Im Lauf der vergangenen zwei Jahrzehnte ist der Einsatz digitaler Effekte im Erzählkino weitgehend selbstverständlich und in Genres, die traditionell auf Zum Inhalt: Spezialeffekte angewiesen sind, geradezu unverzichtbar geworden. Die Grenze zwischen Realfilm und Animation löst sich zusehends auf, wobei einige Filmhistoriker/innen schon darüber streiten, ob der Realfilm vom Trickfilm geschluckt wird oder umgekehrt. Mit Tricks experimentiert haben die Filmemacher/innen seit Erfindung des Kinos; der Blick zurück zeigt aber auch, dass es in der Filmgeschichte schon immer Mischformen gegeben hat. So ließ J. Stuart Blackton in seiner Spukgeschichte "The Haunted House" (USA 1907) Schauspieler/innen auf magische Objekte treffen, die sich mit Hilfe der Stop-Motion-Technik wie von selbst bewegten. Dabei haben sich erstaunlicherweise die bei solchen Live Action/Animations-Filmen entstehenden inszenatorischen Herausforderungen bis heute kaum geändert: Auch bei neuesten Computereffekten stellt sich immer noch die Frage, wie überzeugend reale und animierte Elemente miteinander interagieren. Das wichtigste "Element" bleibt dabei der Schauspieler oder die Schauspielerin.

Das Fantastische soll real wirken

E.T. - Der Ausserirdische

UIP

Im Wesentlichen lassen sich bei der Kombination aus Trick- und Realfilm zwei Tendenzen unterscheiden. Die erste lautet: Das Fantastische soll real erscheinen. Ein klassisches Beispiel aus der Zeit des analogen Kinos ist "King Kong und die weiße Frau" (King Kong, Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack, USA 1933), für den ein Modell des Riesenaffen Bild für Bild animiert wurde. Für die Szenen, in denen Kong mit der weißen Frau Fay zu sehen ist, griff Willis O'Brien, Leiter der visuellen Effekte, auf einen weiteren Trick zurück: Er filmte die Schauspielerin vor neutralem Hintergrund und projizierte ihr Bild anschließend auf eine halbtransparente Leinwand innerhalb der Kulissenlandschaft, in der sich auch die Affenpuppe "bewegte". Dieses komplexe Verfahren wurde erst in den 1970er-Jahren durch sogenannte Animatronics, elektronisch gesteuerte Modelle wie Zum Filmarchiv: "E.T. – Der Außerirdische" ( E.T.: The Extra-Terrestrial, Steven Spielberg, USA 1982) abgelöst, bevor der Computer dem Kino schließlich eine schier endlose Welt an Möglichkeiten eröffnete.

Trick im Kinderfilm

Im Kinderfilm wird die neue Technik gleichwohl wie zu Walt Disneys Zeiten vor allem zur Vermenschlichung von Tieren genutzt. So lebt das digital animierte Mäuschen "Stuart Little" (Rob Minkoff, USA 1999) als sprechender Spielgefährte eines kleinen Jungen im Haushalt seiner Familie. In Filmen wie (Babe, Chris Noonan, Australien, USA 1995) und (Charlotte's Web, Gary Winick, USA 2006) agieren kindliche und erwachsene Darsteller/innen hingegen an der Seite dressierter Tiere, deren Gesichter durch Zum Inhalt: digitale Nachbearbeitung einen menschlichen Ausdruck erhielten.

