Zu dünn, zu dick, zu groß, zu klein. Wohl alle Menschen finden an sich Körperteile, die besonders, auffällig oder anders sind als das, was man gemeinhin als normal bezeichnen könnte. Aber was ist schon normal? Mit Blick auf Kinder- und Jugendfilme entsteht schnell der Eindruck, dass es eine Norm gibt, wie Kinderfiguren im Film auszusehen haben: So haben etwa viele Mädchen-Figuren zwischen 12 und 15 Jahren – wie Trixi in "Liliane Susewind – Ein tierisches Abenteuer" (Joachim Masannek, DE/FR/BE 2018), Helene in "Die Schule der magischen Tiere" (Gregor Schnitzler, DE/AT 2020) oder Berenike in Zum Filmarchiv: "Mein Lotta-Leben – Alles Bingo mit Flamingo!" (Neele Leana Vollmar, DE 2019) – blonde lange Haare, eine schlanke Figur und tragen gerne Pastelltöne. Kein Wunder, dass sich rothaarige Mädchen wie Liliane, Ida oder auch Lotta in den jeweils genannten Filmen anders fühlen; denn allein durch ihr Aussehen unterscheiden sie sich von den Mainstream-Girls.

Bin ich schön? Idealisierte Körperbilder

Schönheitsnormen entstehen aber nicht nur – in Filmen wie in der außerfilmischen Realität – im Blick auf Andere, sondern werden auch von Mode und Medien, Sendungen wie "Germany’s Next Top Model" oder vermehrt in den sozialen Medien geprägt und befördert. Dort zeigen Promis und Privatpersonen ihre vermeintlich perfekten Körper und makellose Gesichter. Die Differenz zwischen solchen, in der Regel nachbearbeiteten Idealbildern und dem eigenen Ich sowie die Unsicherheit oder Scham darüber werden immer wieder in Kinder- und Jugendfilmen thematisiert – gerade dann, wenn sich die Hauptfiguren in der Pubertät befinden und Prozesse des Erwachsenwerdens durchleben. So orientieren sich Figuren wie Olive in (Jonathan Dayton, Valerie Faris, USA 2005) oder Mareike in (Katinka Feistl, DE 2003) an den Idealen von Schönheitswettbewerben, auch wenn sie diesen nicht entsprechen, wachsen aber in der Auseinandersetzung damit.

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Außenseiter/-innen in Kinder- und Jugendfilmen

In aktuellen Filmen wie Zum Filmarchiv: "Geschichten vom Franz" (Johannes Schmid, AT/DE 2022) oder auch Zum Filmarchiv: "Dancing Queen" (Aurora Gossé, NO 2023) lassen sich die Hauptfiguren von Social-Media-Infuencer-/innen und ihrem sozialen Umfeld beeinflussen. Weil sie den dort verbreiteten Normen nicht entsprechen, werden sie aber nicht nur in ihrem Selbstwert verunsichert, sondern auch verschiedenen Formen von Shaming unterworfen und damit zu Außenseiter/-innen innerhalb der sozialen Gruppe. Ähnlich geht es Figuren, die weniger sportlich sind als ihre Mitschüler/-innen, etwa Emil in (Markus H. Rosenmüller, DE 2018) oder Alfons in Zum Filmarchiv: "Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt!" (Mark Schlicher, DE 2022).

Bodyshaming und Peer Pressure in "Dancing Queen "

In "Dancing Queen" leidet die Hauptfigur daran, dass sie ein bisschen dicker ist als ihre Mitschülerinnen, eine Brille trägt und nicht so gut tanzen kann wie Bella und ihre Gang. Bisher hatte Mina mit all dem keine Probleme: Sie schreibt gute Noten und hat in Markus einen verlässlichen Freund. Als zu Beginn des Schuljahres der bekannte Hip-Hop-Tänzer E.D.Win neu an die Schule kommt, verknallt sich Mina sofort – und beginnt, die Unterschiede zu den anderen Mädchen vermehrt wahrzunehmen. Es ist aber nicht nur der Vergleich mit anderen, der Figuren wie Mina unter Druck setzt und zu Selbstzweifeln anregt. Hinzu kommen die Hänseleien und Beleidigungen bis hin zum Mobbing, denen sie wegen ihres anderen Aussehens ausgesetzt sind.

