Krieg erscheint nicht vorstellbar ohne Bilder davon. Der Vietnamkrieg, aus westlicher Perspektive am anderen Ende der Welt ausgetragen, wurde kontinuierlich von heroisierenden wie auch kritischen Spielfilmen begleitet. In gewisser Weise wurde Vietnam ab 2003 dann durch den Irakkrieg ersetzt: Filmschaffende in Hollywood hatten finanzielle wie auch politische Interessen, die Rolle der USA und die Kontroversen um den Irakkrieg auszuloten. Die fehlende Einbindung der Vereinigten Staaten – zumindest bis zum US-Angriff auf einen Stützpunkt der syrischen Luftwaffe im April 2017 – könnte eine Erklärung für den Mangel an aufwendigen Spielfilmen zum syrischen Bürgerkrieg sein.

Obwohl dieser bereits seit sechs Jahren andauert, ist das weitgehend der Aktualität entrückte Zum Inhalt: Kammerspiel Zum Filmarchiv: "Innen Leben" der erste vom Syrienkrieg handelnde Spielfilm. Die syrische Realität lässt sich, so scheint es, mit den Mitteln der Fiktion nur schwer erfassen. Demgegenüber entstehen seit einigen Jahren zahlreiche Zum Inhalt: Dokumentarfilme – und da sich kein Ende des Krieges absehen lässt, zeigen sie stets nur ein vorläufiges Bild. Reportagen rücken dabei vor allem den Schrecken des IS und die desaströse Zerstörung von Aleppo in den Fokus des westlichen Publikums: Wie kann eine ganze Stadt einer surrealen Theaterinszenierung der Apokalypse ähneln? Wie können Menschen hier leben? Die zum Teil drastischen Bilder dieser Kriegsfolgen zeigen auch einige internationale Dokumentarfilme der letzten Jahre, die nun in Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich sind.

Humanitäre Helfer als Helden

Orlando von Einsiedels Netflix-Produktion "Die Weißhelme" (GB 2016) etwa wurde 2017 mit dem Oscar® für den besten Kurzdokumentarfilm ausgezeichnet. Der vierzigminütige Film zeigt die Arbeit der Freiwilligen-Hilfsbrigade der "Weißhelme", die sich der Bergung und Versorgung von Bombenopfern verschrieben haben. Die Zivilschutzorganisation gründete James Le Mesurier, ein Ex-Offizier der Britischen Armee und privater Sicherheitsberater, zusammen mit syrischen Freiwilligen im Jahr 2013. Zunächst durch verschiedene europäische Regierungen unterstützt, finanzierte sich die Organisation später auch über eine Crowdfunding-Seite. Die "Weißhelme" erhielten 2016 für ihr humanitäres Engagement den "Alternativen Nobelpreis". Im Zuge dieser Auszeichnung hat auch das deutsche Außenministerium seine Fördergelder von fünf auf sieben Millionen Euro aufgestockt.

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Im Zum Inhalt: kommentarlosen Stil des Zum Inhalt: Direct Cinema folgt die Kamera in "Die Weißhelme" den Helfern unmittelbar an den Schauplatz eines Bombenangriffs und fängt oft spektakuläre Bilder ein: etwa die Ausgrabung eines tief verschütteten Babys, das unversehrt geborgen wird und den Namen "Wunderkind Mahmoud" erhält. Die Unmittelbarkeit der Zum Inhalt: Inszenierung und der gezielte Versuch, durch drastische Bilder und Zum Inhalt: Musik Emotionen auszulösen, bieten dabei aber auch eine Angriffsfläche für Vorwürfe der Manipulation und der "Halbwahrheiten", zumal die Filmemacher nur spärliche Informationen über die politische Verortung der "Weißhelme" vermitteln. Diese sind freilich nicht in den von Assad kontrollierten Gebieten aktiv. Dementsprechend sieht sich der "Syrische Zivilschutz", wie die Organisation hinter den "Weißhelmen" offiziell heißt, auch permanenten Vorwürfen Assad-treuer und Russland-naher Webseiten ausgesetzt, mit islamistischen Gruppen zu sympathisieren und sensationelle Rettungsaktionen für die Kamera zu inszenieren.

Extremsituationen und Alltagsmomente

"Die letzten Männer von Aleppo" (Dänemark/Syrien 2017) von Feras Fayyad und Co-Regisseur Steen Johannessen, seit März 2017 in den deutschen Kinos, verwendet teilweise dasselbe Filmmaterial wie "Die Weißhelme" . Es entstammt dem Archiv des "Aleppo Media Center", einer Aktivistengruppe, die internationalen Medien Foto- und Videoaufnahmen des Krieges zur Verfügung stellt oder diese selbst auf sozialen Netzwerken verbreitet. 2015 und 2016 gefilmt, porträtiert auch dieser Film den Alltag der "Weißhelme" und verbindet in einer kunstvollen Zum Inhalt: Montage den Kontrast zwischen Extremsituationen und Alltagsmomenten im Leben der Männer: Auf verheerende Bombenangriffe folgen nachdenkliche Gespräche und ruhige Zum Inhalt: Kamerafahrten entlang endloser zerstörter Häuserfluchten. Der Wechsel kommt oft abrupt: Einmal ereignet sich inmitten der Bergungsarbeiten ein Angriff russischer Kampfjets. Ein andermal bietet die nächtliche Bergung, bei der die Helfer im Strahl der Helmlampen die umgebende Zum Inhalt: Trümmerlandschaft absuchen, ein denkbar gespenstisches Bild. Im Anschluss reisen sie zu einer Hochzeitsfeier, auf der ausgelassen getanzt wird.

