In den Lagerhallen des ehemaligen Kernkraftwerks Greifswald stapeln sich die Container bis zur Decke. Rund 600.000 Tonnen radioaktiv verstrahlten Materials müssen hier zwischengelagert, dekontaminiert und freigemessen werden, bevor sie entsorgt werden können: Kabel, Stahl, Erde, Beton. Seit seiner Stilllegung 1995 befindet sich das Kraftwerk im Rückbau. Mehr als 800 Menschen sind damit beschäftigt, Schätzungen aus dem Film zufolge soll das Vorhaben 33 Jahre dauern und 5,6 Milliarden Euro kosten. Das Beispiel Greifswald gibt einen Vorgeschmack auf das, was bei allen deutschen Atomkraftwerken bevorsteht: eine Herkulesaufgabe. Ein Jahr, bevor die letzten von ihnen den Betrieb einstellen, sind noch viele Fragen ungeklärt. Wo werden die stark kontaminierten Teile endgelagert? Wie wird die Energieversorgung in Deutschland nach dem Atomausstieg sichergestellt? International arbeitet die Forschung indes an Innovationen im Bereich der Kernspaltung und immer neue Kraftwerke gehen ans Netz.

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Hinter dem sloganartigen Titel des Zum Inhalt: Dokumentarfilms verbirgt sich eine provokante Fragestellung: Was wird uns länger begleiten – das Versprechen effizienter und sicherer Kernenergie oder die Verwaltung ihrer lebensgefährlichen Abfälle? Nach thematischen Gesichtspunkten episodenhaft strukturiert, ist "Atomkraft Forever" eine umfangreiche Bestandsaufnahme rund um den deutschen Atomausstieg. Dabei finden zahlreiche Perspektiven Berücksichtigung: Ein Anti-AKW-Aktivist setzt sich für Transparenz und Bürgerbeteiligung bei der Suche nach einem Endlager ein. Im bayerischen Grundremmingen berichtet der ehemalige Bürgermeister vom wirtschaftlichen Aufschwung, den seine Gemeinde durch den Bau eines Kraftwerks erlebt hat. In Frankreich, wo die Politik auf den Ausbau der Kernenergie setzt, sieht ein junger Nuklearingenieur im klimafreundlichen Atomstrom die Zukunft der Energieversorgung. Regisseur Carsten Rau lässt die Aussagen der Mitwirkenden kommentarlos (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover) für sich stehen. Texttafeln mit statistischen Hintergrundinformationen tragen jedoch dazu bei, das Gehörte einzuordnen. Das Schlagen der „Filmklappe“, das zu Beginn jedes Interviews zu sehen ist, macht die filmische Anordnung sichtbar und markiert so eine gewisse Distanz zu den dargelegten Positionen. In der Argumentation ist der Film so nüchtern und sachlich wie im Stil. Umso stärker stechen jene Zum Inhalt: Szenen heraus, die das Ausmaß des Abrissvorhabens in Greifswald in imposanten Bildern sichtbar machen.

Für die Schule empfiehlt sich "Atomkraft Forever" aufgrund seines hohen Informationsgehalts. Durch die multiperspektivische Herangehensweise kommen zahlreiche Gesichtspunkte zur Sprache, die in einer Diskussion über die Vor- und Nachteile der Nutzung von Kernenergie sondiert werden können. Je nach Unterrichtsfach kann es sich anbieten, im Film nicht ausführlich behandelte Aspekte rund um die Thematik zu vertiefen: die Geschichte der Atomenergie, die Nuklearkatastrophen von Fukushima und Tschernobyl, die Funktionsweise eines Kernreaktors. Im Film sparsam eingesetztes Archivmaterial aus den 1960er- bis 1980er-Jahren bietet einen anschaulichen Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit historischen Positionen zwischen Atom-Euphorie und -Kritik. Kern einer Auseinandersetzung mit der filmischen Gestaltung sollte die Frage sein, wie das kontroverse Thema bearbeitet wird. Ist die Darstellung ausgewogen? Bezieht der Film eine eigene Position? An die Analyse kann sich eine Diskussion darüber anschließen, ob für Dokumentarfilme ein grundsätzlicher Anspruch auf Neutralität gelten sollte.

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