Philipp Klarmann ist jung, gutaussehend und liebt seinen Job als Lehrer in Ost-Berlin. Bei seinen Schüler/-innen ist er beliebt und auch in der Liebe läuft es gut, seit er seine Kollegin Tanja kennengelernt hat – schnell werden die beiden ein Paar. Alles scheint perfekt zu sein. Bis Philipp durch Zufall einen alten Schulfreund wiedertrifft, der vergessen geglaubte Gefühle in ihm weckt. Verwirrt und verstört landet Philipp so eines Abends in einer Schwulenkneipe, wo er sich im Rausch von Alkohol, Musik, glitzernden Kleidern und romantischem Engtanz gehen lässt und Matthias kennenlernt. Zwischen den beiden funkt es gewaltig, doch Philipp steht zwischen den Stühlen. Er kann Tanja nicht verlassen, hat Angst vor seiner Homosexualität und vor den Konsequenzen, die ein Outing für ihn – auch als Lehrer – hätte. Die queere Community, in die er eintaucht, schenkt ihm Wärme und Geborgenheit, macht ihm jedoch auch deutlich, wie hart und grausam das Leben für sie am Rande der Gesellschaft ist. Philipp muss sich entscheiden – zwischen seinen Gefühlen und dem Konformitätszwang.

"Coming Out" wurde in den letzten Monaten vor dem Mauerfall gedreht und ist damit der erste und letzte DEFA-Film zum Thema Homosexualität. Zugleich ist es ein Liebesfilm (Glossar: Zum Inhalt: Genre), der die sexuelle Selbstfindung des Protagonisten als dramatische Spannungskurve (Glossar: Zum Inhalt: Dramaturgie) nutzt. Philipps Mimik ist dabei sehr präsent, die Kamera setzt mit vielen Porträt- und (extremen) Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) von Gesicht und Körpern Zärtlichkeit, Verletzlichkeit, Sex und Intimität gekonnt und unskandalös in Szene. Authentisch wird auch die Ost-Berliner queere Kneipenszene dargestellt, wobei Zum Inhalt: Musik eine tragende Rolle spielt. Sie kommt zum Einsatz, um die hier vorherrschende herzliche, aber auch sehnsüchtige und melancholische Atmosphäre zu inszenieren, gleichsam als Spiegel von Philipps Selbstfindung. Highlights sind DDR-Klassiker wie Gold in deinen Augen von Frank Schöbel oder Liebe von Monika Herz. Die Ost-Berliner Zum Inhalt: Drehorte rund um den Alexanderplatz bieten heutigen Zuschauenden einen spannenden Einblick in die Vergangenheit der Stadt.

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Mit seiner offenen Darstellung von Homosexualität und dem Wunsch nach persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung – besonders in der DDR brisante Themen – war lange nicht klar, ob der Film überhaupt produziert werden könnte. Nur durch anhaltende Bemühungen, unter anderem die Einreichung eines psychiatrischen Gutachtens, das sich positiv zu der Filmidee äußerte, und schließlich die direkte Kontaktaufnahme zum SED-Politbüro erhielt Regisseur Heiner Carow die Dreherlaubnis. Anhand dieser eher holprigen Produktionsgeschichte lässt sich etwa im Geschichts- oder Politikunterricht über staatliche Zensur sowie Meinungs- und Pressefreiheit in der DDR sprechen. Der Plot selbst erzählt davon, wie Protagonist Philipp entdeckt, dass er schwul ist und wie er und sein Umfeld seine Sexualität einordnen oder kommentieren. Dennoch bleiben die Handlungs- und Entscheidungsmacht darüber bei ihm. Anhand dieser Botschaft des Films kann über Selbstbezeichnungen und Zuschreibungen diskutiert werden. Anhand der Figur Walter, von den Nazis ins KZ gesperrt und hier eine Art Mentor für Philipp, lässt sich über die Kontinuität von Homosexuellenfeindlichkeit und die Geschichte des Paragrafen 175 sprechen. Der Film thematisiert in Szenen mit rechtsextremen Schlägertrupps außerdem sehr deutlich den Rechtsextremismus in der DDR. Bemerkenswert ist auch die Rezeptionsgeschichte des Films, der seine legendäre Premiere am 9. November 1989 im Ost-Berliner Kino International feierte – dem Tag des Mauerfalls. "Coming Out" wurde zum Publikumserfolg und gewann auf der Berlinale 1990 einen Silbernen Bären und den Teddy Award.

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