Die französische Filmindustrie übt traditionell großen Einfluss auf die Filmproduktion in den afrikanischen Ländern der Subsahara aus. Die Ursache hierfür liegt in der Kolonialgeschichte Frankreichs, das bis weit in die postkoloniale Ära seine (ehemaligen) Kolonien ökonomisch und kulturell an sich zu binden versuchte. Der malische Filmhistoriker Manthia Diawara schätzte 1992, dass 80 Prozent der Filmproduktion in der Subsahara aus den ehemaligen französischen Kolonien (Mali, Burkina Faso, Senegal, Kamerun, Niger etc.) stamme. Für die Anfänge des afrikanischen Kinos in den 1960er-Jahren liegt die Zahl vermutlich noch höher.

Filme für ein afrikanisches Publikum

Schon in der Stummfilmzeit machten sich die französischen Kolonisatoren Gedanken, wie Filme für ein afrikanisches Publikum auszusehen hätten, sie gründeten staatlich gelenkte Produktionsfirmen und förderten den Distributionssektor. Legale Grundlage war ab 1934 das Décret Laval, wonach jeder, der auf dem Territorium des damaligen Französisch-Westafrika eine filmische Aufnahme machen wollte, eine schriftliche Anfrage an den Generalgouverneur der jeweiligen Kolonie zu richten hatte: ein Mechanismus, der dafür sorgte, dass lange nur europäischstämmige Filmemacher in Afrika eine Dreherlaubnis erhielten. Der erste von einem afrikanischen Regisseur auf dem Gebiet der Subsahara realisierte Spielfilm ist Ousmane Sembènes "Borom Sarret" von 1963, über einen Kutscher, der auf seinen Fuhren durch Dakar den verschiedenen Gesichtern der Stadt begegnet. Sembène hatte bereits einigen Erfolg als Romanautor, bevor er sich dem Film zuwandte. Über die Rolle des Kinos sagte er: „Ich denke, dass das Kino kulturell bedeutsamer (Anm.: als die Literatur) ist und für uns Afrikaner von absoluter Notwendigkeit. Denn es gibt eine Sache, die man den afrikanischen Massen nicht wegnehmen kann, und das ist, etwas gesehen zu haben.“

Deshalb kämpfte der 2007 verstorbene Sembène zu Lebzeiten gegen die Vorherrschaft europäischer Distributoren, die den afrikanischen Kinomarkt mit B-Movies überschwemmten. Vor diesem Hintergrund ist auch sein Plädoyer für die mégotage (vom französischen mégot: Zigarettenstummel), eine Produktionsweise, die geringe Mittel und autonomes Arbeiten verbindet, zu verstehen. Auf diese Weise sollten afrikanische Filmemacher die strukturelle Abhängigkeit von europäischen Geldgebern, Gerätschaften und Spielstätten umgehen.

Europäische Produzenten

Szene aus "Timbuktu"

Arsenal

Der Mangel an angemessener Infrastruktur für die Ausbildung von Filmemachern und für die Filmproduktion hemmt die Entwicklung eines autochthonen afrikanischen Filmschaffens in weiten Teilen des Kontinents bis heute. Eine Ausnahmestellung nimmt die 2003 vom burkinischen Regisseur Gaston Kaboré gegründete Filmakademie Imagine ein. Lange Zeit war die Ressourcen-Verknappung politisch sogar gewollt: Die französischen Filmförderinstitutionen, die bis in die 1980er Jahre die afrikanische Filmproduktion dominierten, knüpften die Finanzierung von Filmprojekten teilweise explizit an die Bedingung, dass die Postproduktion in Frankreich stattfinden müsse. Derartige Vorgaben gibt es heute zwar nicht mehr, klar ist aber auch, dass Fernsehsender wie Canal+, TV5 Monde oder Arte France, die an der Produktion von "Timbuktu" beteiligt waren, darauf angewiesen sind, dass ihre Filme in erster Linie auf den westlichen Kinomärkten und Filmfestivals ihr Publikum finden.

