Wichtiger Hinweis:

Der schulische Einsatz von "Im Todestrakt" erfordert Sensibilität, Achtsamkeit und eine entsprechende Vorbereitung der Unterrichtssequenz und der Lerngruppe. Die Serie enthält drastische Schilderungen von Schwerstverbrechen. Unter keinen Umständen sollten traumatisierte Schülerinnen und Schüler damit konfrontiert werden. Lehrende, die sich über die Prädisposition ihrer Lerngruppe diesbezüglich unsicher sind, sollten sich mit der/dem Klassenlehrer/-in oder Tutor/-in absprechen. Grundsätzlich sollte allen Schüler/-innen deutlich gemacht werden, dass sie jederzeit die Filmvorführung verlassen können, falls das Gezeigte für sie nicht erträglich ist.

In Deutschland ist Werner Herzog der breiteren Öffentlichkeit vor allem durch seine Spielfilme mit Klaus Kinski bekannt. Tatsächlich aber hat der 1942 in München geborene Regisseur überwiegend Zum Inhalt: Dokumentarfilmprojekte realisiert. Eines davon ist die TV-Miniserie "Im Todestrakt" , ein Folgeprojekt seines im Jahr zuvor im Kino präsentierten Dokumentarfilms "Into the Abyss" ("Tod in Texas" , USA, UK, D 2011). In zwei jeweils vier Episoden umfassenden Staffeln porträtiert er neun zum Tode Verurteilte im US-amerikanischen Strafvollzug. Die Folgen beginnen stets mit demselben beklemmend nüchternen Intro: Eine Zum Inhalt: Kamerafahrt zeigt den steril wirkenden Todestrakt mit seinen engen, nur durch Gitterstäbe gesicherten Gefängniszellen, von denen aus die Verurteilten auf eine Anrichte mit mehrsprachigen Bibelausgaben blicken können. Von dort aus wiederum ist der Hinrichtungsraum zu sehen, dessen Mittelpunkt eine kreuzförmige Liege mit zahlreichen Schnallen zur Fixierung der Körper bildet. In 34 Bundesstaaten der USA werde die Todesstrafe verhängt, erklärt Herzog im Zum Inhalt: Voice Over, auch wenn sie zurzeit nur in 16 davon tatsächlich vollstreckt werde.

In den folgenden knapp 50 Minuten nähert sich der Filmemacher den Inhaftierten jeweils im persönlichen Gespräch. Mit ruhiger Stimme gibt Herzog den Porträtierten Raum. Häufig rahmt er ihre Gesichter in Zum Inhalt: Großaufnahmen, während er selbst nie im Bild erscheint und nur seine Fragen Zum Inhalt: aus dem Off zu hören sind. Dabei entsteht eine zwischenmenschliche Nähe, die sich nicht in Parteilichkeit verliert. Schon zu Beginn der Gespräche stellt Herzog klar, dass er zwar als Gegner der Todesstrafe auftritt, sich jedoch eine persönliche Distanz zu seinem Gegenüber einräumt. Zur Sprache kommen abstrakte, gleichwohl tief persönliche Fragen. Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass der Tag des eigenen Todes gesetzt ist, auch wenn das Datum zunächst unbestimmt aufgeschoben bleibt? Welchen Träumen hängen die Todeskandidat/-innen innerhalb der eng begrenzten Zellen nach, wenn sie die Augen schließen? Was löst das Wissen um die streng ritualisierten Abläufe der letzten Stunden in ihnen aus?

"Im Todestrakt" Interviewszene mit James Barnes (© Werner Herzog Film)

Werner Herzog Film

Die Episoden porträtieren nicht nur zum Tode verurteilte Menschen, sie zeigen auch spezifische Probleme auf, die aus der Strafpraxis resultieren. So etwa im Falle des Serienmörders James Barnes, dessen eloquenter Umgangston im scharfen Kontrast zur Brutalität seiner Taten steht. Herzog macht Barnes‘ Schwester ausfindig und enthüllt eine von Gewalt geprägte Familiengeschichte. Gespräche mit Strafverteidiger/-innen und Bilder vom Tatort zeichnen den Fall zugleich aus juristischer Perspektive nach. Ohne einfache Psychologisierungen macht Herzog dabei klar, was vor Gericht nicht berücksichtigt werden kann: Die Komplexität einer Lebensgeschichte und das Problem der intergenerationellen Weitergabe von Traumatisierungen, in Barnes' Fall die schweren Misshandlungen durch den eigenen Vater. Herzog relativiert die Taten dadurch nicht, und doch entsteht ein Gefühl nicht lösbarer Widersprüche. Er wolle die Person stets von dem trennen, was sie getan hat, so der Regisseur. Ähnlich äußerte sich auch der Philosoph Jacques Derrida, der sich Ende der 1990er-Jahre intensiv mit der Todesstrafe in den USA auseinandergesetzt hatte: Ein Mensch verliere seine Würde auch dann nicht, wenn er ein schweres Verbrechen begangen habe. In Herzogs Film erfährt dieser Gedanke eine künstlerische Realisierung, die zur Kritik der Todesstrafe beiträgt. Denn es sind diese Momente der Unveräußerlichkeit der Würde, die in den Bildern der Kamera spürbar werden, in einem Lachen, einem flüchtigen Blick, der unverwechselbaren Gestik eines Menschen. Sie bleiben in Spannung zu den Narrativen der Rechtfertigung, welche die Verurteilten in Bezug auf ihre Taten vorbringen, und zum allgegenwärtigen Bewusstsein für die Taten selbst.

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