Kategorie: Filmbesprechung
"Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück"
Captain Fantastic
Eine im Wald lebende Aussteigerfamilie kollidiert mit der Realität des amerikanischen Lebens durch einen Trauerfall
Unterrichtsfächer
Thema
Der Aussteiger Ben Cash lebt mit seinen sechs Kindern in den Wäldern des amerikanischen Nordwestens. Begeistert absolvieren die Jungen und Mädchen ihr tägliches Überlebens- und Bildungstraining, strukturiert nach Bens Ideal einer ganzheitlichen Erziehung. Allerdings vermissen sie ihre Mutter, die seit einiger Zeit im Krankenhaus liegt. Als die Nachricht ihres Todes eintrifft, wird die Konfrontation mit der Zivilisation unvermeidbar. Im knallbunten (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) Familienbus fahren die Cashs zur Beerdigung. Am Ziel angekommen, muss sich der Familienvater jedoch einigen Vorwürfen stellen: Die trauernden Schwiegereltern attackieren sein Erziehungsmodell und beantragen das Sorgerecht für ihre Enkel.
"Captain Fantastic" beginnt zwar in der freien Natur, noch dazu mit einer Jagdszene, die folgende Inszenierung lässt sich jedoch kaum naturalistisch nennen. In komödiantischer Form der Überzeichnung wird Bens Einfluss auf die Kinder gezeigt, die seine linksliberale Rhetorik eifrig imitieren. Statt Weihnachten feiert man den Noam-Chomsky-Tag zu Ehren des Politaktivisten, die fleißige Lektüre von Dostojewski und Marx hat sie zu kleinen Intellektuellen gemacht. Dass der Film sich insgesamt zwischen Tragik und Zum Inhalt: Komödie bewegt, deutet sich bereits in der Zum Inhalt: Filmmusik an. Diese wechselt zwischen urwüchsigem amerikanischen Folk und klassischer Kammermusik. Denn kaum wieder zurück in der zivilisierten Welt, entfaltet sich Bens Ablehnung des "American Way of Life" zu handfesten Konflikten: Die Versuche der hochgebildeten Kinder, mit Gleichaltrigen zu kommunizieren, scheitern auf geradezu absurde Weise. Die hoch gesteckten Ideale werden einem Realitätstest unterzogen.
Die Utopie vom freien Leben in völliger Wildnis wirkt zunächst exotisch. Auch in der Philosophie ist der "Naturzustand" vor allem ein Denkkonstrukt. Tatsächlich berührt Bens pädagogisches Projekt aber grundlegende Debatten der US-amerikanischen Gesellschaft. Vor allem religiöse Gruppen verteidigen das Recht auf Heimunterricht außerhalb des staatlichen Schulsystems. In Sozialkunde, Ethik oder Religion kann erörtert werden, inwieweit der religionsskeptische Ben seinen ärgsten Feinden gleicht. Erzieht er seine Kinder wirklich zu freien Menschen oder erlaubt er ihnen nur die eigene Sichtweise? Auch ihre humorvoll überzeichneten Anpassungsprobleme in einer ihnen unbekannten Welt, bieten Diskussionsstoff und können mit eigenen Erfahrungen verglichen werden. In Politik und Philosophie lässt sich der hohe Stellenwert individueller Freiheitsrechte im US-Rechtssystem erörtern. Die "Bill of Rights", in denen diese festgeschrieben sind, kennen die Kinder im Film natürlich auswendig.