Kategorie: Hintergrund
Immersion und Unmittelbarkeit
Avatar – Aufbruch nach Pandora (2009) und Victoria (2015)
2009 scheint "Avatar" dem Kino den Weg in eine dreidimensionale Zukunft zu weisen. Die Digitalisierung eröffnet aber auch ganz andere, alternative Formen des Filmemachens - und in Gestalt von Streamingdiensten einen entgrenzten Filmkonsum jenseits der Lichtspielstätten.
Zum Filmarchiv: "Avatar – Aufbruch nach Pandora" war mehr als ein normaler Kinostart. Als der lang erwartete Zum Inhalt: Science-Fiction-Film von James Cameron im Dezember 2009 weltweit anlief, ging dem Ereignis nicht nur eine beispiellose Werbekampagne voran. Auch die Kinos wurden umgerüstet. Den jüngsten Boom des modernen Zum Inhalt: 3D-Kinos, das schon seit etwa 2007 auf der Stelle trat und trotz hochkarätigen Produktionen wie Zum Filmarchiv: "Coraline "oder (beide 2009) nicht so recht Fuß fassen konnte, hätte es ohne "Avatar" nicht gegeben. Die Technik war eng an das Filmerlebnis gebunden: Wer an der Seite des Soldaten Jake Sully in die tricktechnisch perfekt Zum Inhalt: animierte, fotorealistische Fantasiewelt des Planeten Pandora eintauchen wollte, musste den Film in der stereoskopischen Fassung erleben. Pünktlich zum Start von "Avatar" war der 3D-Rollout abgeschlossen: Die Kinos waren digitalisiert, die 35mm-Projektoren im Verschwinden begriffen. Und der Kinosaal war wieder etwas Besonderes. Er bot ein immersives Erlebnis, das es in den technisch immer besser werdenden Heimkinos so (noch) nicht geben konnte.
"Avatar" , dessen Budget laut Produktionsfirma bei rund 240 Millionen Dollar lag und der als erfolgreichster Film aller Zeiten bis heute über 2,8 Milliarden Dollar eingespielt hat, steht damit stellvertretend für das große Eventkino, das seither mit Zum Inhalt: Franchises und Zum Inhalt: Blockbuster-Mehrteilern das Kinogeschehen bestimmt. Am konsequentesten verfolgt das 2008 begonnene "Marvel Cinematic Universe" diese Strategie. Bis zum Frühjahr 2021 ist diese Filmwelt auf 23 Filme angewachsen. Ein weiteres Beispiel ist der Ausbau der Ende der 1970er-Jahre begonnenen "Star Wars" -Serie zu einem Filmuniversum, das nicht nur mittlerweile zwölf Kinofilme umfasst, sondern auch diverse TV- und Webserien – und die Fans so auch über das Kino hinaus in einem bisher nicht gekannten Ausmaß bindet.
Digitaler Independentfilm
Im populären Kino werden so mit Zum Inhalt: digitalen Effekten am laufenden Band neue Welten auf die Leinwand geworfen. Tricktechnisch scheint alles möglich zu sein, CGI-Effekte sind längst nicht mehr als solche zu erkennen und die Zum Inhalt: Motion-Capture-Technologie schlägt die Brücke zwischen menschlichem Schauspiel und Animation. Am anderen Ende des Spektrums wird die digitale Produktionstechnik experimentell genutzt. Mit leichten, lichtstarken Kameras und kleinen Teams lässt sich eine alternative Art des Kinos schaffen, sowohl im Bereich des Dokumentarfilms als auch des Spielfilms.
2015 sorgte der deutsche Filmemacher Sebastian Schipper mit Zum Filmarchiv: "Victoria "auf der Berlinale für Aufsehen, eine Gangster-Liebes-Geschichte, gedreht in nur einem einzigen Take. Schippers Film nutzt die Freiheit der Technik nicht für Fantastik, sondern für Realismus und weicht seinen Protagonist/-innen nicht von der Seite, während sie zwei Stunden und 20 Minuten durch Berlin irren, tanzen, flirten, eine Bank überfallen, feiern, flüchten und sterben. Sein Film wirkt nicht künstlich, sondern lebendig, authentisch und unmittelbar.
"Victoria" , der nach Angaben des Regisseurs knapp eine Million Euro kostete und in seinem Erscheinungsjahr in Deutschland rund 400.000 Kinobesuche verbuchte, ist einer jener Low-Budget-Filme, die nicht spektakuläre Effekte, sondern das Alltägliche in den Mittelpunkt stellen. Als "Mumblecore" werden in den USA seit der Jahrtausendwende mit wenig Aufwand und einfachsten technischen Mitteln produzierte Filme bezeichnet, in denen auch mal genuschelt werden darf. In Deutschland entstand der "German Mumblecore" rund um eine Szene junger Filmemacher/-innen wie Axel Ranisch ("Dicke Mädchen" , 2011), die manchmal auch improvisiert arbeiten und dem High-Concept-Kino abschwören.
Mehr Diversität
Während das asiatische Kino – im Gegensatz zum Jahrzehnt zuvor – auf den A-Filmfestivals an Präsenz verloren hat, schielen insbesondere US-Produktionen zunehmend auf den asiatischen Kinomarkt. Bisweilen werden aus Asien stammende Stars besetzt, bisweilen zusätzliche Szenen – wie etwa bei "Iron Man 3" (2013) – eigens für den Export nach China gedreht, wo pro Jahr nur eine via Quote festgelegte Zahl ausländischer Filme starten darf, bisweilen kulturell oder politisch brisante Szenen geschnitten (wie die Thematisierung von Homosexualität und Aids in Zum Filmarchiv: "Bohemian Rhapsody", 2018). Jenseits der globalen Vermarktbarkeit wird unterdessen in der von weißen, heteronormativen und männlichen Sichtweisen geprägten Filmbranche der Ruf nach mehr Gleichberechtigung und Diversität in jeglicher Hinsicht laut.
