Kategorie: Film
"Jazzfieber"
Ein dokumentarischer Streifzug durch die Geschichte des deutschen Jazz vom seinen Anfängen bis Heute.
Unterrichtsfächer
Thema
Vor rund 100 Jahren begann die wechselvolle Geschichte des deutschen Jazz. Unter vielen anderen stellt der Zum Inhalt: Dokumentarfilm deutschen Jazz-Legenden die entscheidende Frage: "Was ist Jazz?" Die einen sprechen Jazz mit "ä" und weichem "s" aus, die anderen betonen das "a" und schließen mit scharfem "z". Doch alle meinen jene mitreißende Tanzmusik, die ab den 1920er-Jahren auch hierzulande die Tanzpaläste und Theater eroberte. Von der gefeierten Freiheit in der Musik zum Verbot als "Entartete Kunst" ist es in "Jazzfieber" nur ein Blinzeln. Umso eindrucksvoller, wenn der jüdische Gitarrist Coco Schumann über die Nächte in Berliner Jazzclubs und seine späteren Erfahrungen im KZ Theresienstadt erzählt. In der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit verbreitet der amerikanische Soldaten-Sender AFN (American Forces Network) die neuesten musikalischen Strömungen, viele deutsche Jazz-Musiker können erstmals öffentlich auftreten. Mit der deutschen Teilung wird Jazz unterschiedlich rezipiert. Im Westen feiern Big Bands Erfolge, unter ihnen Max Greger, der die bis heute verwendete Titelmelodie für das Aktuelle Sportstudio (ZDF) komponierte. In der DDR hingegen gilt Jazz bis in die 1970er-Jahre als subversiv und muss sich auf das Erbe von Brecht und Weill beziehen. Danach wird auch Free-Jazz von der DDR-Kulturpolitik anerkannt.
Die rasante Reise durch die deutsche Jazzgeschichte ist als Zum Inhalt: Roadmovie inszeniert. Eigens für den Film finden sich junge Jazzmusiker/-innen zusammen und erarbeiten mit Stücken aus der Zeit zwischen den Weltkriegen ein Musikprogramm. Zu fünft fahren sie im Tourbus zu Auftritten, scrollen sich währenddessen mit ihren Tablets durch die Jazzgeschichte und kommentieren sie aus ihrer heutigen Perspektive. Parallel dazu zeigt "Jazzfieber" , wie Max Gregers Big Band in den 1960er-Jahren tourte. In sechs Kapiteln wie "Woher kommt der Jazz"" und "Jazz im Dritten Reich" liefern gründlich recherchiertes Archivmaterial (Glossar: Zum Inhalt: Found Footage) und Interviews (Glossar: Zum Inhalt: Talking Heads) mit deutschen Jazzmusikern der ersten Stunde (darunter die inzwischen verstorbenen Pianisten Paul Kuhn und Rolf Kühn, Klarinettist Hugo Strasser und Saxophonist Max Greger) den Content zum jeweiligen Thema. Konzertaufnahmen und TV-Beiträge runden die Kapitel ab. So entsteht eine unterhaltsame Collage (Glossar: Zum Inhalt: Montage), die dazu einlädt, die Materie zu vertiefen – 100 Jahre deutscher Jazz passen schlecht in 90 Minuten.
Jazzmusik ist äußerst facettenreich und in ihrem Ursprung von den Erfahrungen der afroamerikanischen Bevölkerung bestimmt wie Sklaverei, Entrechtung und Rassismus. Durchdrungen von Dissidenz und Freiheitsbestreben liefert sie ein Echo auf gesellschaftliche und politische Verhältnisse. Im Musikunterricht bietet sich eine genauere Betrachtung der unterschiedlichen Jazz-Stile an. Wie unterscheiden sich die Titel aus den 1920er-Jahren von jenen aus der Nachkriegszeit? Welcher Stil ist heute ausschlaggebend? Können die Schüler/-innen Rolf Kühns Erfahrungen nachvollziehen, der in der Nachkriegszeit akribisch US-amerikanische Jazz-Songs in ihre Noten zerlegte, sie nachspielte und vom Ergebnis maßlos enttäuscht war? Vor gesellschaftspolitischem Hintergrund lohnt sich die Beschäftigung mit den Widerständen, denen Musiker/-innen und Fans in der Nazizeit begegneten. Weshalb war deutsche Jazz-Musik zu den Olympischen Spielen 1936 noch geduldet und zwei Jahre später als "entartet" stigmatisiert? Spannend ist auch die Frage, welchen Imagewandel der Jazz in der DDR und BRD erlebte. Vor diesem Hintergrund kann auch die musikalische Herangehensweise der jungen Jazzmusiker/-innen erörtert werden. Und nicht zuletzt: Was verknüpfen die Schüler/-innen heute mit dieser Musik?