Komisch seien sie geworden, die anderen Kinder aus ihrer Klasse. Leas beste Freundin Lara fragt sich plötzlich, mit welchem Jungen sie am liebsten gehen würde. Sie will nicht mehr wie sonst mit ihr ins Ferienlager. Lara und auch die anderen Mädchen tragen – im Gegensatz zu Lea – plötzlich BHs und schminken sich. Die zehnjährige Lea hingegen wendet sich in diesem Sommer einer "Jungsbande" zu, in die bisher noch nie ein Mädchen aufgenommen wurde.

Die Jungen in Zum Filmarchiv: "Königin von Niendorf" tragen klassisch Zum Inhalt: blaue Kleidung, Lea wiederum ein leuchtend rotes T-Shirt. Doch so deutlich die Zum Inhalt: Farbdramaturgie Jungen und Mädchen hier trennt, so wenig ordnet sich die Protagonistin Lea Rollenklischees unter. Ihre Klassenkameradinnen orientieren sich an Frauenbildern und experimentieren mit diesen. Die Jungen der Bande versuchen wiederum, sich von Mädchen abzugrenzen. Lediglich für Lea spielen Geschlechterkategorien keine Rolle. Sie macht sich keine Gedanken darum, welche Erwartungen sie durch ihr Verhalten erfüllen muss. Was soll falsch daran sein, auf Baumhäuser zu klettern oder auf einem selbst gebauten Floß über einen Teich zu schippern, wenn es Spaß macht?

Königin von Niendorf, Szene (© UCM.ONE GmbH)

Rollenmodelle und Identifikationsangebote

Im Gegensatz zu Zum Inhalt: Kinderfilmen, die ein überwiegend männliches oder weibliches Publikum im Blick haben, etwa die - oder -Reihe, bietet "Königin von Niendorf" mit Lea eine Protagonistin, die Anknüpfungspunkte und Identifikationsangebote für alle Kinder bereithält. Den Mitgliedern der Bande jedenfalls beweist sie mit leichter Hand, dass ein Mädchen viel mutiger sein kann, als diese es sich jeweils vorgestellt hätten. Ohne dass es zu einer dramatischen Auseinandersetzung kommt, stellt sie zudem bald das Machtgefüge innerhalb der Bande auf den Kopf und entthront den Bandenchef. Exemplarisch zeigt Joya Thomes Debütfilm damit, wie moderne Kinderfilme im besten Falle eine Vielzahl an Rollenmodellen für ihr Publikum bereithalten und sich nicht auf die Reproduktion stereotyper Muster beschränken. Ihr Film steht damit in der Tradition von Filmen wie etwa , oder auch den Zum Inhalt: Zeichentrickfilm .

Diversifizierung weiblicher Figuren – auch bei Disney?

Je vielfältiger die Rollen-Angebote in Kinderfilmen sind, desto größer wird der Möglichkeitsraum: So wenig, wie ein Mädchen immer zum hübschen "love interest" in einer Gruppe werden muss, so wenig muss ein Junge immer Stärke beweisen und cool sein. Zeichnen sich die Zeichentrickfilme von Hayao Miyazaki schon seit aus dem Jahr 1984 durch ihre ebenso starken und selbstbewussten wie verletzlichen Protagonistinnen aus, so vereinen zeitgemäße junge Filmheldinnen und -helden Merkmale, die früher als "typisch für Jungen" oder "typisch für Mädchen" galten – oder spielen ironisch mit den Erwartungen. Im Kinder-Heist-Movie beispielsweise wird die mutige Titelheldin gleich von zwei Jungen umschwärmt. Für einen von ihnen entscheiden muss sie sich deshalb allerdings nicht. Und selbst im von zahlreichen Prinzessinnenfiguren geprägten Disney-Universum entstand mit der Zum Inhalt: Computeranimation Zum Filmarchiv: "Merida", die im Hochmittelalter in Schottland spielt, ein Film mit einer wunderbar widerspenstigen und energischen Protagonistin.

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Prägten in frühen Disney-Filmen wie "Schneewittchen und die sieben Zwerge" oder "Cinderella" noch missgünstige Hexen oder schöne, aber auf die Hilfe von Männern angewiesene Figuren das Frauenbild, so nimmt Merida ihr Schicksal selbstbewusst in die Hand, als sie von ihrer Mutter gegen ihren Willen verheiratet werden soll. Hinterfragt werden sollten die jeweils angebotenen Geschlechterrollen trotzdem. Denn auch Prinzessin Anna aus dem Disney-Blockbuster "Die Eiskönigin – Völlig unverfroren" (USA 2013) wird zunächst als durchaus tapfer und selbstständig charakterisiert und funktioniert als Vorbild für ein Mädchenpublikum. Andererseits konterkariert der Animationsfilm die starke Heldin durch ihr Aussehen. Mit ihrer Sanduhrfigur und den makellosen Gesichtszügen repräsentiert Anna ein fragwürdiges Rollenbild, das sich im einseitigen Merchandising-Sortiment zum Film umso mehr verfestigt. Altbacken sind Filme wie "Die Eiskönigin" in ihren Geschlechterdarstellungen zwar nicht mehr, wirklich differenziert allerdings auch nicht: Je nach Sichtweise lassen sich also sowohl Aspekte eines traditionellen als auch eines modernen Geschlechterbilds erkennen.

Spielerischer Umgang mit sozialen Codes und Identitätszuschreibungen

Die vielleicht schönsten Auflösungen von Geschlechterklischees jedoch lassen sich vor allem in Arthouse-Filmen finden, die zwar nicht in erster Linie für ein Kinderpublikum gedreht wurden, sich jedoch so sensibel auf Augenhöhe mit den jungen Heldinnen und Helden begeben, dass sie auch für Kinder im Alter der Filmfiguren funktionieren. Wenn der Protagonist in Zum Filmarchiv: "Billy Elliot – I Will Dance" die Boxhandschuhe gegen die Ballettschuhe tauscht und damit nicht nur zum Außenseiter unter den Gleichaltrigen wird, sondern auch noch seinen konservativen Vater gegen sich aufbringt, dann stellt der Film viele kluge Fragen über Verhaltensweisen und Geschlechterrollen, die sich nicht auf die Frage nach sexuellen Identitäten reduzieren lassen.

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Auch und erzählen von Kindern, die spielerisch durch Verkleidungen die Rollen wechseln und erproben. Die kurzhaarige, zehnjährige Laure aus "Tomboy" gibt sich als Michael aus. Es beginnt ein Rollenspiel, das illustriert, was es bedeutet, als Junge oder Mädchen wahrgenommen zu werden. Und in "Mein Leben in Rosarot" erfährt der siebenjährige Ludovic mit aller Härte, wie starr die Grenzen zwischen Jungen und Mädchen sind, weil niemand seinen Wunsch ernst nimmt, sich wie ein Mädchen zu kleiden. Für ein erwachsenes Publikum, das andere Nuancen wahrnimmt, steht vermutlich der "gender trouble" im Mittelpunkt der Geschichten. Für Kinder erzählen sie, dass es in der Welt so viel mehr geben kann als nur coole Jungs und sensible Mädchen.

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