Für Aufsehen sorgte schon 2010 die Verleihung des Regie-Oscars an Kathryn Bigelow für "Tödliches Kommando – The Hurt Locker" . Bigelow war in der langen Geschichte des renommierten US-amerikanischen Filmpreises die erste Frau, die in dieser Kategorie ausgezeichnet wurde. Und eine Sensation war 2017 auch die Oscar-Prämierung von Barry Jenkins’ Zum Filmarchiv: "Moonlight "als bester Film, einem Drama über einen Schwarzen schwulen Mann. Auch im Segment des Zum Inhalt: Blockbuster-Kinos verändert sich etwas: Mit Zum Filmarchiv: "Black Panther" von Ryan Coogler folgte 2018 der erste große Superheldenfilm mit einem Schwarzen Helden in der Titelrolle und einer weitgehend afroamerikanischen Besetzung, Zum Filmarchiv: "Wonder Woman", inszeniert von Patty Jenkins, stellt unterdessen eine Superheldin in den Mittelpunkt. Parallel zur größeren Vielfalt vor und hinter der Kamera wächst in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für sexistische Machtstrukturen in der Filmbranche. Im Zuge der 2017 entstandenen "MeToo"-Bewegung endeten so bereits die Karrieren einiger namhafter Produzenten und Schauspieler.
Das gegenwärtige Kino befindet sich in mehreren Umbrüchen. Dazu zählt auch, dass das Fernsehen dem Kino wieder einmal den Rang abzulaufen droht. Mit zunehmender Größe der Bildschirme verändern sich die Seh- und Produktionsgewohnheiten. Galt der TV-Film oder die TV-Serie früher als qualitativ unterlegen, so stehen Aufwand und Kosten von Filmen, die eigens für Streamingdienste gedreht werden, den traditionellen Kinofilmen in nichts mehr nach.
Leinwand vs. Bildschirm
Als wegweisend erwies sich der Siegeszug von Netflix: 2007 führte das Unternehmen zunächst ein Video-on-Demand-Angebot in den USA ein, expandierte dann in die Nachbarländer, 2012 nach Europa und ist seit 2016 nahezu weltweit aktiv. Durch die Schließung der Kinos während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 konnten der Streamingdienst und Mitbewerber wie Disney+ ihre Position auf dem globalen Filmmarkt weiter ausbauen. Renommierte Kino-Regisseur/-innen wie Ava du Vernay oder David Fincher produzieren immer häufiger Filme und Serien exklusiv für die Streaminganbieter, wie zum Beispiel den Oscar-prämierten Film "Mank" (Regie: David Fincher, 2020). Hollywoodstars treten darin längst ebenso selbstverständlich auf wie in Kinoproduktionen. Lichtspielhäuser unterdessen nehmen nicht mehr nur Kinofilme in ihr Programm, sondern übertragen auch Theaterstücke, Opern und Konzerte. Eine Entwicklung, die zweifellos dazu beiträgt, dass sich die Altersstruktur der Kinobesucher/-innen auch in Deutschland wandelt: Während der Anteil der 10- bis 19-Jährigen 2019 gegenüber 2015 von 21 auf 19 Prozent zurückging, stieg jener der über 50-Jährigen von 26 auf 31 Prozent.
Zu Beginn der 2020er-Jahre ist die 3D-Welle schon wieder Vergangenheit. Nachträglich konvertierte Filme und das Unvermögen, die Technik auch erzählerisch sinnvoll zu nutzen, haben zu Ermüdungserscheinungen geführt, hinzu kamen die rasant gestiegenen Eintrittspreise für 3D-Veranstaltungen, die in Deutschland nicht selten bei bis zu 20 Euro pro Ticket liegen. Die Entwicklung von objektbasierten 3D-Soundformaten wie Dolby Atmos und Auro 3D, die seit 2012 eine plastischere Tonkulisse in entsprechend ausgestatteten Kinos versprechen, haben unterdessen keinen vergleichbaren Hype wie das stereoskopische 3D ausgelöst und werden längst auch für Heimkinos adaptiert.
Die Zukunft des Kinos ist ungewiss. Werden neue technische 3D-Entwicklungen – wie sie für den Start von "Avatar 2" im Dezember 2022 angekündigt sind – wieder ein große Publikum in die Kinos locken? Bleibt bei der Menge an Blockbustern noch genug Platz für die kleineren Filme und leiseren Geschichten? Und hat das gemeinsame Filmerleben im öffentlichen Raum für das Publikum überhaupt noch einen Reiz, wo ein immenses Angebot ganz unterschiedlicher Filme zu Hause nur einen Klick entfernt ist?
Weiterführende Links
- External Link fr.de: Netflix, Amazon Prime und Co.: Wie Streaming unser Verhalten ändert
- External Link ndr.de: Kinos in Corona-Zeiten: Streaming Killed the Movie Star?
- External Link theguardian.com: Artikel über den Film "Avatar" (auf Englisch)
- External Link rogerebert.com: Filmbesprechung von "Avatar" (auf Englisch)
- External Link zeit.de: Übergriffe im Scheinwerferlicht (über MeToo und das Kino)
- External Link arte.tv: Fernsehbeitrag über Diversität in der Kinobranche
- External Link tagesspiegel.de: Du hast den Farbfilm vergessen. Artikel über die Studie "Vielfalt im Film"
- External Link filmportal.de: German Mumblecore