Kategorie: Einführung
Vampire im Film
Schon seit der Stummfilmzeit zählen sie zu den beliebtesten Filmmonstern: Ein Streifzug durch die schillernde Leinwandkarriere des Vampirs
Untote, die nachts aus den Gräbern steigen, um Menschenblut zu saugen: Vampir/-innen sind leicht zu definierende Monster. Ihre Wurzeln liegen in Volksmythen Südosteuropas, vor allem des Balkan und der Karpaten. Aus den jahrhundertealten Überlieferungen speisen sich Klassiker der Schwarzromantischen Literatur wie Joseph Sheridan Le Fanus Carmilla (1872) und Bram Stokers Dracula (1897) ebenso wie Vampirromane der Gegenwart wie Anne Rices Zyklus Chronik der Vampire (1976-2018) und Stephenie Meyers Bis(s)-Tetralogie (2005-2008). Und damit letztlich auch jene unzähligen Vampirfilme, denen Schauerromane als Vorlage dienten. Denn schon seit den Tagen des Stummfilms gehören Vampir/-innen zu den populären Unholden des Kinos.
Als erster Klassiker des Vampirfilms gilt heute Friedrich Wilhelm Murnaus Zum Filmarchiv: "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens" (DE 1922), eine nicht autorisierte Zum Inhalt: expressionistische Zum Inhalt: Stummfilm- Zum Inhalt: Adaption von Stokers Dracula. Nach Beginn der Tonfilmära drehte Tod Browning mit Zum Filmarchiv: "Dracula" (USA 1931) eine lizensierte Verfilmung des Romans, zugleich der erste international erfolgreiche Vampirfilm. Carl Theodor Dreyers kurz darauf entstandenes Werk "Vampyr – Der Traum des Allan Gray" (FR/DE 1932), inzwischen ebenfalls ein Klassiker, war hingegen lose von Le Fanus Carmilla inspiriert. Bereits diese frühen, wenig werktreuen Literaturverfilmungen verraten das Potenzial von Vampir/-innen als facettenreiche Filmmonster.
Der archetypische Filmvampir
Der archetypische Vampir lässt sich folgendermaßen skizzieren: Er ist im Film anfänglich vorwiegend männlich, stammt aus Südosteuropa, wo er als Vertreter veralteter Werte lebt, wie sich bereits in seinem Adelstitel und Schloss zeigt. Als Nachtgestalt stirbt der Vampir im Sonnenlicht. Sein Auftreten birgt fast immer eine sexuelle und mitunter queere Komponente, schließlich ernährt sich der Vampir von Menschenblut und hat es dabei häufig auf wehrlose Frauen abgesehen, bedient sich jedoch gelegentlich auch an Männern. Ab Lambert Hillyers Film "Draculas Tochter "
("Dracula’s Daughter"
, USA 1936) wird der filmische Archetyp zunehmend auch auf den weiblichen Vampir angewandt.
Dieser Vampir oder diese Vampirin ist äußerlich entweder monströs und furchteinflößend oder aber anziehend und verführerisch. Ersteres ist der Fall bei Graf Orlok, der in Murnaus "Nosferatu "
und den Remakes "Nosferatu – Phantom der Nacht"
(Werner Herzog, DE 1979) und Zum Filmarchiv: "Nosferatu – Der Untote" ("Nosferatu"
, Robert Eggers, USA 2024) jeweils von Max Schreck, Klaus Kinski und Bill Skarsgård dargestellt wird. Das verführerische Pendant verkörpern dagegen Bela Lugosi in "Dracula "
(1931), Christopher Lee in "Dracula "
(Terence Fisher, UK 1958), Ingrid Pitt in "Gruft der Vampire"
("The Vampire Lovers"
, Roy Ward Baker, UK 1970) und Robert Pattinson in Zum Filmarchiv: "Twilight – Biss zum Morgengrauen" ("Twilight"
, Catherine Hardwicke, USA 2008). In neueren Filmen und Serien können Vampire oftmals beliebig zwischen monströser und verführerischer Erscheinung hin und her switchen wie in "Buffy – Im Bann der Dämonen"
("Buffy the Vampire Slayer"
, Joss Whedon, USA 1997-2003): Sie können sich entweder als Menschen maskieren oder ihr raubtierhaftes, verzerrtes Vampirgesicht zeigen.
