Kategorie: Filmbesprechung
"What You Gonna Do When The World's On Fire?"
Dokumentarfilm über Lebensrealitäten von Afroamerikaner/-innen im Süden der USA
Unterrichtsfächer
Thema
Roberto Minervini erzählt von verschiedenen afroamerikanischen Frauen, Männern und Kindern im Süden der USA (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set), vor allem am Beispiel von Louisana. Sie leben in einer Welt, die zutiefst rassistisch geprägt ist, und in der Drogen, Gewalt, Armut, Hafterfahrungen und zerbrochene Familien Realität sind. Die 50-jährige Judy, Dreh-und Angelpunkt des Films, hat sich einen Lebenstraum erfüllt und eine Bar eröffnet. Nun kann sie die Miete nicht mehr zahlen, denn auch ihr Viertel wird zunehmend gentrifiziert. Ronaldo, 14 Jahre alt, zieht mit seinem jüngeren Bruder durch die Gegend. Er soll die Schule ernst nehmen, mahnt seine Mutter Ashlei, keine Drogen nehmen oder sich zu anderen schlechten Gewohnheiten" verleiten lassen. Ronaldos Vater ist im Gefängnis, drei seiner Cousins ebenfalls. Der Regisseur begleitet außerdem Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung "New Black Panther for Self Defense" bei ihrem Versuchen, mehr über rassistische Verbrechen zu erfahren, bei deren Aufklärung sie der Polizei nicht trauen. Derweil nähen Männer Kostüme für das traditionelle Mardi Gras-Fest, eine Art Karneval, bei dem sie in die Rolle von Native Americans schlüpfen.
"What You Gonna Do When the World's in Fire?" ist ein Gegenstück zu Roberto Minervinis Film "The Other Side" aus dem Jahr 2015. Ebenfalls im Süden der USA gefilmt, porträtierte er darin Mitglieder der weißen Bevölkerung: rassistische, wirtschaftlich unterprivilegierte Menschen. Nun widmet er sich – abgesehen von ein paar weißen Polizisten – konsequent ausschließlich Repräsentant/-innen der afroamerikanischen Community: Seine nüchternen Schwarz-Weiß-Bilder (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) wirken reportagehaft, verleihen den Protagonisten/-innen aber auch eine große Würde. Der Regisseur bleibt als Beobachter stets unsichtbar. Die Kamera folgt den Protagonist/-innen in langen, ruhigen Einstellungen, Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) rücken sie in den Mittelpunkt. Die diskrete Präsenz von Regie und Kamera ermöglichen einen filmischen Raum, in dem die Porträtierten zugleich sie selbst sein und sich darstellen können. Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm zeigt, dass Selbstausdruck bis hin zu musikalischer Improvisation und theatralischer Sprache ein wichtiger Aspekt ihrer individuellen Ermächtigung ist. Minervini schafft mit seinem Film eine adäquate Form für diese "Performance"-Aspekte.
What You Gonna Do When the World's on Fire? (offizieller Trailer) from Grandfilm on Vimeo.
Der Film ist nicht auf Tagesaktualität angelegt. Doch durch die politischen Ereignisse in den USA und die Black-Lives-Matter-Bewegung trägt er zu gegenwärtigen Debatten bei und bietet damit Stoff für den Unterricht in Englisch und in den gesellschaftspolitischen Fächern. Eine wichtige Frage ist etwa, wie die im Film porträtierten Afroamerikaner/-innen ihre Biografien und ihre Lebenswirklichkeit wahrnehmen. Welche alltäglichen Erfahrungen machen sie in Bezug auf Gewalt, Diskriminierung und Rassismus? Wie beeinflussen diese Faktoren ihre individuellen Möglichkeiten und Biografien? Interessant ist in dieser Hinsicht auch das Gespräch zwischen den beiden Brüdern über "colour and race". Minervini geht weit über ein Reportageinteresse hinaus und gibt aufmerksamen Beobachter/-innen Gelegenheit, nicht nur einzelne Menschen, sondern eine Kultur kennenzulernen: Sprache, Slang, Musik sind zugleich hoch individuell, und lassen doch etwas Gemeinsames erkennen. Vertiefend kann im Unterricht das Mardi-Gras-Fest und in der Folge das Phänomen der Kreolisierung (im Vergleich zum europäischen Verständnis von Multikulturalität) behandelt werden. Desweiteren gibt der Film Anlass, sich kritisch mit der Geschichte und den Zielen der Black- Panther-Bewegung auseinanderzusetzen.