Kategorie: Hintergrund
Eine Reise durchs Leben
Warme Milch, einen guten Freund, ein zärtliches Streicheln – Marona braucht nicht viel zum Glücklichsein. Ihre Geschichte zeigt uns Menschen, worauf es im Leben ankommt.
Manchen Filmen gelingt es, uns zum Nachdenken zu bringen, zum Beispiel darüber, was Glück eigentlich ist und wie es sich anfühlt. Oder darüber, wer wir sind und wo wir herkommen. Oder über unsere Familie, unsere Freundinnen und Freunde. Themen wie diese werden ohne erhobenen Zeigefinger in dem Zum Inhalt: Zeichentrickfilm Zum Filmarchiv: "Die fabelhafte Reise der Marona" ("L'Extraordinaire Voyage de Marona" , Anca Damian, RO/FR/DE 2019) angesprochen. Der folgende Text greift einige davon heraus und lädt zu einer Reise an der Seite von Marona durchs Leben ein. Er kann entweder vorgelesen oder von Kindern ab 9 Jahren selbst gelesen werden.
Kannst du dich daran erinnern, mit welcher Zum Inhalt: Szene der Film "Die fabelhafte Reise der Marona" beginnt? Wir sehen von hoch oben (Glossar: Zum Inhalt: Kameraperspektiven) aus betrachtet eine Straße und ein bremsendes Auto. Als dieses weiterfährt, ist ein Hund zu erkennen, der verletzt auf der Straße liegt. Dazu hören wir die Stimme einer Erzählerin: "Das ist der Nullpunkt vom Nullpunkt. Wenn du zum Nichts wirst. Nichts als ein Fleck auf dem Asphalt. Ohne Vergangenheit, ohne Namen, ohne Zukunft." Ein Mädchen rennt auf die Straße. Es weint und legt sich zu der Hündin. Während die Autos um beide herumfahren, stirbt die Hündin.
Ist das nicht ein furchtbarer Anfang für einen Film? Denn normalerweise überleben doch die Heldinnen und Helden in einem Film fast alles. Märchen enden sogar mit dem Satz "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute". In diesem Zum Inhalt: Zeichentrickfilm ist es anders. Warum nur? Und was macht das mit all denen, die sich den Film ansehen?
Was hat das Sterben mit dem Leben zu tun?
Im Alltag denken wir meistens nicht gerne über das Sterben und den Tod nach und verschließen lieber die Augen davor. Früher hingegen, als alte und junge Menschen in Großfamilien näher beieinander gewohnt haben, die medizinische Versorgung noch nicht so gut wie heute und die Lebenserwartung der Menschen kürzer war, war der Tod viel sichtbarer. Er war ein normaler – wenn auch trauriger – Teil des Lebens.
Auch der Tod der Heldin in "Die fabelhafte Welt der Marona" macht traurig. Aber er wird im Film nicht als schrecklich oder beängstigend dargestellt. Einfühlsam und berührend erzählt der Film über das Abschiednehmen. Wichtig dabei ist, dass Marona, die ihre Geschichte selbst erzählt, dabei keinen Groll empfindet. Sie blickt vielmehr zurück auf ihr Leben und erinnert sich an alles, was sie erlebt hat – Schönes wie auch Trauriges. Und: Sie hat im Leben anderer Menschen Spuren hinterlassen und andere glücklich gemacht. Wie werden der Artist Manole, der Ingenieur Istvan, die blauhaarige Solange, ihre Mutter und ihr Opa sich an den kleinen Hund erinnern? Ist der Tod wirklich das Nichts, das Marona befürchtet?
Was ist Glück?
Was meinst du: Ist Marona glücklich, als sie noch einmal "den Film ihres Lebens" vor ihrem inneren Auge vorbeiziehen lässt? Sicherlich, sie erzählt auch davon, was nicht gut war. So wurde sie etwa von ihrer Familie getrennt oder hat immer wieder Menschen verloren, die ihr eine Zeit lang wichtig waren. Aber Marona zeigt im Film auch, dass Glück ganz klein und für jeden etwas Anderes sein kann. Für sie hat Glück beispielsweise die Form der Zahl Neun und schmeckt nach Milch. Es ist "eine große, warme, nasse Zunge", die ihre Probleme wegwäscht, denn darin zeigt sich für Marona Liebe. Sie spürt, dass ihre Mutter für sie sorgt und auf sie aufpasst. Dafür findet Marona eigene, besondere Worte. Gibt es auch in deinem Leben etwas scheinbar Kleines und Flüchtiges, das dich glücklich macht? Und wie fühlt sich für dich Glück an? Verschwimmt dann alles so wie in dem Zeichentrickfilm? Hast du dann auch den Eindruck, wie die kleine Hündin frei zu schweben?
Im Film kommen unterschiedliche Vorstellungen von Glück zur Sprache. "Bei den Hunden ist das Glück etwas ganz anderes als bei den Menschen", stellt Marona fest. "Wir wollen, dass alles genauso bleibt, wie es ist. Die Menschen hingegen wollen immer etwas Neues. Sie nennen es träumen." Der Akrobat Manole ist nicht zufrieden, mit dem, was er hat. Er möchte mehr, etwa Anderes und kann sich im entscheidenden Moment nicht entscheiden. Soll er Marona zurücklassen, um beim Zirkus arbeiten zu können und damit seinen Traum zu verwirklichen? Marona, die sein Unglück spürt, lebt dagegen im Hier und Jetzt. Denn was passiert, wenn das Glück immer nur dort zu finden ist, wo man gerade nicht ist? Können Träume auch unglücklich machen?
Was ist Reichtum?
Der Artist Manole bezeichnet sich als arm. Damit meint er, dass er nicht viel Geld verdient. Wäre er reich, so sagt er, würde er für Marona viel und leckeres Essen kaufen. Marona hat dagegen eine andere Vorstellung von Reichtum: Sie hat ein Zuhause, einen Freund, der für sie da ist und der ihr einen Namen geschenkt hat. Es geht ihr gut. Wie viel reicher kann man also sein? So vergleicht der Film zwei Vorstellungen von Reichtum. Einerseits kann damit Geld gemeint sein (das einem viele Dinge im Leben ermöglichen kann). Andererseits aber gibt es auch einen Reichtum, der sich nicht in Geld messen lässt und sich vielmehr auf die Gefühle bezieht. "Mit Manole war ich im siebten Himmel", sagt Marona – ein unbezahlbarer Reichtum, der hier nichts anderes ist als: Glück.
Wie wichtig ist ein Name?
Zu Beginn des Films stellt sich die Hündin als "Welpe Nummer 9" vor. Eine Zahl als Name? Das klingt lieblos, denn es bedeutet, dass man nicht mehr ist als ein Teil einer Reihe. Viel mehr Herz beweisen die anderen Menschen, auf die die Hündin trifft und die ihr Namen geben: Erst heißt sie Ana, dann Sara, dann Marona. Bleibt sie trotzdem dieselbe? Ganz sicher. Die Namen begleiten sie bei verschiedenen Abschnitten in ihrem Leben. Für uns Menschen ist es trotzdem gut, unsere Vornamen zu behalten. Sie geben Sicherheit und helfen uns dabei, über uns selbst zu sprechen und für andere ansprechbar und erkennbar zu sein. Die Namen, die wir tragen, verbinden uns zudem mit unseren Eltern und Familien. Sie sind ein Ausdruck von Liebe und Zugehörigkeit. Einen Namen zu haben, ist auch ein Zeichen: Das bin ich.