Es gibt viele internationale Rechtsinstrumente, die auf den Schutz von Kindern in der Migration abzielen. Dennoch leiden Migranten- und Flüchtlingskinder weiterhin unter Menschenrechtsverletzungen.

Wichtiger Hinweis:

Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine gekürzte Fassung des gleichnamigen Artikels von Jacqueline Bhabha, der am 06.11.2018 auf Zum externen Inhalt: bpb.de (öffnet im neuen Tab) erschienen ist.

Überall auf der Welt beteiligen sich zahlreiche Kinder und Jugendliche an grenzüberschreitenden Migrationen. Die Umstände, unter denen sie migrieren, sind ebenso verschieden wie ihre Bedürfnisse nach internationalem Rechtsschutz. Während viele junge Menschen zusammen mit ihren Eltern oder anderen Verwandten die Grenze überqueren, reist ein erheblicher Teil völlig alleine oder in der Gesellschaft von nicht verwandten Erwachsenen, einschließlich Schleuser/-innen oder Menschenhändler/-innen. Einige Kinder ziehen wegen der Arbeit ihrer Eltern um, andere sind gezwungen zu fliehen, um Verfolgung oder Krieg zu entgehen. Einige Kindermigrant/-innen reisen sicher mit einem legalen Status; andere reisen ohne Visum oder vorherige Erlaubnis, oft unter gefährlichen und missbräuchlichen Bedingungen. Für einige Kinder führt Migration zu sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen in ihrem neuen Leben, einschließlich der Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern und dem Zugang zu hochwertiger Schul- und Gesundheitsversorgung. Für andere geht Migration mit sozialer Isolation oder dem Risiko von Ausbeutung und wirtschaftlicher Not einher. Angesichts dieses breiten Spektrums verschiedener Arten der Migration von Kindern variiert die Bandbreite der rechtlichen Schutzmaßnahmen, die Kinder benötigen. Für viele kann internationaler rechtlicher Schutz ein wichtiges Sicherheitsnetz sein, das den Unterschied zwischen ernsthafter Gefahr und Leiden oder einem durch Rechte geschützten Leben ausmacht.

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Internationale Schutzinstrumente für Kinder- und jugendliche Migranten

Kindermigrant/-innen haben unabhängig von ihren Lebensumständen Anspruch auf eine breite Palette von internationalen Bestimmungen zum Schutz ihrer Menschenrechte. Dieser Schutz ergibt sich aus einer Vielzahl internationaler Rechtsinstrumente, die zusammen das gegenwärtige Menschenrechtsregime bilden. Die Gesetze beinhalten allgemeine Übereinkommen, die die bürgerlichen und politischen Rechte aller Menschen schützen, wie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, das Recht auf Glaubensfreiheit und das Recht auf Schutz vor Diskriminierung wegen seiner Rasse, Nationalität, seines Geschlechts oder eines anderen sozialen Status. [1] Zu den rechtlichen Maßnahmen zählen auch Übereinkommen, die die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte aller Menschen schützen, wie das Recht auf kostenlose Grundschulbildung und "das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit". [2] Zusätzlich zu diesen allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen gibt es spezielle Übereinkommen, die sich mit den Rechten bestimmter Zielgruppen befassen. Zu den Übereinkommen, die für minderjährige Migrant/-innen besonders relevant sind, zählen

  • das UN-Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (und das dazugehörige Protokoll von 1967), welches festlegt, wer als Flüchtling gilt;

  • die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen von 1990, die Schutzmaßnahmen für Migrant/-innen und ihre Kinder unabhängig von ihrem rechtlichen Status festlegt

  • und zwei UN-Übereinkommen zur Staatenlosigkeit, die darauf zielen, das Vorkommen von Staatenlosigkeit zu verringern und Schutz für staatenlose Menschen, einschließlich Kinder, zu bieten. [3]

Alle genannten Rechte und andere für minderjährige Migrant/-innen relevante Rechte wurden in einem einzigen Instrument festgeschrieben: der UN-Konvention über die Rechte des Kindes von 1989. Von den vielen internationalen rechtlichen Schutzbestimmungen, auf die Kindermigrant/-innen Anspruch haben, gehen einige der wichtigsten auf grundlegende Prinzipien zurück, die für alle Kinder gelten und für alle Staaten verbindlich sind, die die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben (alle Staaten der Welt mit Ausnahme der Vereinigten Staaten).

Drei Bestimmungen sind hervorzuheben. Die erste ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Er verbietet es Staaten, Kinder aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer nationalen Herkunft oder ihres rechtlichen Status unterschiedlich zu behandeln. [4] Maßnahmen, die Migranten- oder undokumentierte Kinder aus der Grundschule ausschließen oder deren Zugang zu medizinischer Notfallversorgung einschränken, würden mit dieser Bestimmung in Konflikt geraten. Das zweite ist das Prinzip des Kindeswohls. Es besagt, dass Staaten bei allen Handlungen, die das Kind betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigen müssen. [5] Für Migrantenkinder bedeutet das, dass Staaten, die eine Einwanderungs- oder Flüchtlingsentscheidung treffen, bei der Entscheidung das Interesse des Kindes beurteilen und berücksichtigen müssen. Staaten, die Migrantenkinder von ihren Familien trennen, die asylsuchende Kinder in Gewahrsam nehmen, die unbegleiteten Kindern den Zugang zu unentgeltlicher Rechtsvertretung oder Vormundschaft verwehren, wenn sie komplizierte und ungewohnte administrative oder rechtliche Verfahren durchlaufen, verletzen den Grundsatz des Kindeswohls. Ein drittes grundlegendes Prinzip in der Kinderrechtskonvention, das für Migranten- und Flüchtlingskinder von großer Bedeutung ist, ist der Grundsatz der Gewährleistung eines Rechts auf legale Identität. Dieses umfasst das Recht auf Geburtenregistrierung unmittelbar nach der Geburt, das Recht auf einen Namen und das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. [6] Transit- oder Zielländer, die asylsuchende Familien beherbergen, verstoßen gegen diese Bestimmung, wenn sie die Geburt von Kindern nicht in ein Register eintragen oder Kindern, die in ihrem Hoheitsgebiet geboren wurden und sonst staatenlos wären, das Recht auf ihre Staatsangehörigkeit verwehren.