Mit Knoblauch, Kreuz und Holzpflock
Als genreprägend (Glossar: Zum Inhalt: Genre) erwies sich vor allem Hollywoods Dracula-Interpretation von 1931, denn erstmals erreichte der Vampirfilm ein Massenpublikum. Lugosi als eleganter Graf mit Umhang und sorgfältig frisierten Haaren, der in einem Sarg schläft, sich vor Sonnenlicht fürchtet und sich in eine Fledermaus verwandeln kann, mag wenig mit Stokers Roman zu tun haben, ist aber bis heute ikonisch. Gleiches gilt für die Schauplätze (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) und Zum Inhalt: Requisiten des Films wie das von Spinnweben verhangene Schloss oder das Kreuz zur Abwehr des Vampirs, die sich als feste Genreelemente etabliert haben. Ergänzt wurden sie nach und nach durch Knoblauchketten, Holzpflöcke, Weihwasser und nicht zuletzt die langen Reißzähne. Ab den 1940er-Jahren hatten sich die Stereotypen des Vampirfilms schließlich derart verfestigt, dass das Genre zunehmend parodiert wurde. Zum Filmarchiv: "Tanz der Vampire" ("The Fearless Vampire Killers" , Roman Polański, UK 1967), "Lesbian Vampire Killers" (Phil Claydon, UK 2009) und Zum Filmarchiv: "5 Zimmer Küche Sarg" ("What We Do in the Shadows" , Jemaine Clement/Taika Waititi, NZ 2014) sind Beispiele für die noch immer anhaltende Beliebtheit dieser komödiantischen Vampirfilme.
Grenzgänger/-innen mit Biss
Mit der Auflösung des klassischen Genrekinos im Zuge des Niedergangs des Zum Inhalt: Studiosystems und dem Aufkommen des Zum Inhalt: Autorenfilms öffnete sich der Vampirfilm zusehends auch für Themen, die seit jeher im Stoff angelegt waren, aber zuvor kaum einmal offen verhandelt wurden: Filmschaffende nutzen nun die Vampirfigur um Sexualität und Gender, Klasse und Elitismus, Krankheit und Tod oder auch Außenseitertum und Einsamkeit zu reflektieren. So rückt im Zuge der „sexuellen Revolution“ ab den 1960er-Jahren die Queerness von Vampir/-innen in den Blick – etwa in "Gruft der Vampire" und diversen Adaptionen und Neuinterpretationen des Carmilla-Stoffs, in denen eine lesbische Vampirin im Mittelpunkt steht. Ein Beispiel ist der Film "Alucarda – Tochter der Finsternis" ("Alucarda, la hija de las tinieblas" , Juan López Moctezuma, MX 1977), der die Geschichte in ein mexikanisches katholisches Kloster in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegt und die Rolle der Frau in einer hochreligiösen Gesellschaft hinterfragt.
Dass das Vampirthema auch heute noch emanzipatorisches Potenzial birgt, beweist "A Girl Walks Home Alone at Night" (USA 2014) von der irano-amerikanischen Regisseurin Ana Lily Amirpour. Bereits der Titel fordert das Geschlechterbild der patriarchalisch-religiösen iranischen Gesellschaft heraus. Die namenlose Vampirin des Films – das titelgebende "Girl“ – ernährt sich ausschließlich von gewalttätigen, Frauen verachtenden Männern. Ihr Vampirsein ist ein Akt des Widerstands gegen das Patriarchat.
