Kategorie: Filmbesprechung
"Ist das Leben nicht schön?"
It's a Wonderful Life
Ausgerechnet am Weihnachtsabend will sich George Bailey das Leben nehmen. Doch ein Engel versucht ihn davon abzuhalten.
Unterrichtsfächer
Thema
"Ich dachte gar nicht an eine Weihnachtsgeschichte", bekannte Frank Capra 1984 in einem Interview mit dem Wall Street Journal. Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Film längst ein Eigenleben als Feiertagsklassiker erlangt. Tatsächlich war die Premiere von "Ist das Leben nicht schön?" am 20. Dezember 1946 kurz vor Weihnachten gewesen – allerdings nur, damit der Film für die bevorstehenden Oscars nominiert werden konnte. Der reguläre Kinostart folgte erst im Januar, war für Capras Verhältnisse kein Erfolg und führte aufgrund finanzieller Verluste sogar zum Verkauf seiner gerade gegründeten Independent-Produktionsfirma Liberty Films.
Ein Film als weihnachtliche "Institution"
Warum also wurde dieser Film Jahrzehnte nach der Veröffentlichung zu einer weihnachtlichen "Institution" (David Thomson) in den USA? Zum einen liegt das an lizenzrechtlichen Umständen: 1974 verpasste der damalige Rechteinhaber National Telefilm Associates eine Copyright-Verlängerung. Die Bildrechte am Film wurden in die Public Domain entlassen. Erst aus diesem Grund sahen die TV-Sender "Ist das Leben nicht schön?" als günstiges Feiertagsprogramm – und sorgten für eine Wiederentdeckung. Zum anderen ist natürlich der Film selbst ein Grund: Mit elegant austarierter Tragikomik und schnörkellos-klassischem Storytelling spiegelt das Sozialmärchen ein Gesellschaftsbild, das einem Teil der US-amerikanischen Bevölkerung vielleicht auch heute noch als Projektionsfläche dient.
Es ist das Gesellschaftsbild einer ländlichen, bürgerlichen und überwiegend weißen Gemeinde, wo alle einander kennen und auch die Ärmsten in bescheidenem Wohlstand leben können. Willkommen in Bedford Falls, einer fiktiven Durchschnittsstadt im Nordosten der USA. Eine Kirche, eine Schule, eine Allee mit Familiengeschäften, viel mehr gibt es hier nicht. Schneereiche Winter laden die Kinder zum Eislaufen und Schlittenfahren ein. Mit klassischer Tricktechnik, einem Miniatur-Modell von Sternen und Planeten, zeigt der Film, dass auch im Himmel auf Bedford Falls geschaut wird. Im Laufe der Handlung wird diese unwahrscheinliche Idylle gar von Engeln besucht und in eine Alternativrealität versetzt. Und dennoch verorten Capra und sein Zum Inhalt: Drehbuch-Team die Geschichte auch im historischen Kontext der Großen Depression der 1930er-Jahre und des Zweiten Weltkriegs.
Das Drama eines gutmütigen Jedermanns
James Stewart spielt den gutmütigen Jedermann George Bailey, der sich immer wieder zum Wohl seiner Mitmenschen aufopfert, ohne es selbst so recht zu merken. In der Kindheit rettet er seinen kleinen Bruder Harry vor dem Ertrinken und verliert aufgrund einer schweren Entzündung das Gehör auf einem Ohr – während Harry unversehrt bleibt. Als junger Mann verliebt sich George auf einem Abschlussball in die Kindheitsfreundin Mary und berichtet ihr begeistert von seinen Zukunftsplänen. Auf Weltreise- und College-Ambitionen muss er jedoch verzichten, als sein Vater in der gleichen Nacht unerwartet stirbt.
Widerwillig tritt er die Nachfolge seines Vater bei der Bausparkasse "Building and Loan" an und verhindert so deren Auflösung. Sein Bruder kann derweil studieren und Karriere machen. Als George und Mary später heiraten, muss er beim Ausbruch der Wirtschaftskrise sein für die Hochzeitsreise Erspartes in die Bank investieren, um die Interessen der Anleger/-innen gegen den Kapitalisten Potter zu verteidigen. Durch uneigennützige Geschäftspraxis, nah an der Schwelle zur Insolvenz, verhilft er den einfachen Leuten von Bedford Falls zu Wohneigentum.
Mit diesem Aspekt bekommt der Film eine politische Note, die ein FBI-Bericht im Erscheinungsjahr mit kommunistischer Propaganda in Verbindung brachte. Der Verdacht gegen den Immigranten Capra, Mitglied der Republikanischen Partei und während der Kriegsjahre Produzent der Zum Inhalt: Propaganda-Serie "Why We Fight" (USA 1943-45) für die US-Armee, erscheint selbst im Kontext der antikommunistischen McCarthy-Ära absurd. Obwohl er mit sozialdemokratischen Drehbuchautor/-innen zusammenarbeitete, war Capra entschiedener Gegner von Roosevelts staatlichen Interventionen. Die Kritik gilt hier auch nicht dem kapitalistischen System an sich, sondern ist als Warnung vor dem Auseinanderdriften von Groß- und Kleinkapital zu verstehen. Auf der einen Seite die Amoralität des mächtigen Bankers Potter, der als unverbesserliche Version von Dickens' Ebenezer Scrooge gezeichnet wird. Auf der anderen Seite steht George Bailey für die recht naive Vision eines gemeinwohlorientierten Unternehmers.
"The American Way of Filming"
Stilistisch kann Ist das Leben nicht schön? als exemplarisches Classical-Hollywood-Werk gelten. Die Kamera ist fast nur auf Handlungselemente fokussiert, die Zum Inhalt: Studio-Sets stimmungsvoll in Kunstschnee getaucht, die Tonalität wechselt punktgenau zwischen sentimentalen und komischen Momenten. Die strenge Funktionalität von Capras Inszenierungsstil hat die Filmkritikerin Frieda Grafe so beschrieben: "Jede Zum Inhalt: Großaufnahme sagt: ein Individuum! Jeder Two-Shot: ein Paar! Die Halbtotale einer Gruppe: eine Gemeinschaft! Von einer Großaufnahme auf eine Nahaufnahme mit mehreren Personen Zum Inhalt: geschnitten, besagt: Ein Individuum wird aus seiner Isolation befreit, in die Gruppe aufgenommen. The American Way of Filming."
Die sozialrealistischen Ansätze sind dann auch einer märchenhaften Rahmenhandlung untergeordnet, die gesellschaftliche Widersprüche mit einer christlich-moralischen Botschaft harmonisiert. Im Himmel wird Georges Lebensgeschichte dem Engel Clarence geschildert, der als Retter auf die Erde geschickt wird. Als George am Weihnachtsabend vor dem endgültigen Ruin steht und über Suizid nachdenkt, demonstriert Clarence ihm, was ohne seine unbändige Nächstenliebe aus Bedford Falls geworden wäre: ein Ort des Leids und Lasters. So findet ein Film, der mitunter düster zwischen Sozialdrama und Zum Inhalt: Film Noir changiert, auf eher wundersame Weise doch noch als Weihnachtsgeschichte zum Happy End.
Literaturhinweis: Frieda Grafe: Das Medium als Massage. Frieda Grafe/Enno Patalas: Im Off. Filmartikel, Hanser Verlag, München 1974