Abgesehen von diesen allgemeinen Grundsätzen werden Migranten- und Flüchtlingskinder durch spezifischere Bestimmungen geschützt, die für ihre Bedürfnisse besonders relevant sind. Zum Beispiel legt die Kinderrechtskonvention detailliert die Rechte von asylsuchenden und Flüchtlingskindern fest. Dazu zählen das Recht auf "angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe", Unterstützung bei der Suche nach Familienmitgliedern, wenn sie von ihnen getrennt worden sind, und die Bestimmung, ihnen "denselben Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das (...) aus seiner familiären Umgebung herausgelöst ist." [7] Dies bedeutet, dass unbegleitete minderjährige Migrant/-innen zumindest ebenso beschützend und großzügig behandelt werden sollten wie einheimische Kinder, die nicht in Familien leben.

Befolgen Staaten die Vorschriften zum Schutz von Migrantenkindern oder dominieren in der Praxis Interessen zur Kontrolle von Migration? Trotz des soliden Fundaments des geltenden Völkerrechts, das die Rechte von Migranten- und Flüchtlingskindern schützt, haben viele Menschenrechtsverletzungen weiterhin schwerwiegende Folgen für ihr Leben. Überall auf der Welt, ob sie nun in Flüchtlingslagern oder in großen Metropolen leben, ob sie von Familienmitgliedern begleitet werden oder alleine überleben, ob sie sich noch im Transit befinden oder bereits an ihren Zielorten angekommen sind, sind viele Migranten- und Flüchtlingskinder mit beständiger Not konfrontiert. Jährlich kommen Kinder auf der Flucht ums Leben; sie ertrinken z.B. bei dem Versuch, in Schlauchbooten über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

Die Inhaftierung von minderjährigen Migrant/-innen, um künftige Zuzüge zu verhindern und eine Rückführung zu ermöglichen, ist ebenfalls ein weit verbreitetes Problem. Selbst wenn sie sich nicht in Haft befinden, leben viele Migranten- und asylsuchende Kinder in einem schwierigen Umfeld – in Lagern, in denen sie keine Bildungschancen oder Zukunftsperspektiven haben; in städtischen Gebieten, in denen sie mit Schwierigkeiten beim Zugang zu hochwertigen Schulen, Lehrstellen oder Berufsausbildungsmöglichkeiten konfrontiert sind; in Unterkünften, wo sie Isolation und oft Depressionen erleben. Die Möglichkeiten für Inklusion, körperliche und mentale Unterstützung und Bildungsfortschritte, die die Kinderrechtskonvention vorschreibt, sind in der Praxis oft schwer erreichbar; sie sind keine Priorität für Staaten, die sich mit einer fremdenfeindlichen Wählerschaft und Forderungen nach der Ausgrenzung von Migranten konfrontiert sehen.

Ausblick

Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch einige positive Entwicklungen. Überall auf der Welt beginnen Kindermigrant/-innen, sich zu organisieren und ihre Meinungen und Wünsche zu artikulieren. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist die "daca-mented"-Bewegung von jungen Menschen in den USA, die nicht über einen regulären Einwanderungsstatus verfügen, die aber aufgrund ihrer langen Wohnsitz- und Beteiligungsdauer als de facto Amerikaner/-innen ein Recht auf rechtliche Inklusion im Land beanspruchen. Weitere Beispiele für Handlungsmacht von Kindermigrant/-innen sind die Demonstrationen der afghanischen Jugend in Schweden, das Engagement von jugendlichen Migrant/-innen und Flüchtlingen in sozialen Medien und Rundfunkaktivitäten in Deutschland und die Führungsrolle, die junge Migrant/-innen bei internationalen Zusammenkünften zu Migrationsthemen einnehmen. Man kann hoffen, dass die Rechte und die Stimme der jüngsten Migrant/-innen die Bedeutung und den Schutz erhalten werden, den sie verdienen, und das starke Vermächtnis der internationalen Menschenrechtsnormen schließlich in eine auf Rechten basierende Praxis vor Ort umgesetzt wird. Nur dann werden die frühen Bestrebungen nach Inklusion, Nichtdiskriminierung und dem Schutz des Kindeswohls für alle Kinder verwirklicht.

Fußnoten

[1] Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/ (Zugriff: 17.7.2018).
[2] Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, Art. 12. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/ (Zugriff: 17.7.2018).
[3] Siehe das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961. https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/ (Zugriff: 17.7.2018).
[4] Kinderrechtskonvention Art. 2.
[5] Kinderrechtskonvention Art. 3.
[6] Kinderrechtskonvention Art. 7 & Art. 8.
[7] Kinderrechtskonvention Art. 22.

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