Die Opernsängerin Ann und der Stand-up-Comedian Henry sind ein gefeiertes Promi-Paar, stammen jedoch aus gänzlich verschiedenen Sphären. Während der Berufsprovokateur sein Publikum mit derben Scherzen zum Lachen bringt, stirbt die Tragödin als Carmen oder Madame Butterfly jeden Abend den Bühnentod. Manchmal hat Ann selbst Angst vor ihrem Mann und seinen unberechenbaren Launen. Ein Belästigungsskandal verunsichert sie zusätzlich, könnte aber auch ihrer Fantasie entspringen. Die Geburt ihrer Tochter Annette bringt nur kurzzeitig Harmonie in die Beziehung, die schließlich ein – wie alle Schritte des Paars – in der Klatschpresse groß angekündigter Jachturlaub retten soll. Es kommt zur Katastrophe, nach der Henry mit Annette allein bleibt. Seine Karriere ist längst ins Stocken geraten. Also versucht er, das ungewöhnliche Gesangstalent seiner Tochter zu Geld zu machen. Doch Annette hat mehr von ihrer Mutter geerbt als eine schöne Stimme und wird seine Pläne durchkreuzen.

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Das Avantgarde- Zum Inhalt: Musical vereint den französischen Regie-Exzentriker Leos Carax ("Holy Motors" , 2012) und die US-amerikanische Barockpop-Band Sparks, auf deren Idee und Musik (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) der Film beruht. Zahlreiche Songs reflektieren, mitunter duchaus ironisierend, die Gefühle des Paars ("We Love Each Other So Much"). Zuweilen ergeben sie sich aus der Handlung, etwa im Dialog Henrys mit seinem Publikum ("You Used to Laugh") oder nach Bekanntwerden der vermeintlichen Belästigungsvorwürfe ("Six Women Have Come Forward"). Wenn Ann aus einem Bühnenwald zwischen wirkliche Bäume tritt, verschwimmt zusätzlich die Grenze zwischen kulissenhafter Fiktion und Realität. Dieser ohnehin fragile Traumzustand wird immer wieder jäh durchbrochen durch Newsflashs in Fernsehen und Onlinemedien, die über den jeweiligen Beziehungsstatus des Society-Paars informieren. Der gewagteste Regieeinfall besteht in der Besetzung der Tochter Annette, die bis kurz vor dem Finale von einer Puppe verkörpert wird. Zunächst eine Projektion des gemeinsamen Liebeswunschs, wird sie zur sprachlosen Marionette in der Hand ihres Vaters. Indem auch sie ihre wahren Gefühle artikuliert, kann sie sich letzten Endes selbst befreien.

Mit großer Lust am sperrigen Experiment aktualisiert "Annette" das vor allem in den 1970er-Jahren mit Filmen wie "Jesus Christ Superstar" (Jewison, USA 1973) und "Tommy" (Russell, GBR 1975) populäre Zum Inhalt: Genre der Zum externen Inhalt: Rockoper (öffnet im neuen Tab). Themen wie Liebe, Egoismus und Elternschaft bündeln sich zu einer Reflexion über das Verhältnis von Kunst, Künstlertum und Gesellschaft im Zeitalter der sozialen Medien. Die zahlreichen Verweise auf die Me-Too-Bewegung und traditionelle Opferrollen von Frauen in Film, Theater und Oper können im Politik- oder Deutschunterricht kritisch betrachtet werden. Carax' Film unterzieht das Prinzip "toxischer Männlichkeit" in der Kunst einer unzweifelhaft schonungslosen (Selbst-)Analyse, jedoch tut er dies vor allem im zweiten Teil recht einseitig aus männlicher Perspektive. Selbstkritik und Selbstmitleid sind hier zwei Seiten einer Medaille. Auf ästhetischer Ebene kann diskutiert werden, welche Wirkung die Verknüpfung von Schauspiel, Musik, Kamera und Schnitt (Glossar: Zum Inhalt: Montage) bei den Zuschauenden erzielt. Erzeugen die im Genre eigentlich unübliche ironische Brechung großer Gefühle sowie die oft abstrakte und wenig glamouröse Zum Inhalt: Inszenierung zu viel Distanz? Neben der interessanten Zum Inhalt: Farbgestaltung lassen sich außerdem die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Musical, Operette und Oper erörtern.

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