Anfang der 1960er-Jahre, eine sozialistische Großbaustelle (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) irgendwo in der DDR: Im Kampf um die Realisierung des Projekts sind fast alle Mittel recht. Brigadier Balla und seine Männer genießen Narrenfreiheit – denn ihr unkonventioneller Arbeitsstil erweist sich als effizient. Im Gegensatz zu vielen anderen Brigaden tritt bei den "Ballas" neben dem Geldverdienen die Arbeit selbst nie in den Hintergrund. Im Umkehrschluss sieht man ihnen die teilweise anarchistischen Methoden bei der Planerfüllung gerne nach. Kipper mit Kies etwa werden von den Ballas kurzerhand umgeleitet, um weiter arbeiten zu können. Zunehmend werden junge Absolventen von Fach- und Parteischulen auf die Baustelle delegiert. Als etwa zeitgleich die Technologin Kati und der neu eingesetzte Parteisekretär Horrath auf der Baustelle eintreffen, kommt das mehr schlecht als recht austarierte Gleichgewicht innerhalb der Belegschaft ins Wanken. Auch Balla muss sich neu positionieren. Er und Horrath sind beide unangepasst und rebellisch. Sie könnten Verbündete sein. Doch geraten sie bald ins Visier der Opportunisten bei Belegschaft und Partei. Erschwerend hinzu kommt, dass sich beide Männer in Kati verlieben. Nachdem ihre Schwangerschaft unübersehbar geworden ist, eskaliert die Situation. Eine Parteiversammlung wird einberufen, um endlich wieder "Ordnung zu schaffen".

"Spur der Steine" überzeugt bis heute durch formale Frische und inhaltlichen Mut. Gekonnt kombinierte Regisseur Frank Beyer Bausteine verschiedener Zum Inhalt: Genres, die in ihrer Gesamtheit etwas Eigenständiges, für Produktionen der DEFA damals völlig Neues ergaben: Das ikonografische Auftreten der „Brigade Balla“ und auch die visuell ausladende Bildgestaltung im breiten Zum externen Inhalt: Totalvision-Format (öffnet im neuen Tab) erinnern sofort an die Ästhetik des Zum Inhalt: Westerns. Die Rahmenhandlung wird in Form eines Gerichtsdramas erzählt. Ausgehend von dieser als Gegenwart erzählten Zeitebene erfolgen Zum Inhalt: Rückblenden, mit denen die Charakterisierung der Hauptfiguren und der Hergang der kollektiven und privaten Konflikte beschrieben werden. In diesem Rahmen wird auch das dritte Genre installiert: eine klassische Dreiecksgeschichte zwischen zwei Männern und einer Frau. Dieser Genre-Mix wirkt umso überraschender, da es sich vom Sujet her um eines der vielen, seinerzeit offiziell erwünschten Gruppenporträts aus der sozialistischen Produktionswelt zu handeln scheint. Die Darstellung der Arbeiterklasse als offiziell "herrschende Klasse" wird jedoch von Beginn an unterlaufen und damit vom Kopf auf die Füße gestellt. Statt pathetischer Helden ohne Fehl und Tadel sind Menschen aus Fleisch und Blut mit Schwächen und Mängeln zu erleben.

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1966 wurde "Spur der Steine" auf Betreiben der SED-Führung nach wenigen Tagen aus den DDR-Kinos verbannt und verschwand als sogenannter Kellerfilm bis 1990 aus der Öffentlichkeit. Zu unbequem waren seine Interventionen, zu substanziell waren seine Angriffe auf den Status quo eines erstarrten Gesellschaftsmodells. Im Fach Politik kann der Film als Ausgangspunkt dienen, um die Folgen des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED zu thematisieren, das Ende 1965 eine innen- und kulturpolitische Tauwetterperiode der DDR beendete. Die ungewöhnliche Kombination der verschiedenen Genre-Elementekann dagegen im Deutschunterricht untersucht werden. Eine der Stärken von Frank Beyers Films besteht darin, mehr Fragen aufzuwerfen als beantworten zu wollen. Jenseits seines filmhistorischen und zeithistorischen Wertes ergibt sich daraus bleibende Relevanz. Mit welchen visuellen und verbalen Mitteln werden die drei Hauptfiguren entworfen? Auf welche Weise entwickelt sich ihr Konflikt und wie wird dessen Zuspitzung erreicht? Wie erfolgt die Durchdringung von Politischem und Privatem? Wie wirkt das Frauenbild des Films aus heutiger Sicht?

Literatur

Frank Beyer: Wenn der Wind sich dreht. Meine Filme, mein Leben (Autobiografie des Regisseurs), München 2001
Ingrid Poss / Peter Warnecke: Spur der Filme. Zeitzeugen über die DEFA (S. 219-227), Bonn 2006
Ralf Schenk, Andreas Kötzing (Hg.): Verbotene Utopie - Die SED, die DEFA und das 11. Plenum, Berlin 2015

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