Kategorie: Hintergrund
Wes Anderson
Ein Regisseur mit Stil
Ein eigenwilliger Blick – Die Filme von Wes Anderson kreisen um den Zusammenhang des meist sonderbaren Einzelnen mit der Gesellschaft.
Stil als Markenzeichen
Das erste, was an den Filmen von Wes Anderson auffällt, ist ihre Wiedererkennbarkeit. Es braucht nur wenige Einstellungen, um einen Anderson-Film eindeutig zu identifizieren, nicht zuletzt auch, weil er wiederholt mit Schauspielern wie Owen Wilson, Bill Murray oder Jason Schwartzman zusammenarbeitet. Diese besondere Wiedererkennbarkeit kennzeichnet seine Filme gegenüber denen der meisten anderen Regisseure/innen des US-amerikanischen Gegenwartkinos. Anderson hat eine deutliche Autorenhandschrift, einen prägnanten Stil, der selbst die unterschiedlichen, weit voneinander entfernten Handlungsorte seiner bislang sieben Filme einander angleicht. Es ist ein Stil, der, völlig unabhängig von Genres, in weniger als zehn Jahren zu einem Markenzeichen im zeitgenössischen Kino geworden ist.
Sonderbare Menschen, sonderbare Orte
Es ist dabei vollkommen egal, ob die Handlung der Filme im kleinstädtischen Cleveland (Rushmore, USA 1998), im urbanen New York (, The Royal Tenenbaums, USA 2001), im Indischen Ozean (, The Life Aquatic, USA 2004) oder auf einer Reise durch Indien ("Darjeeling Limited" , The Darjeeling Limited, USA 2007) stattfindet. All diese Orte werden von Andersons Figuren und ihrer speziellen Tragikomik zu etwas Eigenem, Sonderbarem verwandelt. So wird das College in zur Kulisse für die manischen Selbstverwirklichungen der Hauptfigur Max Fischer und in macht Steve Zissou, ein anachronistischer Tauchfilmregisseur, ein Forschungsschiff zu einem schwimmenden Refugium für sich und seine treue Entourage. Die Waggons des Zuges Darjeeling Limited, in dem drei seltsam unähnliche Brüder eine spirituelle Reise durch Indien unternehmen, eignen sich die Helden zunehmend als persönliche Behausung an. Und selbst in Zum Filmarchiv: "Der fantastischen Mr. Fox" (Fantastic Mr. Fox, USA 2009) findet sich in der unermüdlichen architektonischen Wühlarbeit des Fuchses diese transformatorische Energie der Figuren wieder.
Ein Anti-Realist
Trotzig wird in Wes Andersons Filmen gegen die Hemmnisse, Gefahren und Widersprüche der äußeren Welt mit individuellem Stil angegangen. Die Handlungsorte werden so zur Kulisse der speziellen, bisweilen bizarren "inneren Ausstattung" der Charaktere. Wes Anderson zeigt sich dabei als ein emphatischer Anti-Realist, der seine Figuren nie von ihrer äußeren Umwelt prägen lässt. Stattdessen versuchen die Figuren in seinen Filmen ihre Umwelt nach ihren Vorstellungen zu prägen. Bisweilen bis zur völligen Verausgabung.
Liebe zum Detail
Diese Betonung des Stils findet sich auch auf der visuellen Ebene der Filme Andersons. Sie sind geprägt von einem bis in das kleinste Detail ausgesuchten Zum Inhalt: Production Design/AusstattungProduction Design, das immer wieder von akzentuierten Zum Inhalt: KamerabewegungenReißschwenks oder wie gerahmt wirkenden Einstellungen hervorgehoben wird. Aufwendige, logistisch komplizierte Zum Inhalt: KamerabewegungenKamerafahrten finden sich in jedem seiner Filme. Plötzliche Verlangsamungen durch Zum Inhalt: Zeitraffer/ZeitlupeZeitlupe, von eigenwillig ausgewählter Zum Inhalt: FilmmusikPopmusik bestimmte Zum Inhalt: MontagesequenzMontage-Sequenzen, aber auch Zum Inhalt: VoiceoverOff-Erzählerstimmen oder Kapitel-Einteilungen betonen die Gemachtheit der Filme. Oft treten die Geschichten dabei hinter ihrer Aufführung und den einzelnen stilistischen Elementen ihrer Darstellung zurück, was Anderson von vielen Seiten den Vorwurf des Manierimus einbrachte. Als Regisseur ist Anderson kein Vertreter eines konventionellen Identifikationskinos. Selten werden die Zuschauenden bei ihm vollkommen von der Handlung absorbiert. Anderson zieht sein Publikum nicht identifikatorisch in die Geschichten hinein. Anstelle von mitreißenden Handlungen und Gegenhandlungen betonen seine Filme die Eigenwilligkeit der Figuren und ihren stilbetonten individuellen Blick auf die Welt. Daher wirken die Plots bisweilen eher wie das - von logischen Sprüngen und Widersprüchen bestimmte - abenteuerliche Beiwerk der Schrullen, Spleens und komplizierten Eigenarten, mit denen seine Protagonisten/innen ausgestattet sind.
Die Welt da draußen
Dieser Wille zum individuellen Stil findet sich nicht nur auf der Seite des Regisseurs. Auch die Figuren in seinen Filmen haben eine Stil betonende Perspektive auf die Welt. Wie Mr. Fox, der die Wirklichkeit um ihn herum trotzig als Herausforderung an seine erfindungsreiche Tatkraft auffasst. Bei all seinem lässigen Understatement droht er aber immer wieder zu vergessen, dass er nicht alleine auf der Welt ist, sondern Teil eines sozialen Umfelds.
Das Ich in der Gemeinschaft
Alle Filme Wes Andersons kreisen schließlich um diesen Zusammenhang des Einzelnen mit der Gesellschaft. Wie gelingt es dem Individuum mit seinen egoistischen Wünschen in einer Gemeinschaft zu leben mit anderen, die die individuellen Ausprägungen tendenziell behindern oder beschränken? Zur Beantwortung dieser Frage kehrt Anderson immer wieder zum Modell der Familie zurück. So ist Max Fischer, die Hauptfigur in , nicht gewillt, das aristokratische College zu verlassen, in dem er, wie in einer Ersatzfamilie, geschützt durch Traditionen und ihre Rituale, jede seiner vielfältigen Neigungen bis zur Perfektion ausleben kann. Und auch die neurotischen, depressiven und hyperaktiven Mitglieder der Tenenbaums in ziehen sich nach und nach allesamt zurück in den vermeintlich schützenden Raum der Familie.
Am Ende: Utopie
Jede dieser brüchigen Familien – sei es eine biologische oder eine selbst gewählte – ist dabei auf ihre je eigene Weise unglücklich und fragil. Doch genau in diesem fragilen, scheinbar "dysfunktionalen" Zusammenhang zeichnet sich für Anderson die Hoffnung eines möglichen gemeinschaftlichen Zusammenlebens ab. So steht in jedem seiner Filme zum Schluss eine Utopie, in der die einzelnen psychischen Unzulänglichkeiten durch das gegenseitige Akzeptieren unterschiedlicher Lebensstile erträglich werden.