Liane ist 19 Jahre alt, sie lebt in Fréjus, einer kleinen Stadt an der Côte d’Azur – nicht weit entfernt von mondänen Orten wie Nizza und Cannes. Sie will sich eine Karriere als Influencerin aufbauen, am liebsten über die erfolgreiche Bewerbung bei der Reality-TV-Show "Magical Island", für die sie gerade zum Casting eingeladen wurde. Eine Brustvergrößerung hat die junge Frau schon machen lassen, die Lippen temporär aufgespritzt. Im Moment aber lebt sie noch bei ihrer alleinerziehenden Mutter, mit der sie sich nicht gut versteht und die die Pläne ihrer Tochter für großen Unsinn hält: "Ist ‚beliebt sein‘ ein Talent?" Um etwas Geld zu verdienen, verkauft Liane Parfums und kleine Technik-Artikel, die sie bei Ladendiebstählen mitgehen lässt. Eher zufällig trifft sie Dino wieder, den sie aus ihren drei Jahren im Jugendheim kennt. Er ist der einzige Mann, den sie ein wenig an sich heranlässt – ganz im Widerspruch zu dem Eindruck von sexueller Verfügbarkeit, den sie nach außen projiziert. Je länger Liane auf den Rückruf der Casting-Agentin wartet, desto nervöser, aggressiver, verzweifelter wird sie.

Der französische Originaltitel "Diamant Brut" bedeutet wörtlich "Rohdiamant", kann aber auch Lianes ruppige, harsche, gar "brutale" Art beschreiben. "Wilder Diamant" folgt seiner Protagonistin fast immer mit mehr oder weniger unruhiger Handkamera aus der Nähe (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen). Verbunden mit dem für TV-Sendungen früher üblichen 4:3- Zum Inhalt: Bildformat vermittelt der Film selbst den Look einer Reality-TV-Sendung, allerdings ganz ohne Glamour. Nur als die junge Frau einmal durch den Garten eines Anwesens streift, in dem gerade ein Model beim Shooting posiert, scheinen die Zum Inhalt: Farben Südfrankreichs und plötzliche Ruhe Liane diesem Traum etwas näher zu bringen. Ansonsten herrscht fast durchgehend nervöse Unruhe, Hauptdarstellerin Malou Khebizi stapft in hochhackigen Schuhen und knappen Klamotten stets vorgebeugt, wie kampfbereit durch die Kleinstadt-Tristesse. Allein mit Dino und ihrer kleinen Schwester, die sie in Kleidung und Schminke nachahmt, scheint Liane für Momente ganz ohne Panzer und Verstellung sie selbst zu sein.

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Agathe Riedingers Film bietet sich zunächst vor allem zur Betrachtung in der Originalversion an, um im Französischunterricht (vor und nach der gemeinsamen Filmsichtung) die Eigenheiten der aktuellen Umgangs- und Jugendsprache in Frankreich zu thematisieren. Im Kunstunterricht ließe sich außer über die Inszenierungsmechanismen des Films über Kleidung und Moden sprechen – von Lianes Haarpracht bis zu ihren Fingernägeln. Daran sollte der Ethikunterricht anschließen, um Schönheits- und Geschlechterideale ebenso zu thematisieren wie die Rolle von Social Media und anderer medialer Einflüsse auf unsere Körperbilder und soziale Zusammenhänge. Was ist dran an der Authentizitätsbehauptung des Reality-TV, die Liane gerne erfüllen möchte ("Ich will zeigen, wer ich wirklich bin")? Für Politik und Wirtschaft schließlich ist der Film reich an Themen: Wie funktioniert die Aufmerksamkeitsökonomie, der Liane sich unterwerfen möchte? Was hat sie mit ungleichen Einkommensverhältnissen zu tun, die "Wilder Diamant" , obwohl es sich an der französischen Mittelmeerküste anbieten würde, nur sehr zurückhaltend antippt? Wie realistisch ist die Verheißung von Erfolg, und auf welchen fruchtbaren Boden fällt sie im Film?

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