Kategorie: Filmbesprechung
"Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach"
En duva satt på en gren och funderade på tillvaron
Surreale Tragikomödie über die menschliche Existenz
Unterrichtsfächer
Thema
"Wir wollen den Menschen helfen, Spaß zu haben", erklären die Handelsvertreter Jonathan und Sam ihren Kunden. Doch die aschfahlen Männer mit ihrer schildkrötigen Körperhaltung machen den Eindruck, als hätten sie den falschen Beruf gewählt. Sie verkaufen Scherzartikel, ihr Sortiment ist überschaubar: In ihren Musterkoffern führen sie lediglich Vampirfangzähne, Lachsäcke und Monstergummimasken. Dennoch gehen die beiden Männer mit nordischer Gemütsruhe ihrer Arbeit nach. Aber Jonathan und Sam sind nicht die einzigen tragikomischen Gestalten des Films. Matrosen singen in einer Kneipe ein Lied über die hohen Alkoholpreise, ein König muss auf die Toilette, Männer und Frauen sinnieren über ihre Leben und immer wieder fällt der Satz "Ich freue mich zu hören, dass es Dir gut geht." Sichtbare Freude will allerdings nicht aufkommen in Roys Anderssons surrealem und mit knochentrockenem Humor erzählten Panoptikum menschlicher Eigenarten.
Aus 39 filmischen Tableaus besteht der Abschluss von Roy Anderssons "Trilogie über das Menschsein". Der schwedische Regisseur gehört zu den eigenwilligsten europäischen Zum Inhalt: Autorenfilmern, seine von der Malerei beeinflusste Zum Inhalt: Inszenierung besitzt eine theaterhafte Strenge. Die Menschen werden in starren Totalen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) in Szene gesetzt, wodurch ein Gefühl von Verlorenheit entsteht. Verstärkt wird die triste Stimmung durch die matte Farbgebung (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) der Bilder, die primär auf Erdtöne setzt. Aus diesen szenischen Miniaturen entwickelt Andersson jedoch ein emphatisches Bild der conditio humana. Statt seine Figuren mitsamt ihren Schwächen als Witzfiguren vorzuführen, werden sie in ihren Widersprüchen umso menschlicher. Anderssons Humanismus ist böse, aber nie verächtlich.
Ein guter Einstieg ist die Filmsprache Roy Anderssons, die sowohl Bezüge zur Malerei (von Van Gogh über Otto Dix bis Edward Hopper) als auch zu den absurden Dramen Samuel Becketts herstellt. Hier bietet sich eine "Schulung des Blicks" an, denn auch wenn die einzelnen Szenen wenig Handlung im klassischen Sinne bieten, ist das Verhältnis von Vorder- und Hintergrundaktion fein austariert. Anderssons Film schärft den Blick für das vermeintlich Unwesentliche und offenbart dabei liebevolle Details. So lässt sich anhand des Films auch diskutieren, wie Farben, Zum Inhalt: Bildkomposition und Dialoge Stimmungen erzeugen. Darüber hinaus ist das Menschenbild in "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" eine dankbare Gesprächsgrundlage. Welche Charaktereigenschaften sind den Figuren zuzuschreiben und welche Rolle spielt dabei der Humor des Regisseurs? Besonderes Augenmerk verdienen hier die Hauptfiguren Jonathan und Sam, deren Dialoge – vergleichbar mit dem Chorus der griechischen Tragödie – oftmals als Kommentar auf die unzusammenhängenden Episoden fungieren.