In Leben und Werk hat sich die 69-jährige Fotokünstlerin Nan Goldin den Ausgegrenzten und Stigmatisierten der US-amerikanischen Gesellschaft gewidmet. Sie selbst erlebte die zerstörerische Kraft des Stigmas mehrfach: in der eigenen Familie, während der HIV/Aids-Epidemie der 1980er-Jahre sowie später im Umgang mit Suchtkranken. Auch sie gehörte zu den Opfern der Opioid-Abhängigkeit, die in den USA längst zum traurigen Alltag geworden ist. Dort sterben mehr als 100 000 Menschen jährlich an einer Überdosis (ca. 60-mal mehr als in Deutschland). Verantwortlich dafür ist aber nicht nur der illegale Drogenhandel, sondern vor allem Pharmakonzerne, die den Markt jahrelang unreglementiert mit süchtig machenden Schmerzmitteln überschwemmten und damit Milliarden verdienten. Im Zentrum des Skandals: die Familie Sackler als Eigner der Firma Purdue Pharma und deren Medikament Oxycontin. Ihre hohen Gewinne investieren die Sacklers gerne in Kunst, für viele Museen sind sie wichtige Mäzene. Auch aus eigener künstlerischer Verantwortung heraus rief Nan Goldin die Aktivist/-innengruppe P.A.I.N. (Prescription Addiction Intervention Now) ins Leben. Mit aufsehenerregenden Aktionen macht diese darauf aufmerksam, woher dieses Geld stammt und wie die Kunst zur Schönfärberei benutzt wird.

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In diesem Zum Inhalt: Dokumentarfilm steckt mehr als nur ein einziger Film: ein Künstlerinnenporträt von Nan Goldin und ihren Wurzeln in der "No Wave"-Underground-Bewegung; ein kritisches Sittenporträt der US-amerikanischen Gesellschaft; eine Investigation zu den Ursachen der aktuellen Opioid-Krise in den USA. Nan Goldins Fotografien prägen den Film und geben einen ungeschönten Einblick in ihr Leben und die queere Community seit den 1980er-Jahren. Angesichts der vorhandenen Bilderfülle entschied die Regisseurin Laura Poitras (Zum Filmarchiv: "Citizenfour", USA/UK/DE 2014), die Gespräche mit Goldin ohne Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) aufzunehmen. Goldin nutzt diese Möglichkeit, um sehr konzentriert und berührend ehrlich zu erzählen, was sie prägte und bis heute antreibt. Dafür spricht sie auch über die eigene, heute überwundene Suchterkrankung.

Die Künstlerin Nan Goldin betrachtet Widerstand als integralen Bestandteil ihres Lebens (und machte den Fokus auf ihre aktivistische Arbeit zur Bedingung des Films). Im Kunstunterricht kann Nan Goldins wegweisende neue Art der Fotografie auf diesen Aspekt hin untersucht und zum Ausgangspunkt eigener Arbeiten werden. Der im Film vorgenommene Vergleich gesellschaftlicher Krisenmomente (wie der HIV/AIDS-Epidemie und der Opioid-Krise) kann in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern mit Hilfe externer Quellen untermauert bzw. hinterfragt werden. Daraus ergibt sich fast automatisch die Frage danach, welche gesellschaftlichen Funktionen Stigmatisierungen haben und wie es gelingen kann, sie aufzubrechen. Für Jugendliche, denen die politische Partizipation über Wahlen oft noch nicht erlaubt ist, dürfte auch die Frage danach, inwieweit politischer Aktivismus und/oder Kunst gesellschaftspolitische Entwicklungen beeinflussen können, sehr interessant sein.

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