Während der Corona-Pandemie haben Verschwörungstheorien einen Aufschwung erlebt. Im Internet kursieren die krudesten Ideen über die vermeintlich "wahren" Hintergründe der global verbreiteten Viruserkrankung. Vielfach spielen dabei auch antisemitische Motive eine Rolle. Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Jud Süß 2.0" beschäftigt sich mit Aspekten, die einen Brückenschlag "vom NS- zum Online-Antisemitismus" (so der Untertitel) erkennen lassen. In Gesprächen mit Expert/-innen (Glossar: Zum Inhalt: Talking Heads) wie der Extremismusforscherin Julia Ebner oder der Historikerin und Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung Stefanie Schüler-Springorum wird deutlich gemacht, dass die visuellen Wurzeln für Cyber-Antisemit/-innen oft bis zur Propaganda der Nationalsozialist/-innen zurück reichen, die wiederum auf noch älteren, zum Teil bis ins Mittelalter zurückreichenden Vorurteilen über angebliche äußere Merkmale und Verhaltensweisen von Juden/Jüdinnen aufbaute. Die beiden zentralen antisemitischen NS-Filme "Der ewige Jude" (Fritz Hippler, 1940) und "Jud Süß" (Veit Harlan, 1940) werden in Ausschnitten behandelt und auf Stichworte eines heutigen Antisemitismus bezogen, der in Online-Foren und sozialen Netzwerken kursiert.

Der promovierte Historiker Felix Moeller hat sich mehrfach in Filmen mit dem Erbe des nationalsozialistischen Kinos beschäftigt. 2014 veröffentlichte er "Verbotene Filme " an den er nun in Teilen mit "Jud Süß 2.0" anschließt. Die knapp einstündige Dokumentation besteht im Wesentlichen aus Filmausschnitten und Bildmaterial, das in Online-Medien kursiert, und aus Gesprächen mit Expert/-innen und Betroffenen. Zum Beispiel mit der jungen jüdischen Künstlerin Talya Feldman, die mit einer Audio-Installation auf den Anschlag auf eine Synagoge in Halle im Jahr 2019 reagiert hat. Suchmaschinen für das World Wide Web sind eines der visuellen Leitmotive von "Jud Süß 2.0" : Immer wieder werden Begriffe eingegeben, die sich schnell als antisemitisch codiert erweisen, zum Beispiel "kosmopolitisch" oder "Globalisten". Moeller stellt auf diese Weise dar, dass im Nationalsozialismus noch das Kino ein Leitmedium der Propaganda (Glossar: Zum Inhalt: Propagandafilm) war, während sich heute die Vorurteile und der Hass von einer fragmentierten, nichtsdestoweniger aber sehr wirksamen und gefährlichen Kommunikation im Netz leiten lassen.

Die Dokumentation "Jud Süß 2.0" enthält viele Ansatzpunkte für eine vertiefende Behandlung im Unterricht. Sie setzt bei der Alltagswirklichkeit der meisten heutigen Menschen an, die mit Netz-Browsern und Suchmaschinen (und mit den entsprechenden Oberflächen-Graphiken aus Kacheln und Teaser-Texten) vertraut sind. In den Fächern Deutsch oder Politik kann der Film als Ausgangspunkt für eine Diskussion darüber genutzt werden, wie antisemitische Propaganda im Internet zu erkennen ist. Eine Online-Suche zu der Person George Soros könnte als praktische Übung in Medienkompetenz dienen: Wie verschafft man sich objektive Informationen über einen Mann, den heutige Antisemit/-innen immer wieder in das Zentrum einer globalen Verschwörung stellen? Ebenso bietet sich "Jud Süß 2.0" für eine Beschäftigung mit den sogenannten Vorbehaltsfilmen an, also mit jenen 44 Filmen aus der NS-Zeit, die in Deutschland nur unter bestimmten Vorbehalten öffentlich gezeigt werden dürfen. Eine längere Passage über "handelnde Kinder", die als Ausschnitt aus "Der ewige Jude" zu sehen ist, könnte als Ansatz für eine Detailanalyse von propagandistischen Methoden im Film dienen: Schnitt (Glossar: Zum Inhalt: Montage), Rollenbesetzung und Kommentar aus dem Zum Inhalt: Off wirken hier zusammen.

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