Das Leben als Teenager

Der 13-jährige Jo ist zwar Klassenbester, aber nicht gerade ein Draufgänger. In gleichem Maße ängstlich wie fantasiebegabt, kreist sein Denken um die Vermeidung alltäglicher Gefahren: Treppen sind für ihn Todesfallen, Kontakte zu Mitschülern/innen und vor allem zu Mädchen mit äußerster Vorsicht zu handhaben. Am schlimmsten aber ist Fußball: Jedes Jahr, weiß Jo, sterben Menschen auf norwegischen Fußballplätzen! Lieber täuscht er eine Verletzung vor, als sich an diesem Wahnsinn zu beteiligen. Umso enthusiastischer teilt er die Leidenschaft aller anderen Jungen seiner Klasse für Fußballsammelkarten. Seine Mutter, seit dem Unfalltod des Vaters in ständigem Alarmzustand, spricht schon von einer Sucht. Besonders heiß begehrt, weil bislang in keinem Päckchen aufgetaucht: José Reina, der Torwart des FC Liverpool. Könnte er diese Karte endlich besitzen, so Jos Kalkül, würden sich all seine Probleme mit einem Schlag erledigen: In der Schule wäre er beliebter und mit den Hausaufgaben, die er für den Klassenschläger Tom-Erik erledigen muss, wäre ein für allemal Schluss. Seine aktuelle Sorge allerdings gilt der neuen Mitschülerin Mari, in die er sich unsterblich verliebt hat. Das selbstbewusste Mädchen steht – genau wie er – auf mathematische Gleichungen, aber nicht auf Angsthasen.

Gedankenspiele mit Folgen

Mit ebensoviel Witz wie Einfühlungsvermögen präsentiert "The Liverpool Goalie – oder: wie man die Schulzeit überlebt" einen jugendlichen Antihelden, der sich von anderen Jungen seines Alters kaum unterscheidet. Jo ist etwas schüchtern und um Anerkennung bemüht, kleinere Probleme erscheinen ihm allerdings riesengroß. Stilistisch wird diese Diskrepanz von Realität und Wahrnehmung in drastischen Fantasien aufgegriffen, die mit überaus schwarzem Humor seine Ängste bebildern. Meist handelt es sich um fatale Kettenreaktionen: Als fußballerische Niete zur Ersatzbank verurteilt, bekommt Jo Depressionen, wird medikamentenabhängig, steigt bald um auf Drogen, zu deren Beschaffung er eine kriminelle Karriere einschlägt, die ihn schließlich ins Zuchthaus führt. Die liebevoll gestalteten Zum Inhalt: Montagen sind begleitet von Jos betont abgeklärten Zum Inhalt: Kommentaren aus dem Off, die schon andeuten, dass er sich über die Irrationalität seiner Albträume durchaus im Klaren ist. Die aus Film und Fernsehen bekannten Klischeebilder zeigen nicht zuletzt einen starken Medieneinfluss, der mit der Realität wenig zu tun hat. Die Folge seiner Gedankenspiele ist jedoch stets gleich: Jo lässt eine Sache lieber bleiben, als ein Risiko einzugehen.

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Die Kraft der Liebe

Während das Kinopublikum nach und nach lernt, diese Fantasien einzuordnen, entwickelt sich die Handlung nach den üblichen Mustern einer Zum Inhalt: Coming-of-Age-Komödie. Im Verhältnis zu Mari, anders als er eine begnadete Fußballerin, erlebt Jo alle Stadien einer ersten Liebe: Zuneigung, Zurückweisung, Eifersucht. Um ihr zu imponieren, muss er seine Zurückhaltung aufgeben. Er wagt es sogar, seine Mutter zurechtzuweisen, die ihm mit ihrer ständigen Angst vor Krankheiten, Unfällen und Teenagerschwangerschaften das Leben schwer macht. Vor allem darf er dem Konflikt mit Tom-Erik nicht länger aus dem Weg gehen, und seien die Folgen noch so katastrophal. Lieber ein blaues Auge als ein Leben ohne Selbstachtung. Natürlich ist das leichter gesagt als getan.

Mit den Augen eines Kindes

Dabei zeigt sich Jos Erfahrungsraum als überaus behütete Welt ohne tatsächliche Gefahren. Soziale Probleme sind dort nicht erkennbar, Lehrer/innen und Eltern stehen als Ansprechpartner/innen jederzeit zur Verfügung. Die von Tom-Erik aufgebaute Drohkulisse beeindruckt niemanden außer Jo. Doch Kinder empfinden anders als Erwachsene. Durch sein harmloses Spiel mit diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen macht Regisseur Arild Andresen einem jugendlichen Publikum zahlreiche Identifikationsangebote, um so schwierige Themen wie mangelndes Selbstbewusstsein, pubertäre Ängste und Mobbing ansprechen zu können. Gesellschaftliche Diskussionen etwa um Geschlechterrollen, Frauenfußball und erste vage Vorstellungen von Homosexualität – nicht nur von Tom-Erik wird Jo immer wieder als "schwul" gehänselt – sind ebenfalls kein Tabu. Dass die Erwachsenen – wie etwa Jos Mutter mit ihrer heimlichen Beziehung zum Nachbarn – durchaus in ihren eigenen mal komischen, mal tragischen Fantasiewelten leben, macht den Zugang für Jugendliche umso leichter. Sie sind mit ihren Nöten keineswegs allein.

Ein Happy End für Jo?

Als Jo die Karte mit dem Liverpooler Torwart schließlich in Händen hält, erweist sich die Vision eines besseren, wundersam gelingenden Lebens ohne Risiken schnell als Trugschluss. Er muss lernen, sich von seinen allzu pessimistischen Fantasien zu lösen und wie ein richtiger Torwart "raus aus seinem Kasten" zu gehen. Ob dieses Manöver Erfolg hat, bei dem man am Ende nur als Held oder als Tölpel dastehen kann, lässt der Film in einem klug gewählten Ende offen. Das Leben ist voller Gefahren. Doch wer nichts wagt, hat schon verloren.

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