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Anders als Orlando von Einsiedel erspart Feras Fayyad den Zuschauenden nicht den Anblick der vielen Toten – zumeist sind es Familien, die aus den Trümmern gezogen werden. Ihre Aufgabe sehen die freiwilligen Helfer/-innen als Dienst an der Gemeinschaft – "ihre Kinder sind wie unsere Kinder" – und bei der schweren Arbeit kommen sie oft an ihre Grenzen. Einer der beiden Protagonisten, Khaled, dessen Tochter unter Mangelernährung leidet und medizinisch unterversorgt ist, erwägt in schwarzen Stunden die Flucht in die Türkei. Angesichts von Handybildern eines grausam Gefolterten, der – von seinen Peinigern verhöhnt – dem Diktator Assad huldigen muss, ruft er: "Wo ist die Welt?" Sein jüngerer Kollege Mahmoud muntert ihn auf: "Lach doch einmal! Lach schon! Du sollst lachen!" Dann vertreiben sie die Hoffnungslosigkeit mit Fußballspielen, bis ein genervter Nachbar aus seinen Trümmern heraustritt und den Ball kaputtsticht. Regisseur Feras Fayyad verwehrt sich gegen einseitige Bilder des Krieges, in denen Syrer vor allem als Opfer und Tote präsent sind. Lieber zeige er einzelne Menschen, "die von Angst erfüllt sind und doch aus Liebe handeln", erklärt er im Interview auf Deutschlandfunk Kultur.

Schwebezustand – vor und nach der Flucht

Eine ähnliche Intention könnte man auch hinter dem Dokumentarfilm Zum Filmarchiv: "Haunted" vermuten, der allerdings einen deutlich distanzierteren Ansatz wählt. Die 1977 in Moskau geborene Regisseurin Liwaa Yazji interessiert sich für das "Niemandsland", wie sie es nennt: Sie zeigt Menschen aus Syrien im Schwebezustand vor oder nach der Flucht und stellt die Frage nach dem "Wohin" – im Libanon, in Idlib und in Damaskus. Dort haben sie im Unterschied zu Aleppo die bescheidene Möglichkeit, sich überhaupt Fragen über die Zukunft stellen zu können. "Sollen wir alles hinter uns lassen?" Manche haben die Koffer schon mehrmals gepackt und wieder ausgepackt. Die bereits Geflohenen unter den Mitwirkenden leben in Beirut: in alten Palästinenserlagern, archäologischen Ruinen und sogar in einem ausrangierten Gefängnis.

Haunted, Trailer (© mec Film)

Da Yazji ihren Film ohne Genehmigung drehte und unterschiedliche militärische Checkpoints und verschiedene Ländergrenzen passieren musste, arbeitete sie häufig mit der Filmtechnik, die gerade zur Hand war – inklusive Handy-Kameras oder einer Webcam, die das Skype-Gespräch mit einem älteren Ehepaar aufzeichnet. Die formale Fragmentierung von "Haunted" , die aus der Verwendung so unterschiedlicher Bildquellen resultiert, entspricht gewissermaßen auch der Zersplitterung des syrischen Volkes, die der Krieg hervorgebracht hat.

Die syrische Zivilbevölkerung im Fokus

Dem Vorwurf der Agitation und Manipulation entzieht sich Yazji zum einen durch den nüchternen Interviewstil und zum anderen durch den bewussten Verzicht auf eine politische Einordnung. Wie sie im Interview mit dem New Yorker Dokumentarfilm-Zentrum UnionDocs erläutert, ging es ihr um etwas anderes: "Überall gibt es auf einmal ein Stereotyp, in das man als Syrer passen muss: Entweder ist man Flüchtling oder erregt Mitleid [als Kriegsopfer; Anm. d. Red.]. Geschichte und Kultur treten völlig in den Hintergrund." Um dem entgegenzuwirken, verzichtet sie auf Bilder von anonymen Toten und zertrümmerten Wohnvierteln – Zuschauende sollen sich mit den Protagonistinnen und Protagonisten identifizieren können. "Haunted" zeigt deshalb die Menschen zuhause, inmitten ihrer Habseligkeiten. Beim Erzählen blicken sie aus dem Fenster und können aufgrund der Gefahren die Wohnung selbst zum Einkaufen kaum verlassen – eine Situation, der das fiktionale Setting von "Innen Leben" recht nahe kommt.

Ob Dokumentarbild oder Fiktion: Gemeinsam ist diesen Filmen, dass sie sich im Dienst der syrischen Zivilbevölkerung sehen – und nicht im Dienst einer Kriegspartei. Und auch im Porträt der Menschen sind sich die Filme in einem wesentlichen Punkt ähnlich: Freiwillig wollen die Mitwirkenden nicht nach Europa oder anderswohin, sondern am liebsten in ihrem Heimatland bleiben.

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