1972 steht die Frauenbewegung in den USA vor einem Meilenstein: Das Equal Rights Amendment (ERA) soll in die Verfassung aufgenommen werden und Geschlechterdiskriminierung grundsätzlich verbieten. Dem Kongress gehören nur 15 Politikerinnen an, aber eine Mehrheit demokratischer und republikanischer Abgeordneter unterstützt das ERA – wie auch Präsident Nixon. Doch gegen den Verfassungszusatz mobilisiert sich eine unterschätzte Minderheit von Wählerinnen: weiße Hausfrauen aus den Vorstädten und der Provinz. Vor dem Hintergrund der ERA-Debatte entfaltet die vom US-amerikanischen Pay-TV-Sender FX produzierte Drama-Serie "Mrs. America" ein politisches Panorama der 1970er-Jahre. Ein Ensemble feministischer Ikonen tritt darin auf, darunter die Journalistin Gloria Steinem (Rose Byrne), die Autorin Betty Friedan (Tracey Ullman) oder die demokratische Politikerin Shirley Chisholm (Uzo Aduba). Die Hauptfigur jedoch ist eine heute wenig bekannte, damals aber einflussreiche Antifeministin: Phyllis Schlafly (Cate Blanchett) initiiert mit der „Stop ERA“-Kampagne eine Kontroverse um den vermeintlichen Verlust traditioneller Geschlechterrollen und wird zum Medienstar der Konservativen.

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Für eine Geschichte über die zweite Welle des Feminismus wählt "Mrs. America" dramaturgisch einen ungewöhnlichen Ansatz. Während Historienfilme (Glossar: Zum Inhalt: Genre) über die Frauenbewegung oft linear von sozialem Fortschritt erzählen, gelingt der Serienautorin Dahvi Waller durch ständige Perspektivenwechsel eine komplexe historische Darstellung. Fast jede der insgesamt neun Episoden (Glossar: Zum Inhalt: Episodenfilm) stellt eine andere Figur ins Zentrum. So beleuchtet "Mrs. America" das Verhältnis zwischen Feminismus und Medien ("Gloria" , Episode 2), die Kämpfe von Schwarzen und lesbischen Frauen in der Bewegung ("Shirley" , Episode 3) oder die Abkehr der Republikanischen Partei von liberalen Positionen ("Jill" , Episode 6). Der heutige, durch die #MeToo-Bewegung sensibilisierte Blick der Serie zeigt sich darin, wie die Kamera Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen in subtilen Gesten hervorhebt, etwa wenn Phyllis bei einem Meeting mit einem Kongress-Abgeordneten unangemessen oft berührt wird. Die stilvolle, zeithistorisch akkurate Zum Inhalt: Ausstattung und die pointenreichen Dialoge erinnern an die Erfolgsserie "Mad Men" (2007–2015), an der Waller ebenfalls beteiligt war.

Die Hochphase der Frauenbewegung erscheint in "Mrs. America" zwar als Aufbruch, zugleich aber als Beginn eines Backlash. Tatsächlich war das Scheitern des Equal Rights Amendment eine schwere Niederlage der US-Liberalen. Vor einer Beschäftigung mit der Serie im Unterricht sollten die Schüler/-innen dazu recherchieren: Was besagt der vorgeschlagene Verfassungszusatz? Findet sich eine ähnliche Passage im Grundgesetz der Bundesrepublik? Und warum ist der Kampf um den ERA weiterhin aktuell? Am Beispiel von Phyllis Schlafly zeigt sich zudem, wie Gender zum Fixpunkt in einem bis heute währenden Kulturkampf wurde: Die Polarisierung der Trump-Ära, in der zwischen Mitgliedern der Demokratischen und der Republikanischen Partei ein tiefer Graben verläuft, ruft "Mrs. America" ständig in Erinnerung. Für den Englisch- oder Geschichtsunterricht zu Gender-Debatten damals und heute eignet sich die Pilotfolge "Phyllis" besonders gut. Blanchett spielt darin eine Protagonistin voller Widersprüche; einerseits argumentiert sie für den „natürlichen Platz“ der Frau im Haushalt, andererseits strebt sie selbst gegen den Widerstand von Männern eine Karriere in der Politik an. Filmanalytisch sollte im Fokus stehen, wie durch Zum Inhalt: Bildkomposition, Kameraführung (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) und Zum Inhalt: Montage Geschlechterverhältnisse kommentiert werden. Gewinnt Schlafly, eigentlich eine Antiheldin, durch die Zum Inhalt: Inszenierung an Sympathie?

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