Kategorie: Filmbesprechung
"Futur Drei"
Neu auf DVD: Junges queeres post-migrantisches Coming-of-Age-Drama aus Deutschland
Unterrichtsfächer
Thema
Wegen eines Ladendiebstahls ist Parvis (Benjamin Radjaipour) zu 120 Stunden Sozialdienst verdonnert worden. In seiner Heimatstadt Hildesheim soll er in einer Unterkunft für Geflüchtete als Farsi-Übersetzer arbeiten. Die Sprache spricht der junge blondierte Mann allerdings nur mit Akzent, denn seine Eltern, die sich mit einem kleinen Supermarkt etwas Wohlstand erarbeitet haben, sind schon vor seiner Geburt aus dem Iran emigriert. Parvis ist schwul und lebt seine Sexualität frei aus. Doch als er bei der Ankunft im Heim die Blicke der anderen Männer sieht, legt er als Erstes seinen Ohrring ab. Er lernt die Geschwister Banafshe (Banafshe Hourmazdi) und Amon (Eidin Jalali) aus dem Iran kennen. Obwohl Parvis dieselben kulturellen Wurzeln hat wie die beiden, prallen Welten aufeinander: hier der wohlsituierte, in Deutschland Geborene, der sehr auf sein Äußeres achtet und sich auch mal über ein Datingportal zu schnellem Sex verabredet; dort das auf sich gestellte Geschwisterpaar mit völlig ungeklärten Zukunftsaussichten, dem jederzeit die Abschiebung droht. Die Drei freunden sich trotzdem an und ziehen gemeinsam durch die Nacht. Parvis und Amon kommen sich dabei näher, auch körperlich. Doch dann wird Banafshes Widerspruch gegen ihre Abschiebung abgelehnt.
Der 26-jährige Regisseur (Glossar: Zum Inhalt: Regie) Faraz Shariat wurde in Köln als Sohn iranischer Einwander/-innen geboren. Er weiß also genau, wovon er erzählt und hat mit "Futur Drei" einen deutschen Film gedreht, der nicht von außen auf die Situation von Migrant/-innen und ihrer Kinder blickt, sondern konsequent deren Perspektive einnimmt – und auch jene der aktuell Geflüchteten einschließt. Dass Parvis dabei als Alter Ego des Regisseurs angelegt ist, zeigt sich auch darin, dass Shariats Eltern im Film die Eltern des Protagonisten spielen. Die Familie zählt zu den Migrant-/innen, die es geschafft haben, sich in Deutschland eine gesicherte Existenz aufzubauen. Dennoch sagt Parvis' Mutter: „Wir haben hier nie selbstverständlich dazugehört.“ Was "Futur Drei" neben seiner Perspektive auszeichnet, ist die Intensität der Zum Inhalt: Inszenierung. Gedreht wurde im fast quadratischen Zum Inhalt: Bildformat 1:1,33 und größtenteils mit Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen). Zum einen wird so die Enge im Leben von Banafshe und Amon betont, zum anderen der Blick auf die Protagonist/-innen und ihre Handlungen fokussiert. Erstaunlich ist die ästhetische Bandbreite des Films: Während der triste Alltag in der Unterkunft für Geflüchtete in eher matten Farbtönen (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) gezeigt wird, dominieren grelle Farben und pulsierende Electromusik (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) die nächtlichen Clubszenen – die so ein Lebensgefühl vermitteln, das von einem queeren, postmigrantischen und weltoffenen Selbstverständnis gespeist ist. Zudem benutzt Faraz Shariat immer wieder originale alte VHS-Videoaufnahmen seines Vaters im Film, die den Regisseur als Kind etwa tanzend in einem Kleid zeigen.
"Futur Drei" ist ein pulsierendes Drama (Glossar: Zum Inhalt: Genre), das einerseits mit großer Selbstverständlichkeit schwule Liebe und Sexualität zeigt und zugleich die Härte der in Deutschland bestehenden Abschiebepraxis für die Betroffenen vor Augen führt. Mal mehr, mal weniger unterschwellig erzählt Shariats Film zudem, wie die drei Protagonist/-innen in ihrem Alltag in ganz verschiedener Weise mit Rassismus und Homophobie konfrontiert sind. Für all diese Themen eignet sich "Futur Drei" als Diskussionsgrundlage für den Unterricht in Fächern wie Sozialkunde, Politik und Ethik/Religion. Darüber hinaus fängt der Film das ambivalente und durch die Farbdramaturgie betonte Lebensgefühl junger Menschen ein, die dem tristen Alltag durch ausschweifende Nächte entkommen wollen – ein guter Ausgangspunkt, um mit Jugendlichen über ihre eigene Situation und Emotionalität zu diskutieren. Schon der Titel des Films deutet auf die unterschiedlichen Perspektiven von Parvis, Banafshe und Amon hin. Im Rahmen des Deutschunterrichts können die Schülerinnen und Schüler Zukunftsszenarien für die drei Hauptfiguren entwerfen.
Weiterführende Links
- External Link filmportal.de
- External Link FilmTipp von Vision Kino
- External Link Website des Verleihs mit Informationen zum Film
- External Link Hinweis auf Katalog zum Film
- External Link Deutschlandfunk Kultur: Interview mit Regisseur Faraz Shariat
- External Link Salzgeber Club: der Film als Video on Demand