Am 4. September 1939 – einen Tag zuvor hat Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt – reist Alan Turing für ein Bewerbungsgespräch nach Bletchley Park, einem Landsitz im Süden Englands. Unbemerkt von der Öffentlichkeit befindet sich dort die dem Auslandsgeheimdienst MI6 unterstellte Government Code & Cypher School (GCCS), die damit beschäftigt ist, codierte Funksprüche der Wehrmacht zu entschlüsseln. Der 27-jährige Turing hinterlässt bei seinem Vorgesetzten in spe auf Anhieb keinen guten Eindruck. Selbstbewusst, fast schon überheblich gibt er sich als einer „der besten Mathematiker der Welt“ aus und verstößt gegen alle Regeln der Höflichkeit. Den Job bekommt er trotzdem, besitzt er doch Kenntnisse über die Existenz von Enigma, der Verschlüsselungsmaschine der Nazis. Mit „über 159 Millionen Millionen Millionen“ Kombinationen gilt ihr Code als nicht zu knacken. Für die Kryptoanalytiker von Bletchley Park eine schier unlösbare Aufgabe.

The Imitation Game, Szene (© SquareOne Entertainment)

"The Imitation Game" ist als klassisches Biopic mit Anleihen am Spionagethriller angelegt. Alan Turings Leben war von Triumph und Tragödie gezeichnet. Mit der Entwicklung einer Entschlüsselungsmaschine, der sogenannten "Turing-Bombe", hatten der Mathematiker und sein Team entscheidenden Anteil am Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland – eine Leistung, die jahrzehntelang als Geheimsache unter Verschluss blieb. Nach dem Krieg wurde der homosexuelle Turing, Begründer der theoretischen Informatik und der Computertechnologie, Opfer einer rigiden Rechtssprechung. Da Homosexualität in Großbritannien bis 1967 eine Straftat war, wurde Turing im März 1952 nach dem Criminal Law Amendment Act, einem Gesetz aus dem Jahr 1885, wegen „grober Unzucht und sexueller Perversion“ verurteilt und zu einer Hormontherapie gezwungen. 1954 nahm er sich im Alter von 41 Jahren das Leben.

Brüske Umgangsformen

The Imitation Game beginnt im Jahr 1951 mit einem Einbruch in Turings Privatwohnung in Manchester. Das unkooperative Verhalten des Wissenschaftlers weckt das Misstrauen des ermittelnden Detective Nock. Die Ermittlungen und das Verhör durch den Polizisten fungieren als Rahmenhandlung, von der aus der Film in Zum Inhalt: Rückblenden immer wieder die Vergangenheit Turings beleuchtet: die geheime Arbeit in Bletchley Park während des Zweiten Weltkriegs und seine Internatszeit in den 1920ern, in denen Turing bereits von Mitschülern gemobbt wird. Hier lernt er auch den jungen Christopher Morcom kennen, der ihn mit der Kryptografie bekannt macht.

The Imitation Game (© SquareOne Entertainment)

SquareOne Entertainment

Der britische Charakterdarsteller Benedict Cumberbatch spielt Turing mit enervierender Introvertiertheit und porträtiert ihn somit als sozialen Außenseiter, der sein Umfeld mit seinen Umgangsformen brüskiert. Während sein Team nach bewährten Methoden den Code zu entziffern sucht, tüftelt der Einzelgänger Turing unbeirrt an seiner Maschine. Wie der Mathematiker in der Interaktion mit anderen Menschen tickt, verdeutlichen neben den Rückblenden, die ihn als Opfer einer Gesellschaft zeichnen, die jede Form von Andersartigkeit ablehnt, auch die pointierten Dialoge, die immer wieder zu Missverständnissen führen.

Schlüsselpersonen in Turings Leben

Bei der „Dechiffrierung“ der zwischenmenschlichen Kommunikation sind ihm zwei Menschen behilflich: sein früh verstorbener Jugendfreund Christopher und die junge Mathematikerin Joan Clarke. In Christopher findet der isolierte Internatsschüler einen Vertrauten und Beschützer, der in ihm nicht den „schrägen Vogel“ sieht und ihn ermutigt, zu sich selbst zu stehen: „Manchmal sind es die Menschen, von denen man es sich am wenigsten vorstellen kann, die etwas leisten, was bis dahin unvorstellbar war“ – ein Satz, der sich wie ein Leitmotiv durch "The Imitation Game" zieht. Die Zum Inhalt: Szenen im Internat beschreiben auch die innige Beziehung zwischen den beiden Heranwachsenden, die auf einem tiefen Verständnis basiert. Ihre wachsenden Gefühle füreinander werden dabei angenehm zurückhaltend und jenseits gängiger Filmklischees erzählt.

The Imitation Game, Szene (© SquareOne Entertainment)

Für den erwachsenen Turing avanciert Joan Clarke zur emotionalen Schlüsselfigur, wenn sie ihm mit Verhaltenstipps hilft, sein Team für sich zu gewinnen. In der Männerwelt von Bletchley Park ist auch Joan Clarke eine Außenseiterin. Frauen arbeiten hier höchstens als Sekretärin oder werden zum Abfangen der deutschen Funksprüche eingesetzt. Turing erkennt in ihr eine ebenbürtige Mathematikerin. Als ihre konservativen Eltern sie zwingen wollen, ihre Arbeit aufzugeben, da sie jung und unverheiratet ist, macht er ihr sogar einen Heiratsantrag.

Erzählerische Freiheiten

Zwar basiert "The Imitation Game" auf wahren Begebenheiten, doch nimmt der Film sich aus dramaturgischen Gründen viele erzählerische Freiheiten – was von Historiker/innen durchaus kritisiert wurde. So entwickelte Turing den Entschlüsselungsapparat keineswegs im Alleingang. Trotz dieser Abweichungen überzeugt "The Imitation Game" als Charakterstudie, wobei die Inszenierung – etwa durch das Stilmittel der Zum Inhalt: Montage von historischem Archivmaterial – stellenweise etwas konventionell gerät. So orientieren sich Zum Inhalt: Ausstattung und die matte Zum Inhalt: Farbgebung deutlich an der typischen Ästhetik des Geschichtsdramas. Auch einige dramatische Zuspitzungen, wenn Turing beispielsweise nach der Entschlüsselung eines Funkspruchs innerhalb von Sekunden über Leben und Tod von Marinesoldaten – zu denen auch der Bruder eines Mitarbeiters gehört – entscheiden muss, überspannen den erzählerischen Bogen. Trotz allem ist es das Verdienst des Films, an einen bedeutenden Wissenschaftler zu erinnern, dessen Wirken bis heute unseren Alltag prägt – und dem zu Lebzeiten großes Unrecht widerfahren ist. Erst 2013, fast sechzig Jahre nach seinem Tod, wurde Alan Turing von Queen Elizabeth II. offiziell rehabilitiert.

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