Anders als Schauspieler/-innen und Regisseure und Regisseurinnen stehen Filmkomponisten/-innen nur selten im Rampenlicht. Wie elementar ihre Arbeit jedoch für das Kinoerlebnis und den Kassenerfolg gerade auch im Mainstream-Bereich ist, zeigt Matt Schraders Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Score – Eine Geschichte der Filmmusik" , eine per Crowdfunding finanzierte Hommage an die Meister des Hollywood-Sounds.

Schon die ersten Einstellungen führen klar vor Augen, welchen Stellenwert Regisseur Matt Schrader den von ihm verehrten Komponisten/-innen einräumt: Die Kamera fängt eine karge weite Hügellandschaft ein, in der ein einsames Piano zu sehen ist, das über Drähte mit großen offenen Metallzylindern verbunden ist – ein surreal anmutender Anblick. Marco Beltrami hat die bizarre Installation in den Bergen von Malibu unter freiem Himmel aufgebaut, um für den Zum Inhalt: Soundtrack des Zum Inhalt: Westerns Zum Filmarchiv: "The Homesman" Windgeräusche und Klaviertöne zu vereinen. Der viel beschäftigte Komponist, der an Filmen wie "Tödliches Kommando – The Hurt Locker" (USA 2008, Kathryn Bigelow) mitgewirkt hat, erscheint hier exemplarisch als visionärer Künstler, der sein Metier, allen Zwängen von Big-Budget-Produktionen zum Trotz, mit Leidenschaft, Inspiration und Lust am Experiment ausfüllt. Schrader setzt ihn gewissermaßen als einen zweiten Autor des Films in Szene – als einen eigenständigen Geschichtenerzähler, in dessen Händen es liegt, mit seiner Musik, wie es wenig später in dem Film heißt, zu formen, zu verändern oder gar zu untergraben, was der Regisseur sagen will.

Zusammenarbeit zwischen Komponist und Orchester, Szene aus Score – Eine Geschichte der Filmmusik (© Epicleff Media/NFP)

Sprechen über Musik

Der Besuch bei Beltrami bildet den Prolog des Films, der im weiteren Verlauf nach und nach die verschiedenen Etappen des Produktionsprozesses von Filmmusik durchläuft: Von der "Spotting Session", in der die Regie, Komponist oder Komponistin und weitere wichtige Teammitglieder den Musikeinsatz bei einer Vorführung des bereits Zum Inhalt: geschnittenen Films besprechen, über die (meist) einsame Arbeit des Komponierens bis zur Orchestrierung und Abmischung des Scores im Studio. Breiteren Raum als diese "Werkstattbesuche", die die unterschiedlichen Temperamente der Klangkünstler/-innen herausstellen, nehmen jedoch Zum Inhalt: Sequenzen ein, in denen das versammelte Who's who des Filmmusikfachs, darunter Hans Zimmer, Howard Shore und Danny Elfman, aber auch Regiegrößen wie Steven Spielberg und James Cameron, Kinohistoriker, Musikproduzenteninnen, Orchesterleiter und sogar Neurowissenschaftlerinnen ihr Expertenwissen zum Besten geben.

Der Komponist Danny Elfman, Szene aus Score – Eine Geschichte der Filmmusik (© Epicleff Media/NFP)

Vom Stummfilm bis zur Gegenwart

Zwar bewegt sich "Score – Eine Geschichte der Filmmusik" mit diesem Einsatz von Zum Inhalt: Talking Heads formal in der Nähe konventioneller TV-Dokumentationen. Langeweile kommt aber schon deshalb nicht auf, weil die Wortbeiträge sehr pointiert eingesetzt sind und Anekdotisches weitgehend ausgespart bleibt. Vor allem aber bricht Schrader die Gesprächssituationen immer wieder auf, um das Gesagte durch kurze, gut gewählte Filmbeispiele zu veranschaulichen. Dabei arrangiert er das Material auf geschickte Weise so, dass der Film im Schnelldurchlauf eine Filmgeschichte vom Stummfilm bis zur Gegenwart erzählt, während er zugleich große Komponisten wie Bernard Hermann oder John Williams vorstellt und quasi nebenbei grundlegende Aspekte der Filmmusik vermittelt – so wird beispielsweise der Begriff des musikalischen Motivs anhand von Ausschnitten aus Zum Filmarchiv: "Der Herr der Ringe" erklärt.

Einseitiger Fokus auf Hollywood

Es liegt auf der Hand, dass "Score – Eine Geschichte der Filmmusik" angesichts dieser thematischen Fülle phasenweise allzu sehr in Siebenmeilenstiefeln voranschreitet und vieles nur anreißt, was eine Vertiefung verdient hätte. Auch verursacht das hohe Erzähltempo einige Unstimmigkeiten, so wird etwa fälschlicherweise suggeriert, dass Orchesterpartituren erst mit dem Tonfilm Einzug ins Kino gehalten haben. Schwerer wiegt allerdings der doch sehr enge Blickwinkel, den der Film gegenüber seinem Thema einnimmt: Dass Schrader den Fokus nahezu ausschließlich auf berühmte Hollywood-Klassiker und Zum Inhalt: Blockbuster wie , "Rocky" (USA 1976, John G. Avildsen), "Der weiße Hai" (USA 1975, Steven Spielberg) oder "Der Gladiator" (USA, GB 2000, Ridley Scott) richtet, mag als notwendige Eingrenzung zu begründen sein – gleichwohl wäre ein Hinweis auf andere Traditionen und Ansätze der Filmmusik wünschenswert gewesen, um deren enorme Spannbreite zumindest anzudeuten.

Der Komponist John Williams, Szene aus Score – Eine Geschichte der Filmmusik (© Epicleff Media/NFP)

Vor allem aber erscheint diskussionswürdig, dass Filmmusik fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt seiner emotionalisierenden Wirkung behandelt wird. Dabei gelingt es Schrader zwar, griffige Aussagen wie "Filmmusik macht spannende Szenen noch spannender" oder "Filmmusik ist unsere Gefühlslotion, wir können damit Gefühle steuern" überzeugend mit Filmausschnitten zu visualisieren, allerdings wird der manipulative oder auch subjektivierende Musikeinsatz mit keiner Silbe problematisiert oder erwähnt. Bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang, dass "Score – Eine Geschichte der Filmmusik" den Oscar®-prämierten Starkomponisten Hans Zimmer regelrecht feiert, obwohl er inzwischen nicht nur in der Filmkritik weithin als Produzent stereotyper Überwältigungsmusik wahrgenommen wird. Nicht zuletzt wird der Bereich Filmmusik in Hollywood als Männerdomäne präsentiert, stellt Regisseur Matt Schrader mit Rachel Portman (, GB 2016, Lone Scherfig) und Deborah Lurie ("Wanted" , USA/D 2008, Timur Bekmambetov) lediglich zwei Komponistinnen vor.

Eine Musikgeschichte von vielen

Angesichts dieser Kritikpunkte ist freilich einzuwenden, dass Matt Schrader gar nicht den Anspruch erhebt, ein allumfassendes oder gar abschließendes Werk über Filmmusik geschaffen zu haben. Schon der Titel weist daraufhin, dass sein Film lediglich eine von vielen möglichen Geschichten zum Thema erzählt. Wer sich dieser Einschränkung bewusst ist und erfahren möchte, unter welchen Bedingungen und mit welcher Zielsetzung in Hollywood Musik fürs Kino produziert wird, für den bietet sich "Score – Eine Geschichte der Filmmusik" allemal als kurzweiliger Einstieg an.

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