Die schmächtige Anne besucht nach dem Umzug ihrer Familie eine neue Schule. In der fünften Klasse hat die resolute Tilla das Kommando. Die neue Schülerin ist Tilla von Beginn an unsympathisch. Sie nutzt jede Gelegenheit, um Anne zu demütigen. Diese widersetzt sich den Schikanen des stärkeren Mädchens jedoch, weshalb Tilla nach einer Auseinandersetzung um einen Fisch Annes Fahrrad demoliert. Später setzt sie den etwas einfältigen Knutschi und ihre „Fahrrad-Gang“ auf die Neue an. Währenddessen findet Anne in Felix einen guten Freund an der neuen Schule. Annes Stärke besteht in ihrer Wortgewandtheit, mit der sie einmal sogar Knutschi vor dem Klassenlehrer in Schutz nimmt. Emotionale Sicherheit gewinnt sie durch ihre Kreativität im Schreiben und Malen, was ihr bei der Bewältigung von Konfliktsituationen hilft. In ihrer Fantasie flüchtet Anne sich in eine Traumwelt, in der sie auf dem Rücken des von ihr geretteten Fisches über die Stadt fliegt.

Filmische Elemente – Konzentration auf das Wesentliche

Die DEFA-Produktion von 1982 im heute nicht mehr gängigen 4:3-Format (Glossar: Zum Inhalt: Bildformate) basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Rosel Klein. Der Film konzentriert sich auf die Titelfigur Tilla und die neue Klassenkameradin Anne und beschreibt ihre Konflikte und Versagensängste sowie Handlungs- und Lösungsstrategien in Schule, Familie und während der Freizeit. Das erzählerische Mittel des inneren Monologs erlaubt dabei immer wieder einen Perspektivwechsel zwischen den beiden Mädchen. Die verschiedenen Konfliktsituationen auf dem Schulhof, im Klassenzimmer, am Kanal oder im Elternhaus helfen Schülerinnen und Schülern, die Verhaltensweisen der Figuren zu verstehen, um so Schikanen und ausgrenzendes Verhalten unter Kindern rechtzeitig zu erkennen. Die inneren Monologe werden am Ende des Films durch einen längeren Dialog zwischen Anne und Tilla abgelöst. Dieses klärende Gespräch deutet an, dass aus den Kontrahentinnen nunmehr Freundinnen werden können. Im Unterricht kann anhand dieser Szene das Verhältnis zwischen Selbst- und Außenwahrnehmung thematisiert werden.

Einsatzmöglichkeiten des Films

"Die dicke Tilla" bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten, um sich im Rahmen des Schulunterrichts oder eines Projekttages mit Konflikten zu beschäftigen, die unter Kindern im Grundschulalter häufig zu Mobbing-Situationen führen. Da der Film keine starren Täter- und Opferrollen definiert, kann im Sinne des No Blame Approach, bei dem es um die Lösungssuche ohne das Formulieren von Schuldfragen geht, nach Ursachen für das Täterverhalten gesucht werden. Genauso sollte aber auch auf Opferstrategien wie Annes Flucht in eine Traumwelt eingegangen werden. Das Verhalten der Mitläufer und Wegschauenden zeigt den Schülerinnen und Schülern, dass das Ignorieren von Mobbing keine Verhaltensalternative ist.

Differenzierte Figurencharakterisierungen

Anne sagt im Film: "Freundschaft ist, wenn man sich gut leiden kann und sich freut, dass man sich sieht." Tilla entgegnet: "Richtige Freundschaft muss auch richtig nützen." Eine Diskussion oder eine selbst erdachte Fortsetzung der Filmhandlung könnte diese konträren Aussagen weiterführen: Anne und Tilla – ziemlich beste Freundinnen? Dabei finden Filmsequenzen besondere Beachtung, die Tillas Hintergrundgeschichte erhellen. Sie ist nicht nur das „böse Mädchen“, ihre Mutter hat die Familie verlassen. Nun leidet Tilla unter dem Druck des Vaters, neben der Schule auch für den Haushalt in der Plattenbauwohnung sorgen zu müssen. Zu Hause wird sie wiederum von ihren größeren Brüdern schikaniert. Die Schülerinnen und Schüler sind angehalten, den Konflikt, den Tilla in ihren vielen Rollen durchlebt, genau zu beschreiben. Welche Traumgeschichte würde Tilla wohl erzählen? Und welche Bilder malen? Was würde sie einem geheimen Tagebuch offenbaren?

Auch das Urteil über Anne darf differenziert ausfallen: Als Türsteherin "schleimt" sie sich beim Klassenlehrer ein, in Streitszenen trägt sie nicht zur Deeskalation bei, sondern wendet selbst Gewalt an. Auch ihre Rolle als verwöhntes Einzelkind, das nur schwer in der Lage ist, Kompromisse mit Gleichaltrigen einzugehen, sollte thematisiert werden. Besondere Beachtung gilt der Darstellung von Annes Traumwelt. Erscheint ihre Phantasie und die Kommunikation mit einem Fisch erst als eine Art Traumabewältigung, so stellt sie sich immer mehr als Flucht vor der Realität heraus. Sogar so weit, dass sie schließlich, als die Situation mit Tilla festgefahren scheint, suizidale Gedanken hat. Das anfängliche Kräftemessen der beiden Mädchen führt zu einer aus Annes Sicht ausweglosen Lage. Hierbei muss unbedingt erörtert werden, dass sich Anne spätestens an dieser Stelle hätte Hilfe holen müssen.

Wegschauen geht nicht!

Knutschi und Felix könnten dem Mobbing-Geschehen eine neue Wendung geben, aber auch sie bleiben unentschlossen: Knutschi ist anfangs noch Tillas williger Helfer, aber auch ihre wichtigste Vertrauensperson. Nur zögerlich versucht er Tilla davon abzuhalten, Anne zu schikanieren. Und Felix, der mit Anne Freundschaft schließt, tritt Tilla und ihren Unterstützern nicht selbstbewusst genug entgegen. Ähnlich problematisch sieht es mit den Erwachsenen aus: Strenge Erziehungsmethoden, überkommene Lebensweisheiten, Nicht-Wahrnehmen von Mobbingsituationen und mangelnde Krisenintervention kennzeichnen ihr Verhalten. Der Vater von Tilla bemerkt nicht, dass sie von den älteren Brüdern schikaniert wird. Auch der Klassenlehrer gibt sich zwar freundlich, aber übersieht die Konflikte in der Klasse. In den Beobachtergruppen können die Schülerinnen und Schüler untersuchen, wie die Erwachsenen das Verhalten der Kinder unbewusst unterstützen oder gar fördern. Dazu stellen die Lerngruppen das für den nächsten Tag angesetzte Gespräch zwischen dem Klassenlehrer, Tilla und Anne nach. Alternativ kann eine fiktive Klassenkonferenz einberufen werden, an der nicht nur Tillas Vater und Annes Eltern, sondern die Eltern aller Schülerinnen und Schüler teilnehmen. Denn der Film macht deutlich, dass das Wegsehen der Erwachsenen die Auswirkungen des Mobbings für die Kinder umso schlimmer machen.

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