Venya geht auf eine liberale Schule und lebt bei seiner alleinerziehenden Mutter in Kaliningrad. Eines Tages weigert er sich, am Schwimmunterricht teilzunehmen, denn der Anblick von Mitschülerinnen in Bikinis, so seine Begründung, verletze seine religiösen Gefühle. Der Teenager hat das Christentum für sich entdeckt, klaubt sich aus der Bibel zusammen, was in sein Weltbild passt und tyrannisiert sein Umfeld. Außer einer atheistischen Biologielehrerin weist ihn jedoch niemand in die Schranken, vielmehr gibt die Schulleitung den absurden Forderungen des zornigen Missionars weitgehend nach, was dazu führt, dass er sich zunehmend radikalisiert und schließlich einen Mitschüler ermordet.

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Auf der Basis des Theaterstücks Märtyrer von Marius von Mayenburg entwirft Kirill Serebrennikov eine Parabel über eine absurde Gemeinschaft, die ihre liberalen Werte und ihre Sicherheit aufs Spiel setzt, indem sie sich aus Unsicherheit und falsch verstandener Toleranz religiösen Fundamentalisten unterwirft. Mit statischen Bildern von eleganter Zum Inhalt: Cadrage, langen Einstellungen, wilden Heavy-Metal-Klängen (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) und einem ins Groteske übersteigerten Humor zeichnet der Film den Weg des Fanatikers satirisch nach. Auf wenige Schauplätze (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) und insbesondere den Mikrokosmos Schule fokussiert, entspricht der Film dem Zum Inhalt: kammerspielartigen Charakter der Vorlage (Glossar: Zum Inhalt: Adaption). Eine Vielzahl an Bibelzitaten belegt er mit Zum Inhalt: Inserts.

Als ein Beitrag zu einem aktuellen Thema hinterfragt der Film die gesellschaftspolitische Debatte zum Umgang mit Fundamentalisten/-innen. Bezüge zu anderen Religionen lassen sich einfach herstellen. Zum Verständnis des dezidiert postkommunistischen russischen Gesellschafts- und Bildungssystems sind allerdings zusätzlich Kenntnisse vonnöten, die der Film voraussetzt. Eine inhaltliche Analyse sollte gleichermaßen die Beweggründe für das Handeln des aufständischen Außenseiters sowie die Verhaltensweisen der Mutter und der Lehrkräfte berücksichtigen. Spannende Fragen für den Religionsunterricht ergeben sich zur Bedeutung des Alten und Neuen Testaments für die christliche Lehre und die sich in diesen Schriften offenbarenden ethischen Widersprüche. Die für den Film ausgewählten Bibelzitate und die Figur des zum Opfer werdenden Mitschülers Grigory bieten für eine solche Diskussion gute Anknüpfungspunkte. Im Fach Russisch kann diskutiert werden, inwiefern "Der die Zeichen liest" die Politik Wladimir Putins widerspiegelt, der Homosexuelle diskriminiert und die Trennung von Staat und Kirche aufgehoben hat.

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