Verwertungskreislauf Filmfestival

Heute gehören europäische Filmfestivals wie das International Film Festival Rotterdam oder die Berlinale zu wichtigen Förderern des sogenannten Weltkinos. Die Verwertungszyklen der Filmfestivals bilden jedoch einen geschlossenen Kreislauf, von dem nicht nur das afrikanische Publikum ausgeschlossen ist, sondern auch die Kino-Öffentlichkeit vieler anderer Länder: Der Berliner World Cinema Fund oder der Rotterdamer Hubert Bals Fund kofinanzieren die Filme, die auf den jeweiligen Festivals laufen und anschließend in der Peripherie der Festivalnetzwerke verschwinden, weil sich international oftmals keine Verleiher finden. In den afrikanischen Produktionsländern kommen die meisten Filme ohnehin nur selten an – auch weil es an Spielstätten mangelt. So mussten in den letzten Jahren in der westafrikanischen Region viele Kinos schließen, weil sie nicht mehr rentabel waren.

Andererseits gibt es seit Jahrzehnten Bestrebungen, nicht nur den innerafrikanischen Kinomarkt, sondern auch eigenständige afrikanische Förderinstitutionen und Distributionswege zu stärken. Aktuell ruhen auch viele Hoffnungen auf einer Vernetzung der expandierenden Festivalszene. Neben dem zweijährlich im burkinischen Ouagadougou stattfindende Festival FESPACO, das seit dem Gründungsjahr 1969 als wichtigstes Branchentreffen der afrikanischen Filmszene gilt, haben sich in den letzten Jahren zahlreiche neue, kleinere Festivals wie das mosambikanische Dokumentarfilmfestival DOCKANEMA oder das Kenya International Film Festival etabliert. Inwieweit die finanziell meist schwach ausgestatteten afrikanischen Institutionen den europäischen Förderern als gleichberechtigte Partner entgegen treten können, wird die Zukunft zeigen.

Afrikanische Erfolgsmodelle

Die größte Erfolgsgeschichte des afrikanischen Films wird derzeit ganz woanders geschrieben: Die Videoindustrien in Nigeria (Nollywood) und Kenia (Kollywood), haben Sembènes Vision eines Filmschaffens von Afrikanern für Afrikaner realisiert - ganz ohne staatliche Förderung, außerhalb traditioneller Kinoräume und zu den Bedingungen eines auf vergleichsweise geringe Investitionsvolumen angewiesenen freien Marktes. Die Filmemacher sind gezwungen, ökonomisch zu produzieren, damit sich die Produktionskosten rasch amortisieren.

Widerstand als Antrieb

Nicht vergessen werden sollte dabei aber, dass Kino stets mehr ist als Industrie und Politik. Jeder Film hat eine poetische Eigenlogik, die nie vollkommen in ökonomischen und politischen Interessen aufgeht. Die schwierigen Produktionsbedingungen dürften ein Grund sein, warum gerade ästhetisch eigensinnige Regisseure wie Abderrahmane Sissako oder Jean-Pierre Bekolo ("Les Saignantes" , "Le President" ) große Probleme haben, regelmäßig Filme zu drehen und pro Jahrzehnt oftmals nur ein, zwei Projekte verwirklichen. (Sissakos letzter Film "Bamako" liegt acht Jahre zurück) Bekolo hat die Widerstände, auf die er stößt, einmal als eine zentrale Antriebskraft seines Schaffens beschrieben: "Wenn es eines gibt, was ich sicher weiß, dann, dass ich mich nicht von den Blicken Anderer einschränken lassen möchte. Zum Beispiel haben die Institutionen, die sich mit dem afrikanischen Kino beschäftigen, stets Probleme mit meinen Filmen, was mich bestätigt, auf dem richtigen Weg zu sein."