Der Begriff "Bodyshaming" fasst dies zusammen und benennt den enormen psychischen Druck, der unter anderem zum Entwickeln einer Essstörung führen kann. Immer wieder führen E.D.Win und die Klassenkameradinnen Mina vor. "Ich bin fett", sagt Mina daraufhin und versucht zunächst, ihr Körperbild zu ändern und so ihr Selbstwertgefühl zu steigern: Eine neue Frisur, Kontaktlinsen statt Brille und vermehrtes Training und Diäten sollen ihr helfen, sich optisch an die anderen anzugleichen. Schließlich hört sie fast ganz auf zu essen – bis sie vor Erschöpfung beim Training ohnmächtig wird und damit eine ähnliche Erfahrung wie Katja in Zum Filmarchiv: "Stella" (Sanna Lenken, SE/DE 2015) durchmacht, die an einer Essstörung leidet. Minas Zusammenbruch ist einer der Wendepunkte im Film, die dem Mädchen zeigen, dass das Nacheifern eines Schönheitsideals nur weg von sich selbst führt.

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Motivierende Großeltern und empowernde Freunde

Eine wichtige Rolle bei dieser Erkenntnis spielt ihre Großmutter, die als leidenschaftliche Tänzerin sie nicht nur in ihrem neuen Hobby fördert, sondern ihr zuhört und sie mit liebevollen Worten bestärkt. Auch in "Little Miss Sunshine" ist es der Großvater, der der siebenjährigen Olive versichert: "Du bist das schönste Mädchen auf der ganzen Welt." Das etwas pummelige Mädchen möchte unbedingt an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen und wird auch tatsächlich eingeladen. Der Opa lehrt sie, natürlich, mutig und einfach sie selbst zu sein. Wie Eltern oder Großeltern können auch Freund/-innen eine wichtige Rolle beim Empowerment von Figuren spielen. In "Geschichten vom Franz" (Johannes Schmid, AU/DE 2022) sind das Aussehen und die Körpergröße Hauptthema des Films und Motivation für die Hauptfigur, ein Training unter dem Motto "So werde ich ein richtiger Mann" und der Anleitung eines YouTube-Influencers zu absolvieren. Franz leidet darunter, dass er von vielen als Mädchen oder "junge Dame" angesprochen wird, weil er eine piepsige Stimme und blonde Locken hat und kleiner ist als gleichaltrige Kinder. Auch er findet über seine Talente und das Band zu seinen Freund/-innen zu sich selbst und zu (noch mehr) Respekt durch andere.

Neue starke Figuren

Ähnlich funktionieren auch andere Kinder- und Jugendfilme: Cyril in (Aron Lehmann, DE 2018) hat eine auffällig große Nase, die er als wortgewandter Rapper hinter einer goldenen Maske versteckt. Erst über seine Wort-Kunst und die begeisterte Reaktion der angehimmelten Roxy findet er zu Selbstbewusstsein. Die übergewichtige und als "Dumbo" verspottete Patti in Zum Filmarchiv: "Patti Cake$ – Queen of Rap" (Geremy Jasper, USA 2017) zeigt es allen – ähnlich wie Morris in Zum Filmarchiv: "Morris aus Amerika" (Chad Hartigan, DE/USA 2016) – mit ihrer nicht zu bändigenden Leidenschaft für den Hip-Hop.

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Die Strategien der Selbstfindung sind durchaus unterschiedlich: Manche Figuren erlangen Selbstbewusstsein durch hervorgeholte Talente, andere durch die Bestätigung und Bestärkung durch nahestehende Personen. Die verschiedenen Zum Inhalt: Genres, in denen die Geschichten verhandelt werden, haben dabei eine unterschiedliche Tonalität: Zum Inhalt: Komödien wie "Das schönste Mädchen der Welt" setzen auf eine humorvolle Darstellung, Musikfilme und Zum Inhalt: Musicals wie "Patti Cake$ – Queen of Rap" oder "Dancing Queen" verwenden Musik- und Tanzszenen, um ihre Figuren brillieren zu lassen. Dramen wie Zum Filmarchiv: "Schönefeld Boulevard" (Sylke Enders, DE 2013) oder Zum Filmarchiv: "Precious – Das Leben ist kostbar" ("Precious" , Lee Daniels, USA 2009) dagegen betonen die Ernsthaftigkeit der Themen Bodyshaming und Mobbing. Auffällig dabei ist, dass die Filme damit neue starke Figuren schaffen: Aus Außenseiter/-innen wie Mina in "Dancing Queen" werden starke Protagonist/-innen, die als Identifikationsfiguren dienen.

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