

Auf ganz andere Weise visualisiert die japanische TV- Zum Inhalt: Anime-Serie "Captain Tsubasa - Die tollen Fußballstars" ("Kyaputen Tsubasa" , J 1983-1986, R: Hiroyoshi Mitsunobu) den Traum vom Aufstieg zum Fußballhelden: Die auf den beliebten Captain Tsubasa-Mangas basierende, 128 Folgen umfassende Serie zeigt den jungen mit allen erdenklichen Tricks ausgestatteten Protagonisten in spektakulären, bis an die Grenzen des Fantastischen überzogenen Spielsituationen – und bietet trotzdem offensichtlich großes Identifikationspotenzial: Die enorme Popularität des auch international erfolgreichen Animes gilt als Mitauslöser des Fußball-Booms in Japan, der unter anderem auch zur Ausrichtung der Männer-WM gemeinsam mit Südkorea 2002 führte.

Viele Fußballfilme für Jugendliche und Kinder stellen aber auch Außenseiterfiguren in den Mittelpunkt: "Nur Mut, Jimmy Grimble" ("There's Only One Jimmy Grimble" , GB/F 2000, R: John Hay) handelt von einem von Mitschülern als Schwächling gehänselten Jungen, der sich durch magische Fußballschuhe zum besten Spieler der Schule mausert. Wie typisch für britische Filme, die um den Fußball kreisen, zeichnet sich auch "Jimmy Grimble" durch eine lebensnahe Darstellung des Arbeitermilieus aus. Dass Fußballfilme sehr ernste Themen überzeugend aufgreifen können, belegt "Themba – Das Spiel seines Lebens" ("Themba" , D/ZA 2010, R: Stefanie Sycholt). Der Film erzählt vom Zum Inhalt: Coming-of-Age eines südafrikanischen Jungen aus armen und gewaltgeprägten Verhältnissen, der mit unbändigem Willen und fußballerischem Talent um seine Zukunft ringt.

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Frauen und Mädchen sind in Fußballfilmen noch immer unterrepräsentiert

So unterschiedlich die genannten Filme inhaltlich oder ästhetisch auch sein mögen, eines haben sie gemein: Im Mittelpunkt stehen Jungen. Tatsächlich waren Frauen und Mädchen in Fußballfilmen noch in den 1990er-Jahren allenfalls in Nebenrollen zu sehen, zumindest aber fast niemals in Ballnähe. Das Kino wiederholte auf diese Weise die diskriminierende Linie, die der organisierte Fußball, unterstützt von der Politik, in der Realität vorlebte. Tatsächlich schloss der Deutsche Fußballbund (DFB) Frauen in der BRD noch bis 1970 vom Spielbetrieb aus. Und erst 1991 fand in China die erste offizielle FIFA-WM der Frauen statt.

Erst nach der Jahrtausendwende wuchs allmählich die Präsenz von Mädchen und Frauen in Fußballfilmen. Ein Indiz für den Nachholbedarf war die Resonanz, die Kick It Like Beckham"" ("Bend It Like Beckham" , GB/D/USA 2002, R: Gurinder Chadha) hervorrief, der auf leicht zugängliche Weise Fußball als Möglichkeit weiblichen Empowerments zeigt und nebenbei auch Themen wie Rassismus und Homophobie anreißt – wobei die klischeehafte Darstellung zumindest aus heutiger Sicht ins Auge springt. Trotz seines Erfolgs fand der Film kaum Nachahmung. Eine Ausnahme bildet Katja Roberts vielfach ausgezeichneter Kurzfilm Zum Filmarchiv: "Der Ball" ("The Ball" , GB 2010), eine im britischen Arbeitermilieu angesiedelte Außenseitergeschichte, die ein Mädchen beim einsamen Fußballspiel im Hinterhof fokussiert.

Zahlenmäßig typischer blieb das Geschlechterverhältnis in dem sehr erfolgreichen Kinderfilm "Die Wilden Kerle" (D 2003, R: Joachim Masannek), in dem immerhin letztlich auch ein Mädchen in die Fußball spielende Jungenbande aufgenommen wird – nachdem es sich als "Kerl" bewiesen hat. Der Film, der fünf Fortsetzungen fand, ist exemplarisch für den im Umfeld der WM 2006 einsetzenden Boom an Fußballfilmen in Deutschland, der noch immer nicht abgeklungen ist und auch Kinderfilme betrifft. Ein weiteres Beispiel ist Sarah Winkenstettes Zum Filmarchiv: "Zu weit weg" (2020), der einfühlsam, wenngleich ein wenig absichtsvoll von einem syrischen und einem deutschen Jungen erzählt, die auf unterschiedliche Weise von Heimatverlust betroffen sind und über das Fußballspiel zu Freunden werden.

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Fußball – ein Sport für alle Geschlechter

Den exzellenten Ruf des skandinavischen Kinder- und Jugendfilms bestätigte einmal mehr Zum Filmarchiv: "The Liverpool Goalie - oder: wie man die Schulzeit überlebt" (Keeper'n til Liverpool, NOR 2010, R: Arild Andresen), abermals eine im schulischen Umfeld angesiedelte Geschichte um einen Außenseiter, der sich auf dem Fußballplatz beweisen will, um die Gefühle einer Mitschülerin zu erwecken – ein Clou des amüsanten Films ist dabei, dass das Mädchen im Fußball mit ebenjenen Fähigkeiten gesegnet ist, von denen der Junge nur träumen kann. "The Liverpool Goalie" ist damit ein Beispiel dafür, dass Geschlechtergerechtigkeit mittlerweile in einigen Fußballfilmen erreicht oder zumindest erkennbar angestrebt wird. Aus Norwegen kommt auch ein aktueller Dokumentarfilm, der wie bislang vielleicht kein anderer Film nicht nur die weltumspannende und geschlechterunabhängige Begeisterung für das "runde Leder" einfängt: In Zum Filmarchiv: "Kids Cup" (2021) begleitet Regisseurin Line Hatland Mädchen und Jungen aus fünf Ländern durch das weltgrößte Jugendfußballturnier, den Norway Cup. Der Film macht nicht nur anschaulich, was Albert Camus in Bezug auf Moral und Pflicht über Fußball sagte, er verdeutlicht auch, was jede und jeder bei der wichtigsten Nebensache der Welt lernen muss: sich von Niederlagen nicht umwerfen zu lassen.

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