"Es war einmal Indianerland"

In den letzten Tagen der Sommerferien verliert der 17-jährige Mauser den Halt in seinem Leben. Eigentlich trainiert der Junge aus einer Hamburger Hochhaussiedlung für einen Boxwettkampf. Doch als er bei einer illegalen Schwimmbadparty die gleichaltrige Jackie kennenlernt, wirbelt ein Flirt mit ihr sein Gefühlsleben durcheinander. Parallel irritiert die 21-jährige Edda den Teenager mit ihrer offenen und unkonventionellen Art. Dann passiert etwas wirklich Schlimmes: Mausers Vater Zöllner, der seinen Sohn im Boxring trainiert, tötet im Streit seine Frau Laura, Mausers Stiefmutter, und flüchtet vor der Polizei. Mauser kommt zu Ohren, dass sein Vater beim Pow-Wow-Festival untergetaucht ist, wo auch Jackie ihr Wochenende verbringen will. Also fährt der junge Mann mit Edda dorthin, begleitet von einem mysteriösen Indianer, der Mauser immer wieder erscheint.

Ein halbes Dutzend preisgekrönte Kurzfilme hat Ilker Çatak bereits inszeniert, nun folgt mit der Zum Inhalt: Adaption des 2011 veröffentlichten Jugendromans von Nils Mohl sein erster Langfilm. Çatak setzt auf eine stilistisch überbordende, schnelle und überspannte Machart, die die innere Konfusion und gespaltene Persönlichkeit der jugendlichen Hauptfigur reflektiert. Wiederholt spult er im Bilderfluss vor und zurück, beschleunigt per Zum Inhalt: Zeitraffer oder friert Bilder ein (Freeze Frames), gestaltet assoziative Collagen und Szenenübergänge (Glossar: Zum Inhalt: Szene). Die grelle Farbgebung (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) und das extrovertierte Tondesign (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound-Design) mit passender elektronischer Zum Inhalt: Filmmusik tragen ebenso zur Stilisierung bei wie die Selbstbezüglichkeit, wenn Mauser das Publikum direkt anspricht oder sich Dialoge wiederholen. Unterhaltsam und cineastisch ist das allemal, auch wenn die Zum Inhalt: Coming-of-Age- und Identitätsthemen fast zwangsläufig hinter der "style over substance"-Prämisse zurückstehen. Anteilnahme am Schicksal der Figuren erzeugt vor allem das durchweg einnehmende Zum Inhalt: Schauspiel, weniger der stürmisch erzählte Zum Inhalt: Plot.

Die stilistische Vielfalt bietet in den Fächern Deutsch und Kunst reichlich Anschauungsmaterial für eine Benennung und Analyse filmischer Stilmittel. Eine weiterführende Frage kann dabei lauten, wie die verspielte Form mit dem Inhalt korrespondiert. Zentral erscheint hier die Funktion, Mausers chaotisches Innenleben und seine zerrissene Persönlichkeit nach außen zu kehren. Eine Analyse der Figurenkonstellation kann aufzeigen, dass Mausers Wahrnehmung auch die überzeichnete Charakterisierung seiner Mitmenschen prägt, indem sie deren soziale Hintergründe, Wünsche und Ziele aus der Perspektive des Protagonisten darstellt. Zudem kann ein Vergleich mit der literarischen Vorlage analysieren, mit welchen Mitteln Roman und Film das hohe Erzähltempo herstellen und in welchen Punkten Nils Mohls Drehbuchadaption (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) seines eigenen Romans die Chronologie des Plots verändert. Im Fach Ethik kann der Film als Einstieg für ein Gespräch über persönliche Herausforderungen der jugendlichen Lebensphase dienen.