Kategorie: Filmbesprechung
"Die Mitte der Welt"
Über erste die Liebe und tiefe Geheimnisse, Homosexualität und Adoleszens
Unterrichtsfächer
Thema
"Visible" heißt die alte Villa irgendwo in der Provinz, in der der 17-jährige Phil mit Mutter Glass und Zwillingsschwester Dianne lebt. Warum Glass und Dianne seit einiger Zeit nicht mehr miteinander reden, kann er nicht nachvollziehen. Irgendetwas muss passiert sein, während er in den Sommerferien verreist war. Dianne kapselt sich immer mehr ab und verlässt jede Nacht heimlich das Haus. Phil ist zunächst zu abgelenkt, um den Geheimnissen um ihn herum nachzuspüren, denn er hat sich zum ersten Mal richtig verliebt: in den neuen Mitschüler Nicholas. Davon ist Phils beste Freundin Kat anfangs wenig begeistert. Und auch Phil weiß lange nicht, wie Nicholas zu ihm steht. Schließlich spitzen sich die Familienprobleme aber weiter zu und Phil kann die Augen nicht länger davor verschließen.
Wie in der Romanvorlage (Glossar: Zum Inhalt: Adaption) des Kinder- und Jugendbuchautors Andreas Steinhöfel wird die Geschichte über Familiengeheimnisse, erste Liebe und das Erwachsenwerden konsequent aus der Sicht der Hauptfigur erzählt: Die Zum Inhalt: subjektive Kamera nimmt Phils Perspektive ein, aus dem Zum Inhalt: Off kommentiert er das Geschehen, Zum Inhalt: Rückblenden zeigen Erinnerungen aus Kindertagen. Da das Publikum nie mehr erfährt, als er selbst, bleibt die Spannung rund um die Geheimnisse der anderen Figuren bis zum Schluss erhalten. Viele Nah- und Halbaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) suggerieren Nähe und Intimität. Wie die Kamera versucht Phil den Menschen aus seinem Umfeld nahezukommen, während sie sich teilweise entziehen. Die Einstellungen erzeugen zugleich aber auch räumliche Enge, zentriert sich der Blick häufig auf das abgeschottete Leben in der Villa. Am Ende weitet sich der Blick: Im abfahrenden Zug findet Phil die Distanz, um seine Familie und sich neu zu sehen.
Absolut erfrischend, wie selbstverständlich die Hauptfigur mit ihrer Homosexualität umgeht. Für Phil und seine Umgebung stellt sie kein Thema geschweige denn Problem dar. Im Gegenteil sind doch die Freundinnen der Mutter, Tereza und Pascal, mit ihrer stabilen Beziehung ein Vorzeigepaar, bei dem Phil Rat sucht. In den Fächern Sozial- und Gesellschaftskunde oder Politik lässt sich darüber diskutieren, wie Homosexualität im Film thematisiert wird. Dazu bieten sich Vergleiche mit ähnlichen Zum Inhalt: Coming-of-Age-Filmen an wie "Blau ist eine warme Farbe" (La vie d’Adèle, Kechiche, FRA/BEL/SPA 2013) oder "Closet Monster" (Dunn, CAN 2015). Auch neue Familienmodelle und unkonventionelle Lebensentwürfe werden in dem Drama gezeigt. So gehören die Freundinnen der Mutter für Phil mit zur Familie und die unverheiratete Glass provoziert, weil sie sich nicht dem typischen Kleinfamilien-Modell beugt. Zudem werden Rollen auf den Kopf gestellt, denn während die impulsive und unberechenbare Glass oft kindlich-unreif wirkt, übernimmt die besonnene Dianne früh Verantwortung. Im Fach Deutsch lässt sich das Thema "Literaturverfilmung" aufgreifen, indem besprochen wird, wo und weshalb der Film von der Vorlage abweicht und inwiefern er ein eigenständiges (Kunst-)Werk darstellt.