Kategorie: Filmbesprechung
"Die guten Feinde"
Doku: Die "Rote Kapelle", die Menschen dahinter und ihr gnadenloser Kampf gegen den Nationalsozialismus
Unterrichtsfächer
Thema
Günther Weisenborn kam 1928 als Dramaturg an die Berliner Volksbühne und feierte mit seinem ersten eigenen Stück, dem Antikriegsdrama "U-Boot S4", gleich einen Erfolg. Seine Werke wurden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verboten. Weisenborn emigrierte in die USA, kehrte jedoch 1937 nach Deutschland zurück und wurde schließlich Teil des nationalsozialistischen Kulturbetriebs. Allerdings arbeitete er wie Harro Schultze-Boysen und Arvid Harnack, mit denen er freundschaftlich verbunden war, in einem Widerstandsnetzwerk, das die Gestapo als "Rote Kapelle" bezeichnete. Nach seiner Verhaftung 1942 wurde er vom Reichskriegsgericht wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, jedoch von der Roten Armee aus dem Zuchthaus Luckau befreit.
Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm montiert Originalmaterial aus den 1930er- und 40er-Jahren mit Interviewsequenzen (Glossar: Zum Inhalt: Talking Heads) aus dem Privatarchiv des Regisseurs Christian Weisenborn sowie aktuellen Aufnahmen. Der Sohn von Günther Weisenborn rückt nicht nur das Wirken seines Vaters in den Fokus, sondern zeichnet ein Porträt des Berliner Netzwerkes der "Roten Kapelle". Häufig schneidet der Film dabei Archivbilder (Glossar: Zum Inhalt: Found Footage) und zeitgenössische Momentaufnahmen der Berliner Originalschauplätze (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) gegeneinander. Dies funktioniert stellenweise, etwa wenn Jugendliche auf dem Prachtboulevard Kurfürstendamm der 1930er-Jahre zu aktuellen Aufnahmen in Beziehung gesetzt werden. Jedoch müssen die Aufnahmen von heute auch mangelndes historisches Bildmaterial kaschieren und so entsteht gelegentlich eine Bild-Ton-Schere: Während der Off-Erzähler (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover) von den Gräueln des nationalsozialistischen Regimes berichtet, werden Unbeteiligte gezeigt, die durch Berliner Straßen im Jahr 2016 eilen. Abgesehen davon gelingt es dem Film, die Protagonisten der "Roten Kapelle" und ihre individuellen Beweggründe für den Widerstand sehr eindringlich zu porträtieren. Dazu tragen auch die lakonischen Tagebucheinträge von Günther Weisenborn bei, die auf der Tonspur (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound-Design) von einem Schauspieler gesprochen werden.
Im Geschichtsunterricht sollte die Namensgebung der "Roten Kapelle" thematisiert werden, die durch die Gestapo erfolgte. Der Name suggeriert, dass es sich um eine kommunistische Widerstandsbewegung handelte, die enge Kontakte zur Sowjetunion pflegte. Tatsächlich gab es unabhängig agierende Freundeskreise, die weniger einer gemeinsamen Ideologie anhingen als vielmehr einer Ablehnung des nationalsozialistischen Regimes aus humanistischen Gründen. "Die guten Feinde" macht deutlich, wie die Gewalt des nationalsozialistischen Regimes bereits kurz nach der Machtübernahme im alltäglichen Leben spürbar wurde. Ausgehend von Weisenborn und seinem Umfeld können die vielfältigen Formen des Widerstands beleuchtet werden. In diesem Kontext sollte auch untersucht werden, wie unterschiedlich an manche Widerstandsbewegungen in der DDR und in der BRD erinnert wurde. Während die "Rote Kapelle" etwa in der Bundesrepublik viele Jahrzehnte lang als Konglomerat aus "Landesverrätern" galt, wurde sie in der DDR, in der zahlreiche Straßen und Schulen nach ihren Mitgliedern benannt waren, auf eine kommunistische Zelle reduziert.