Kategorie: Filmbesprechung
"Appropriate Behavior, einfach ungezogen"
Appropriate Behavior
Komödie um eine bisexuelle junge Frau in einer Lebenskrise mit schnellem Sex, Liebeskummer und Selbstmitleid
Unterrichtsfächer
Thema
Shirin, Mitte zwanzig, ist Tochter iranischer Immigranten, bisexuell und lebt im New Yorker Stadtteil Brooklyn etwas orientierungslos vor sich hin. Ihren liebevollen, aber auch konservativen Eltern verschweigt sie ihre Beziehung zu Maxine. Doch als ihre Freundin sie verlässt, gerät Shirins Leben in eine Krise. Sie versinkt in Selbstmitleid und bekämpft ihren Liebeskummer mit kleinen Abenteuern: schneller Sex mit einer Online-Bekanntschaft, Liebe zu dritt mit einem Hipster-Paar. So richtig locker und leicht sind diese Begegnungen nicht, überall lauern Fettnäpfchen und Misstöne. Beim ersten Date mit einer schönen Jura-Professorin klopft Shirin erst große Sprüche und verschüttet dann ihren Drink. Als typische Romantic-Comedy-Heldin stolpert sie von einer Blamage zur nächsten, findet aber schließlich ihren Weg und gesteht am Ende sogar ihrer Mutter, „ein bisschen lesbisch“ zu sein.
"Appropriate Behavior" ist das Debüt von Desiree Akhavan, die 1984 als Kind iranischer Einwanderer in den USA geboren wurde. Ihr Film hat autobiografische Anklänge, weshalb sie oft mit Lena Dunham verglichen wird, in deren Fernsehserie „Girls“ sie eine Nebenrolle spielt. Wie Dunham machte auch Akhavan zunächst mit einer Webserie auf sich aufmerksam: „The Slope“ besteht aus ungeschliffenen Drei-Minuten-Episoden, die den sprachlichen Schlagabtausch kultivieren und die Neurosen eines linksliberalen Bürgertums wie auch einen queeren Lebenswandel gleichermaßen aufs Korn nehmen. "Appropriate Behavior" übernimmt viele Figuren, Zum Inhalt: Szenen und Themen der Serie, bindet sie aber ein in den größeren Erzählbogen einer Zum Inhalt: Coming-of-Age-Geschichte mit leicht bildungsromanhaften Zügen: die erste Einstellung zeigt Shirin symbolträchtig in der U-Bahn, im Transit also – weder hier noch da, sondern auf dem Weg. In Zum Inhalt: Rückblenden erzählt der Film die gescheiterte Beziehung zu Maxine parallel zu Shirins verzweifelt-komischen Versuchen der Selbstfindung.
Interessant ist an "Appropriate Behavior" der doppelt ethnografische Blick: Das Leben in und zwischen verschiedenen (Sub-)Kulturen erscheint hier nicht per se als problembehaftet, sondern verspricht im Gegenteil eine geschärfte Beobachtungsgabe. Im Sozialkunde-Unterricht lässt sich Akhavans genaues wie komisches Porträt auf die Normen, Codes und Wertvorstellungen dieses urbanen Milieus hin überprüfen. Die exil-iranische Gesellschaft, der Shirins Eltern angehören, erscheint dagegen auf den ersten Blick statusfixiert und traditionellen Geschlechterrollen verhaftet. Doch es geht in "Appropriate Behavior" nicht darum, das eine Milieu gegen das andere auszuspielen. Besonders ist vielmehr gerade das Nebeneinander unterschiedlicher Geschlechterrollen, Frauenbilder und sexueller Identitäten, die so erst in ihrer jeweiligen Konstruktion sichtbar und damit vergleichbar werden.