Lothar König, Jugendpfarrer aus Zum Inhalt: Jena, passt in kein System. In der DDR wurde er von der Staatssicherheit beschattet, seit der Wiedervereinigung warnt er vor dem erstarkenden Rechtsextremismus und geht regelmäßig gegen Nazis auf die Straße. Die rechte Szene reagierte und bedrohte König und seine Familie. Bis heute zeugt eine tiefe Narbe über Königs Auge von einem dieser Angriffe. König mahnte früh, das Wegschauen der bürgerlichen Gesellschaft angesichts rechter Hetze werde sich rächen. Er sollte Recht behalten: Alle drei Kernmitglieder der neonazistischen Terrorgruppe NSU, die ihm auf Demos begegnet waren, stammten aus Jena. Laut König leben ihre bis heute nicht enttarnten Komplizen/-innen weiter unbehelligt vor Ort. Demokratie werde nicht frei Haus geliefert, man müsse jeden Tag um sie kämpfen, so der Pfarrer. Wie schwer das sein kann, habe er selbst immer wieder spüren müssen, etwa als er 2013 nach einer Demonstration wegen "schwerem Landfriedensbruch" angeklagt wurde. Zu Unrecht, denn Polizisten hatten falsch ausgesagt und entlastendes Material zurückgehalten. Für König ist dies kein Grund zum Aufgeben, sondern Anreiz zum Weitermachen, auch nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand 2019.

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Königs Sohn Tilman gelingt mit dem filmischen Porträt seines streitbaren Vaters eine kritische Würdigung. Archivmaterialien schlagen den Bogen in die (Zeit-)Geschichte. Ein unaufdringlicher Countdown zählt mit, wie viel Zeit Pfarrer König noch bis zur Pensionierung bleibt. Dazwischen erlebt man einen souveränen, wenn auch bewusst unkonventionellen Bühnenmenschen (auf der Kanzel wie auch als Moderator eines Punkkonzerts), begleitet ihn aber auch im Alltag. Ist König anfangs noch ständig von jungen Menschen umgeben, mehren sich mit der Zeit die Momente, in denen er zur Ruhe kommt und der sonst eher bärbeißige Charakter ehrlich und selbstkritisch sein Leben reflektiert. Um diese Nähe schaffen zu können, drehte Tilman König seinen Film über einen Zeitraum von drei Jahren ganz ohne Team vor Ort. Er zeigt seinen Vater als zutiefst individuellen Kämpfer für eine bessere Welt, dem das Loslassen und Zuhören im Privaten manchmal nicht leichtfällt.

Lothar König jongliert mit leichter Hand Zitate von Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno und aus der Bibel und es gelingt ihm gerade durch seine lockere Art, diese Gedanken anschaulich und alltagstauglich zu machen. Mit seiner ungebremsten Lust am Widerspruch regt er dazu an, nichts als gegeben hinzunehmen und den Status Quo zu hinterfragen – sowohl in philosophischer als auch in politischer Hinsicht. Im Politik- und Gemeinschaftskundeunterricht kann der gegen ihn geführte Prozess von 2013 zum Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Notwendigkeit der Gewaltenteilung werden. Durch die Fülle der verwendeten Archivmaterialien lässt sich der Zum Inhalt: Dokumentarfilm gut nutzen, um sich der Geschichte der Nachwendezeit zu nähern. Wenn König in einer bewegenden Zum Inhalt: Szene erklärt, er sei zu dem Schluss gekommen, dass die politische Linke nicht mit Gewalt auf Gewalt reagieren dürfe, weil sie sich sonst den Nazis nur annähern würde, kann diese Aussage im Religionsunterricht zur Bergpredigt führen und in Ethik als Einstieg in die Themenkomplexe Toleranz und Gewaltverzicht dienen. Fächerübergreifend kann zudem diskutiert werden, ob im Film spürbar wird, dass der Regisseur zugleich auch der Sohn des Protagonisten im Film ist.

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