Eine verkehrte Welt Zum Inhalt: inszeniert Alice Guy in ihrem siebenminütigen Spielfilm aus dem Jahr 1906: In acht statischen Zum Inhalt: Studioaufnahmen erzählt sie, wie ein junger Mann von einer Frau verführt und von ihr Jahre später mit mittlerweile drei Kindern im Stich gelassen wird. Der ausgebeutete Mann stachelt seine Geschlechtsgenossen zum Aufstand gegen die nichtsnutzigen Frauen an. Die Männer jagen sie aus dem Café und stoßen triumphierend auf ihren Sieg an: Endlich ist die Welt wieder vermeintlich in Ordnung! Guys Methode ist einfach. Sie tauscht die gesellschaftlichen Rollen der Geschlechter. Parodistisch überzeichnet tragen Männer Blumen im Haar, erledigen die Hausarbeit und schieben Kinderwagen durch die Gegend, während Frauen im Müßiggang Alkohol und Tabak konsumieren und Männer sexuell bedrängen.

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Bereits in anderen Filmen hatte Guy in der Tradition der schauspielerischen Travestie Frauen sich wie Männer kleiden und agieren lassen. In "Die Folgen des Feminismus" stecken Frauen nicht mehr in der Kleidung, sondern in der Rolle von Männern und umgekehrt. Mit diesem ironischen Kniff erlangen Guys weibliche Figuren, was in klassischen Werken männlichen Figuren vorbehalten ist: Handlungsmächtigkeit. Männer als Frauen rebellieren gegen Frauen als Männer, und das weibliche Publikum identifiziert sich mit den unterdrückten männlichen Figuren. Radikaler hätte Alice Guy ihre Sicht auf die Herabsetzung von Frauen in der zeitgenössischen Gesellschaft nicht formulieren können. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelten in Frankreich immer noch die Regelungen des Code civil aus dem Jahr 1804, die Frauen der Vormundschaft des Ehemanns unterstellen und sie aus vielen Bereichen des öffentlichen Lebens ausschließen.

Alice Guy ist damals als Filmemacherin eine unerhörte Ausnahme: Am technologisch-industriellen und kulturellen Wandel, der das Kino zu einer neuen massenmedialen Unterhaltungsform machen sollte, wirkt sie als Pionierin an vorderster Front von dessen Geburtsstunde an mit. Bereits 1896 erkennt sie das kommerzielle Potenzial von Spielfilmen und dreht mit "La fée aux choux" den vermutlich ersten fiktionalen Film der Kinogeschichte. Sie prägt das französische Filmunternehmen Gaumont, in dem sie 1895 als Sekretärin anfängt, elf Jahre lang als Produktionschefin und gründet später in den USA eine erfolgreiche eigene Produktionsfirma. 1907 heiratet sie mit 33 Jahren, nach damaligen Maßstäben fast schon zu alt – und noch dazu den neun Jahre jüngeren Herbert Blaché, dessen Chefin sie kurzzeitig ist. Ihre Sonderrolle im Filmgeschäft reflektiert Alice Guy in ihren Memoiren: "Schnell habe ich verstanden: Solange eine Frau an ihrem sogenannten Platz bleibt, behelligt man sie nicht. Aber sobald sie Aufgaben übernimmt, die üblicherweise Männern vorbehalten sind, wird sie schief angeschaut. In Frankreich sind wir nur Frauen. Wir sind abhängig und können unsere Fähigkeiten nicht frei entfalten. Es gibt Ausnahmen, aber die sind selten. Die Kunst ist praktisch der einzige Bereich, der uns offen ist." Lange Zeit kämpfte Alice Guy um ihr filmisches Vermächtnis. Viele ihrer Filme wurden männlichen Kollegen zugeschrieben. In ihren heute wiederentdeckten Werken offenbart sich der einzigartige Blick dieser Regisseurin. Sie zeigen Frauen, die ihrer Zeit weit voraus sind, unbeugsam, komisch und selbstbestimmt.

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