Billy Casper, 15 Jahre, wohnt mit seiner alleinerziehenden Mutter und seinem älteren Halbbruder Jud in Barnsley, einer Bergarbeiterstadt im nordenglischen Yorkshire. Desillusioniert lebt er in beengten Wohnverhältnissen und wird von Jud und Mitschülern als Sonderling stigmatisiert und drangsaliert. Er langweilt sich in der Schule, die ohnehin nur den Sinn zu erfüllen scheint, die Jugendlichen so lange zu beschäftigen, bis sie alt genug sind für die schwere Minenarbeit – ohne dass ihre Interessen von den Lehrern in Ansätzen erkannt oder gar gefördert würden. Einzig beim Abrichten seines selbst gefangenen Falken Kes ist Billy voller Enthusiasmus und Energie.

"Kes" entwirft eine rigide Klassengesellschaft, übt harsche Kritik am britischen Schulsystem und zeigt einen Generationenkonflikt zwischen Teenager/-innen der Arbeiterklasse und autoritären Lehrer/-innen, die überkommene Erziehungsmethoden propagieren und rigoros die Prügelstrafe anwenden. Die Jugendlichen sind ihren willkürlichen Züchtigungsmaßnahmen, demütigenden Repressalien und sadistischen Einschüchterungen ausgesetzt. Enttäuschungen und Ängste prägen die Schulatmosphäre – auch unter den Schüler/-innen herrscht kein Sinn für Solidarität, sondern körperliches Kräftemessen. Nur Englischlehrer Mr. Farthing ist gegenüber Billy ohne Vorurteile, interessiert sich für seine Lebensumstände und würdigt sein eigenständig erworbenes Wissen. Im Unterricht ermöglicht er dem Jungen, über seinen Falken zu sprechen: Nach anfänglichem Zögern beschreibt Billy dessen Abrichtung mit Begeisterung. Als Akt der Selbstermächtigung bittet Mr. Farthing ihn darum, unbekanntes Fachvokabular über die Falknerei – wie ein Lehrer – an die Tafel zu schreiben und so seine Kenntnisse zu teilen. Später entwickelt Billy bei einem Gespräch mit dem Englischlehrer ein eindrückliches Beziehungsmodell zwischen Falkner und Falke: Es geht nicht darum, den Raubvogel zu beherrschen, sondern ihm als radikal Anderem seine Unabhängigkeit und Individualität anzuerkennen – das sind Eigenschaften, die in der Schule nicht gefragt sind. Somit kann die Tötung des Falken durch Billys Halbbruder am Ende des Films auch symbolisch gelesen werden: Dem Moment der Hoffnung weicht Frustration und Aggression.

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Als literarische Vorlage diente Regisseur Ken Loach für seinen großen Publikumserfolg Barry Hines' 1968 erschienener Roman A Kestrel for a Knave, in dem Hines eigene Jugenderlebnisse der 1950er-Jahre verhandelt. So ist "Kes" nicht nur eine Zum Inhalt: Coming-of-Age-Geschichte, sondern auch eine düstere Studie über das Bergarbeitermilieu. Berühmt für seine politisch engagierten Arbeiterdramen entwickelt Loach in seinem zweiten Spielfilm den Stil eines sozialen Realismus, der für seine späteren Arbeiten kennzeichnend werden sollte: eine diskret-distanzierte Kameraführung, eine natürliche Zum Inhalt: Lichtgestaltung, Aufnahmen an Originalschauplätzen (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set), sowie die Arbeit mit unbekannten oder nicht professionellen Schauspielern, die Personen darstellen, die sie im wirklichen Leben sind. Visuell vermittelt der sparsame Einsatz des Lichtes einen realistischen Eindruck; das ruhige Beobachten des Kameramannes Chris Menges lässt Protagonisten und Publikum viel Raum.

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