Sophie, 15, und Dominik, 17, gehören zu den 6.500 Minderjährigen, die nach Angabe der Stiftung "Tapfere Kinder" in Deutschland offiziell auf der Straße leben, die Dunkelziffer ist viel höher. Im Sommer 2018 sind sie seit ungefähr einem halben Jahr ein Paar, schwer verliebt und versuchen zusammen, die Härten eines wohnungslosen Lebens zu bewältigen. Sie geben sich Nähe, bauen sich auf: "Kopf hoch, mein Prinz, sonst fällt die Krone runter", so Sophie, die ein Kind von Dominik erwartet. Ihr Revier ist die Gegend um den Görlitzer Park im Berliner Bezirk Kreuzberg (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set). Hier schnorren sie Leute an, rauchen, balgen sich, hängen mit Freunden ab und versuchen mit Flaschensammeln und Postkartenverkauf das Geld für den nächsten Döner zusammenzubekommen. Sophies Schwangerschaft und ein Gerichtstermin, der darüber entscheiden wird, ob Dominik für mehrere begangene Straftaten ins Gefängnis muss, verschärfen ihre Situation.

Die Regisseure Heiko Aufdermauer und Johannes Girke beobachten über einen Zeitraum von zwei Jahren kommentarlos die alltäglichen Routinen der Teenager. In Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) zeigt der Zum Inhalt: Dokumentarfilm ihre Intimität, aber auch die körperlichen Auswirkungen des Straßenlebens. Warum Sophie von zu Hause fort ist und wie Dominiks Leben bisher verlief, lässt sich nur aus den Telefonaten mit Eltern, Sozialarbeiter/-innen und aus Gesprächsfetzen erahnen. Der Fokus bleibt im Hier und Jetzt und wird immer aus der Perspektive von Sophie und Dominik erzählt. Die Zum Inhalt: Dramaturgie passt sich dabei dem sprunghaften Leben und Denken der beiden an – will Dominik in einem Moment nichts mehr mit seinem Betreuer zu tun haben, sehen wir ihn in der nächsten Zum Inhalt: Sequenz bereits wieder mit ihm sprechen. Zwischen Liebesschwüren und Beleidigungen träumt das junge Paar von einem Neustart in Frankreich, landet dann aber in einem "Kaff" in Brandenburg, wo es eine kleine Wohnung bezieht. Während Sophie sich auf ein neues Leben einstellt, driftet Dominik zunehmend in den Drogenkonsum ab. Das jeweilige Erleben von Schwangerschaft und Geburt wird in parallel angeordneten Sequenzen kontrastiv montiert (Glossar: Zum Inhalt: Montage). Die verstärkte szenische Einführung von Familienmitgliedern und Bezugspersonen im letzten Filmdrittel bricht die anfängliche Konzentration auf Sophie und Dominik als Liebespaar auf und betont damit ihr emotionales Auseinanderleben. Am Ende erleben wir die Perspektive des Neugeborenen: Die Eltern streiten. Ton gibt es dazu nicht. Ein neues Leben hat begonnen. Wie wird es verlaufen?

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Im Deutsch-, Kunst- und Ethikunterricht lässt sich filmanalytisch betrachten, inwiefern die Anwesenheit einer Kamera und eines Filmteams die gedrehten Situationen beeinflusst haben könnte. Besonders in dokumentarischen Arbeiten wie "Berlin Bytch Love" , der in einer "Fly-on-the-Wall"-Manier des Zum Inhalt: Direct Cinema realisiert wurde, stellt sich etwa in Bezug auf den gezeigten Drogenkonsum und übergriffige Momente, in denen Dominik Sophies Gefühle verletzt, die Frage, in welchem Machtverhältnis Filmende und Gefilmte zueinanderstehen und auf welcher Basis die Regie Entscheidungen trifft: Was wird gezeigt und was nicht? Der Film eignet sich als Einstieg, um sich in Politik und Sozialkunde eingehend mit dem Thema Obdachlosigkeit von Jugendlichen zu beschäftigen. Dabei lässt sich etwa diskutieren, wie Menschen, die auf der Straße leben, gesellschaftlich bewertet werden. Zugleich bietet der Einblick in ihr Leben Ansätze, um mit Schüler/-innen über eigene Zukunftsaussichten, Ängste und Vorstellungen von einer Paarbeziehung zu sprechen. Als Auftakt für einen Themenschwerpunkt Drogenprävention kann dieser Dokumentarfilm ebenfalls gewinnbringend sein.

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