Kategorie: Filmbesprechung + Arbeitsblatt
"Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats"
Die Ideologie der Gewalt weitergeben: Dokumentarfilm über eine radikal-islamistische Familie in Syrien
Unterrichtsfächer
Thema
Voller Stolz erzählt der Salafist Abu Osama vor laufender Kamera, dass einer seiner Söhne an einem Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 geboren wurde und nach dem Al-Qaida-Gründer Osama bin Laden benannt ist. Ein weiterer trägt den Namen von bin-Ladens Stellvertreter Aiman al-Zawahari. Als älteste von zwölf Geschwistern wachsen Osama (13) und Ayman (12) in einem Dorf in der nordsyrischen Provinz Idlib (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) auf. Die ländliche Gegend wird vom islamistischen Alqaida-Ableger al-Nusra kontrolliert. Immer wieder ist sie Schauplatz von Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen. Straßen, Felder und Ruinen sind von Minen übersät. Abu Osama, ein Führer der al-Nusra-Brigaden, träumt von der Errichtung eines islamischen Kalifats und damit also einer allgemeinen Führerschaft für alle Muslime auf der Welt, die die islamische Rechtssprechung durchsetzt. In den Dienst dieser Idee sollen auch seine Kinder ihr Leben stellen: Von klein auf werden sie zu Kriegern für den salafistischen Dschihad herangezogen. Statt zur Schule gehen sie in den Koran-Unterricht, im Scharia-Camp lernen sie strengste Disziplin und werden an der Waffe ausgebildet. Nicht zuletzt im Spiel der Kinder zeigt sich, wie sehr ihre Erfahrungswelt vom Krieg geprägt ist.
Für die Arbeit an "Of Fathers and Sons" kehrte der aus Syrien geflüchtete und seit 2013 in Deutschland lebende Regisseur (Glossar: Zum Inhalt: Regie) Talal Derki in seine einstige Heimat zurück. Dort stellte er sich als Kriegsfotograf und Sympathisant der Dschihadisten vor. Mit offizieller Drehgenehmigung von den al-Nusra-Brigaden hat Derki Abu Osamas Familie über einen Zeitraum von zwei Jahren, von 2014 bis 2016, mit der Kamera begleitet. Er und Kameramann Kahtan Hasson verbrachten mehr als 300 Tage im Umfeld des männlichen Teils der Familie und dokumentierten deren Alltag. Im Film nehmen sie durchgehend eine beobachtende Haltung ein und verlassen diese auch nicht, als Menschenleben auf dem Spiel stehen. In einer Zum Inhalt: Szene etwa schießt Abu Osama vor den Augen des Filmteams ungehindert auf einen Menschen. In teilweise verstörenden Bildern wird das Geschehen weder kommentierend eingeordnet noch bewertet. Nur am Anfang und am Ende des Films schildert der Regisseur aus dem Zum Inhalt: Off seine persönliche Sichtweise. Mit ihrem Oscar®-nominierten Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Of Fathers and Sons" geben Derki und Hasson einen Einblick in die Welt radikaler Islamisten. Dabei machen die Filmemacher einen Kreislauf sichtbar, in dem die islamistische Ideologie, Terror und Gewalt von Generation zu Generation weitergegeben werden. Im Mittelpunkt stehen neben dem Vater die Söhne. Am Ende des Films stellt der Regisseur die unterschiedlichen Wege, die Osama und Ayman einschlagen, einander gegenüber: Osama wird zum Soldaten ausgebildet, sein im Film weniger beachteter Bruder Ayman möchte lieber die Schule besuchen. Hier, in der Schule, sind am Ende des Films erstmals auch Mädchen zu sehen. Dass Frauen wie Mädchen im Film ansonsten nicht sichtbar sind, veranschaulicht die Stellung, die ihnen in der patriarchalen Gesellschaftsordnung des radikalen Islam zukommt. Einige Kommentare der Männer und Jungen geben diesbezüglich weiteren Aufschluss, etwa wenn das fehlende Kopftuch eines kleinen Mädchens auf eine Weise kritisiert wird, die schockierend unverhältnismäßig wirkt.
Insbesondere in den Fächern Politik, Sozialkunde und Religion eignet sich die im Film dargestellte Lebenswirklichkeit als Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit dem Dschihadismus als Gewaltideologie und den Faktoren, die ihn ermöglichen. Es empfiehlt sich, eine/n Radikalismus-Expert/-in in den Unterricht einzuladen, um das von Abu Osama vertretene und weitervermittelte Weltbild sowie seine Aussagen einzuordnen und zu hinterfragen. Die Ausbildung der Kinder zu Soldaten sollte ebenso kritisch Beachtung finden und mit dem Thema Kinderrechte zusammengebracht werden. Der Film zeichnet ein komplexes Bild des Dschihadismus: Die Schrecken des Krieges bringt er mit der Intimität der Familie zusammen, der Protagonist des Films ist liebevoller Vater wie ideologisch gefestigter Gotteskämpfer. Die Ambivalenz dieses Charakters, die einer Schwarz-Weiß-Zeichnung zuwiderläuft, kann Gegenstand der Diskussion sein. Außerdem laden die besonderen Umstände, unter denen der Film entstanden ist, sowie die dokumentarische Haltung des Regisseurs zur Reflexion über die Rolle des Dokumentaristen ein.
Weiterführende Links
- External Link Offizielle Website des Films
- External Link Informationen des Verleihs
- External Link filmportal.de
- External Link bpb.de: Info Islam: Was bedeutet Kalifat? (Video)
- External Link bpb.de: Info Islam: Was bedeutet Dschihad?
- External Link fluter.de: Man kann nicht nicht inszenieren
- External Link bpb.de: Dossier Islamismus. Die Spaltung des Jihad-Salafismus in Syrien
- External Link Artikel auf dw: Dokumentarfilm über eine Dschihadistenfamilie