Der Sprung ins Fantastische

James und der Riesenpfirsich

Tobis

Die zweite Tendenz in der Kombination aus Real- und Trickfilm lautet: Das Reale dient als Sprungbrett ins Fantastische. Am offensichtlichsten wird dies in frühen Zum Inhalt: Zeichentrickfilmen wie Max Fleischers ab 1919 in den USA produzierten Zeichentrickserie "Out of the Inkwell" , in der die Cartoon-Figur Koko, der Clown vor realen Hintergründen agiert. Inmitten einer echten Stadtlandschaft konnte Fleischer vorführen, dass seine Figur und damit der Zum Inhalt: Animationsfilm an sich den Gesetzen der physikalischen Welt nicht unterworfen sind. Dieses selbstreflexive Prinzip findet sich siebzig Jahre später in "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" (Who Framed Roger Rabbit, Robert Zemeckis, USA 1988) lustvoll gesteigert wieder. Hier leben die Helden der klassischen Trickfilm-Cartoons als Filmschauspieler im Hollywood der 1940er-Jahre. In ihre Heimat Toontown gelangt man über eine magische Schwelle, die ähnlich auch der Titelheld aus Zum Filmarchiv: "James und der Riesenpfirsich" (James and the Giant Peach, Henry Selick, GB, USA 1996) überquert. Er lebt nach dem Tod seiner Eltern in einer tristen Wirklichkeit und flüchtet sich in eine von riesigen Insekten und Käfern bevölkerte Fantasiewelt. In der sowjetischen Hans Christian Andersen-Verfilmung "Die Schneekönigin" (Snezhnaya koroleva, Gennadi Kazansky, UdSSR 1966) sorgt hingegen der märchenhafte Rahmen dafür, dass sich die animierten Szenen ganz selbstverständlich in die Realfilmhandlung einfügen.

Schauspiel vor der Blue Screen

"Falsches Spiel mit Roger Rabbit" gehört zu den letzten Mischfilmen, in denen der animierte Teil noch analog erstellt, in diesem Fall also von Hand gezeichnet wurde. Heute lassen sich Fabelwesen oder fantastische Landschaften nach Belieben in realistischer Manier entwerfen und dann in die Aufnahmen mit lebenden Darstellern/innen kopieren. Dazu müssen sich diese allerdings vor einem grünen oder blauen Hintergrund, der Green-oder Zum Filmarchiv: "Blue Screen" bewegen, der im Computer aus dem Bild entfernt und durch beliebige Aufnahmen ersetzt werden kann. Trotz dieses immensen Entwicklungssprungs hat sich an der grundlegenden Schwierigkeit, dass die Schauspieler/innen im luftleeren Raum oder mit einem nicht-existenten Gegenüber interagieren müssen, nichts geändert. Sowohl Robert Zemeckis, Regisseur von "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" , als auch sein Hauptdarsteller Bob Hoskins hatten während der Dreharbeiten nur eine vage Vorstellung davon, wie die fertigen Aufnahmen aussehen würden. Eine oft genutzte Notlösung sind Darsteller/innen, die für die animierten Figuren "einspringen" und später im Computer heraus retuschiert werden. In seltenen Fällen, etwa Steven Spielberg in Zum Filmarchiv: "Jurassic Park"(USA 1993), greifen Regisseure auf Animatronics zurück, um ihren Darstellern/innen zeitweise die körperliche Berührung mit dem ansonsten digitalen Wesen zu ermöglichen.

Fantasie ist gefragt

Mein Freund Knerten

Polyband Medien GmbH

Bob Hoskins gab zudem an, er habe als Vorbereitung auf "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" seine kleine Tochter beim Spielen beobachtet und so eine Ahnung davon bekommen, wie es ist, mit einem imaginären Partner zu agieren. Dieses Problem ergab sich bei Zum Filmarchiv: "Mein Freund Knerten" (Knerten, Åsleik Engmark Norwegen 2009) nicht. Regisseur Engmark lobte in einem Interview mit den Jungen Journalisten während der Berlinale 2010 die "großartige Fantasie" seines sechsjährigen Hauptdarstellers Adrian Grønnevik Smith. "Sich einen lebenden Zweig vorzustellen, war ihm ein Leichtes." Gedreht wurde mit verschiedenen Knerten-Modellen als Platzhalter, darunter einem ohne Kopf, dem erst durch digitale Nachbearbeitung ein Gesicht aufgesetzt wurde. Diese Szenen mussten genau geplant und dokumentiert werden, um etwa Kamerawinkel oder Zum Inhalt: Lichteinfall in der Computerbearbeitung reproduzieren zu können. Da sich Knerten jedoch nur selten bewegt, konnte in den meisten Szenen beinahe wie in einem klassischen Realfilm gedreht werden: Die erwachsenen Darsteller/innen, deren Charaktere in der Figur Knerten nur ein Stück Holz erkennen, sahen eben genau das.

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