Die 12-jährige Mina gehört in der Schule nicht gerade zu den Coolen: Sie ist leicht mehrgewichtig, trägt altmodische Kleidung (Glossar: Zum Inhalt: Kostüm/Kostümbild) und eine viel zu große Brille. Doch als der neue Schüler E.D. Win, der "beste Hip-Hop-Tänzer Norwegens", einen Aufruf für ein Tanz-Casting startet, sieht sie ihre Chance gekommen. Mina schafft es zu ihrer eigenen Überraschung in die Tanzgruppe und trainiert in jeder freien Minute. Sie bekommt dabei Unterstützung von ihrer hippiesken Großmutter, die früher eine exzellente Balletttänzerin war, und ihr bester Freund Markus übernimmt die Rolle als Trainingspartner. Ihr großes Ziel ist es, gemeinsam mit E.D. Win bei dem wichtigsten Tanzwettbewerb Norwegens anzutreten und den Hauptpreis zu gewinnen. Durch das Tanzen gewinnt Mina an Selbstvertrauen und verändert sich auch optisch. Gleichzeitig nehmen die Probleme zu: Der sehr ambitionierte E.D. Win stört sich an Minas Gewicht und übt dadurch Druck auf sie aus, Minas Noten in der Schule werden schlechter, ihre Eltern sind zunehmend besorgt, die Mutter will ihr sogar das Tanzen verbieten. Dann stirbt auch noch ihre geliebte Großmutter. Im Übergang von Kindheit und Jugend muss sich Mina fragen, was wirklich wichtig für sie ist und wie sie leben möchte.

Minas Blick auf die Welt

"Dancing Queen" von Aurora Gossé greift bekannte Erzählmuster und Figurenkonstellationen auf, schafft es aber gleichzeitig, sich von den filmischen Vorlagen zu emanzipieren: Minas Geschichte ist weder eine Makeover-Success-Story wie "Plötzlich Prinzessin" ("The Princess Diaries" , Garry Marshall, USA 2001), noch so desillusionierend wie "Willkommen im Tollhaus" ("Welcome to the Dollhouse" , Todd Solondz, USA 1995). Vielmehr changiert der Film geschickt zwischen Drama und Zum Inhalt: Komödie und hat vor allem genügend Empathie für seine Hauptfigur. Die Geschichte steht und fällt mit der Zeichnung von Mina, die durch ihre aufgeweckt-nerdige und gleichzeitig sensible Art als Identifikationsfigur etabliert wird. Die Kamera ist dabei immer bei ihr, oftmals in Form von Groß- und Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) oder Point-of-View-Shots (Glossar: Zum Inhalt: subjektive Kamera). Auch weitere filmische Darstellungsmittel visualisieren ihren inneren Zustand: etwa die dynamische Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) in Momenten der Unruhe und Überforderung – zum Beispiel bei den ersten Tanzchoreografien – oder die ruhigen Bilder und Töne in Phasen der Zufriedenheit.

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Mina macht etwas aus Leidenschaft, auch wenn sie weit davon entfernt ist, perfekt darin zu sein. Hier erinnert der Film zuweilen an (Jonathan Dayton, Valerie Faris, USA 2005). Die Zuschauer/-innen begleiten sie auf diesem Weg – bei ihren Kämpfen, Glücksmomenten und Reifungsprozessen.

Leidenschaftliche Tänze und innere Kämpfe

Zu Beginn tanzt Mina noch sehr unbeholfen. Das hat durchaus einen humoristischen Effekt, die Zuschauer/-innen lachen in diesen Zum Inhalt: Szenen aber nicht über sie, sondern es steht die neu entfachte Leidenschaft für das Tanzen im Mittelpunkt, zum Beispiel wenn sie zu Hause euphorisiert und ekstatisch auf dem Esstisch zu "Push It" von Salt'n'Pepa herumzappelt. Immer wieder geht es um Minas innere Zerrissenheit zwischen wachsendem Selbstbewusstsein und einer tiefsitzenden Unsicherheit. Das wird an mehreren Stellen eindrücklich visualisiert: In einem Moment blickt Mina E.D. Win taff und selbstsicher in die Augen, einen Moment später schaut sie unsicher zur Seite. Damit einher geht auch ihre Körperwahrnehmung: Beim Tanzen setzt sie ihren Körper bewusst ein, wirkt selbstsicher und glücklich. Diese Bilder werden allerdings immer wieder kontrastiert durch Momente, in denen sie ihren Körper und ihr Mehrgewicht als Belastung wahrnimmt.

Auf der Schwelle zwischen Kindheit und Jugend

"Dancing Queen" ist eine Mischung aus Tanzfilm, Drama und Komödie, vor allem wird aber in Form einer Zum Inhalt: Coming-of-Age-Story Minas Reifungsgeschichte erzählt. So analysiert ihre Oma treffend: "Eine kleine schüchterne Musterschülerin, die aus ihrem Schneckenhaus ausbrechen will".

Zu Beginn dominieren noch Figurenmerkmale eines Kindes. Das wird zum Beispiel durch eine einführende Fahrradfahrt mit Markus verdeutlicht: Mina ist hier verspielt, wirkt freundlich und zufrieden, gleichzeitig möchte sie aber zu den populären Kids gehören. Durch ihr Makeover befreit sie sich von ihrer kindlichen Unschuld, was mit Fragen der Identitätsfindung und jugendlichen Krisenthemen – wie Bodyshaming und Essstörung – einhergeht. Am Ende ist sie eine deutlich reifere Figur. Das wird auch musikalisch unterstrichen (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik): Während in der Mitte des Films der Song "Dancing Queen" in einer Dreampop-Variante erklingt und Mina sich in einer Konfliktsituation befindet, geht das Original von ABBA am Ende der filmischen Erzählung mit einer (psychischen und physischen) Befreiung einher – Mina tanzt enthemmt und glücklich.

Ohnehin fungiert Tanzen hier vor allem als Form der Initiation. Am Ende hat Mina ihre kindliche Leichtigkeit wieder zurückgewonnen, aber ist gleichzeitig auch in der Lebensphase Jugend angekommen. Damit verknüpft ist auch die Re-Transformation der Nerdfigur: Mina steht beim Tanzwettbewerb mit Brille und dem Kleid ihrer Oma auf der Bühne. Dieser scheinbare Rückschritt ist ein Fortschritt: Mina hat ihr Schneckenhaus verlassen und hat eine Vorstellung davon bekommen, wer sie sein möchte.

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