Das Zum externen Inhalt: Blaxploitation (öffnet im neuen Tab)-Kino der 1970er-Jahre brachte endlich auch Schwarze Vampire auf die Leinwand: "Blacula " (William Crain, USA 1972) mag eine formelhafte Gut-gegen-Böse-Erzählung sein. Bemerkenswert ist der Film jedoch, weil er von und mit Schwarzen für ein vornehmlich Schwarzes Publikum produziert wurde. Einen weiteren Meilenstein setzte zweieinhalb Jahrzehnte später der Horror- Zum Inhalt: Blockbuster "Blade " (Stephen Norrington, USA 1998): Die Titelrolle des Vampirjägers, der selbst halb Vampir, halb Mensch ist, zählt zu den markantesten Auftritten von Wesley Snipes, der als Schwarzer Topstar in den 1990er-Jahren mit dem Hollywood-Stereotyp des weißen Action-Helden à la Arnold Schwarzenegger brach.
Vampirfilme zwischen AIDS und Teenie-Romantik
Mit dem Motiv der Ansteckung und Krankheit greift "Blade " einen Aspekt auf, der seit jeher im Vampirthema angelegt war und in den 1990er-Jahren in Filmen wie "Bram Stoker’s Dracula" (Francis Ford Coppola, USA 1993) und "The Addiction" (Abel Ferrara, USA 1995) als Anspielung auf die Seuche AIDS verstanden wurde. Zugleich beginnt in den 1990ern der noch immer virulente Hype um romantische Teen-Vampir-Filme und -Serien. Auffällig ist, dass die Heldinnen in "The Vampire Diaries" (Kevin Williamson/Julie Plec/L. J. Smith, USA 2009-2017) und "Buffy" von gleich zwei Vampiren umworben werden (in "Twilight " sind es ein Vampir und ein Werwolf) –, von denen stets einer als Nice Guy und einer als Bad Boy auftritt. Zwar könnte es als weibliches Empowerment gelesen werden, dass eine junge Frau zwischen Partnern wählen kann. Allerdings scheint dies vor allem für weiße, normativ schöne, heterosexuelle cis-Frauen zu gelten, deren Liebesleben zumeist die Essenz ihres Charakters darzustellen scheint. Interessant ist auch, dass die Vampir/-innen, die einstmals für die Aristokratie als überkommene Herrschaftsform standen, in den Filmen und Serien als Kapitalist/-innen gezeigt werden, deren fragwürdiger Reichtum ihnen scheinbar alles ermöglicht – wie Edward Cullen in "Twilight " oder Ben in "Love Sucks" (Marc O. Seng, DE ab 2024).
Inzwischen bewegen sich Filmvampir/-innen ganz selbstverständlich über Genre- und Gattungsgrenzen hinweg: Im Zum Inhalt: Horrorfilm sind sie ebenso zuhause wie in Zum Inhalt: Komödien, in dystopischen Endzeit-Serien wie in romantischen Teen-Serien. Und Zum Inhalt: Kinderfilme wie Zum Filmarchiv: "Der kleine Vampir" ("The Little Vampire" , Uli Edel, DE/NL/USA 2000) oder Animationsfilme wie "Hotel Transsilvanien" (Genndy Tartakovsky, USA 2012) machen bereits jüngste Filmfans mit Vampir/-innen vertraut. Das ist auch deshalb unproblematisch, da die Monsterfigur mittlerweile häufig sympathische Züge trägt: Die gewissenhaften Vampire in "Interview mit einem Vampir" ("Interview with the Vampire: The Vampire Chronicles" , Neil Jordan, USA 1994), "Buffy" , "Twilight " und "The Vampire Diaries" trinken Tierblut, anstatt Menschen anzuzapfen. Sie stehen im krassen Gegensatz zu ihren blutrünstigen Artgenoss/-innen, die Spaß am Töten und eine Sucht auf Blut entwickelt haben. Hat die Vampirfigur also ihren Biss für alle Zeiten verloren? Keineswegs: In aktuellen Filmen wie "Die Letzte Fahrt der Demeter" ("The Last Voyage of the Demeter" , André Øvredal, USA/DE 2023) und "Nosferatu " (2024) oder auch die Serie "The Strain" (Guillermo del Toro/Chuck Hogan, USA 2014-2017) kehren Vampir/-innen als monströse Blutsauger/-innen fulminant auf Leinwände und Bildschirme zurück.