Aus guten Gründen sprechen wir heute von "Mediendemokratie". Bei der Vermittlung politischer Prozesse und Inhalte spielen Medien eine überragende Rolle. Vor allem das Fernsehen, aber auch Print- und verstärkt Onlinemedien stellen Öffentlichkeit her und prägen so äußerst wirkmächtig das Bild von politischen Zusammenhängen und beteiligten Akteurinnen und Akteuren. Dieses Phänomen lässt sich derzeit beobachten im aktuellen Bundestagswahlkampf, der dem Wettbewerb von Politikern/-innen und ihren Parteiprogrammen eine Bühne bietet und den Medien im Gegenzug Auflage und Quote beschert. Im Bereich des Films haben sich im Verlauf der Jahrzehnte besondere Darstellungsformen und Zum Inhalt: Genres entwickelt, um politische Prozesse und Figuren nicht nur abzubilden, sondern für das Publikum auch in künstlerischer Form zu inszenieren. Das gilt für den Spielfilm ebenso wie für den Zum Inhalt: Dokumentarfilm, wobei sich Mittel und Ziele dieser Inszenierung meist deutlich unterscheiden, gelegentlich aber auch überschneiden.

Kennedy als Popstar – die Anfänge des "Direct Cinema"

Einen frühen Meilenstein des Dokumentarfilms setzte Robert Drews "Primary" (1960) über den Vorwahlkampf des späteren US-Präsidenten John F. Kennedy. Der Film beobachtet den Kandidaten bei Besprechungen mit seinem Kampagnen-Team und bei Begegnungen mit den zunehmend begeisterten Wählerinnen und Wählern. Revolutionär war dieses frühe Beispiel des " Zum Inhalt: Direct Cinema", weil es auf einen leitenden Zum Inhalt: Kommentar verzichtete und dank neuentwickelter Aufnahmetechniken – leichterer Handkameras und tragbarer Audiogeräte – direkt ins Geschehen führte. Mit denselben Mitteln porträtierte D. A. Pennebaker, der Filmeditor von "Primary" , kurz darauf in seinem Film "Don't Look Back" (1967) den Popstar Bob Dylan. "Primary" markiert den Anbruch einer Zeit, in der auf Popularität bedachte Politiker/-innen ohne überzeugende Präsenz in den audiovisuellen Medien nicht mehr erfolgreich sein können. Der Film selbst gilt heute als historisches Dokument sowie als Werbung – weniger für einen Kandidaten als für die Demokratie.

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Mit der Dauerpräsenz politischer Akteurinnen und Akteure auf allen Kanälen verlagerte sich der Schwerpunkt des Dokumentarfilms auf Hintergrundberichte und Gesellschaftskritik. Der heutige Dokumentarfilm prangert dabei oftmals soziale, ökonomische oder ökologische Missstände an und versteht sich als Korrektiv zum tagesaktuellen Nachrichtengeschäft. "Politikerporträts" werden dennoch weiterhin gedreht, etwa Andreas Dresens sowie der Folgefilm , die einen engagierten Hinterbänkler beim Wahlkampf und bei der parlamentarischen Arbeit im Brandenburger Landtag zeigen. Mit Zum Filmarchiv: "Dil Leyla" erschien zuletzt das Porträt einer in Deutschland aufgewachsenen kurdischen Politikerin, die im Alter von 26 Jahren zur Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt Cizre im Osten der Türkei gewählt wird und sich gegen Repressionen durch Militär und Behörden zur Wehr setzen muss. Als Werbung für die Demokratie kann auch Zum Filmarchiv: "Democracy – Im Rausch der Daten" verstanden werden. Der Film folgt einem Abgeordneten des Europäischen Parlaments von Bündnis 90/Die Grünen auf den Stationen einer neuen Datenschutz-Grundverordnung. Sitzungen des Europäischen Rats und Hinterzimmer-Gespräche konnten hier erstmals gefilmt werden – eine gute Antwort auf die von einigen Bürger/-innen formulierte Undurchschaubarkeit politischer Prozesse "in Brüssel" als einem der Hauptkritikpunkte an der EU.

Democracy – Im Rausch der Daten, Szene (© Farbfilm)

Manipulationen, Skandale, Intrigen – Politik im Spielfilm

Die Darstellung von Politik im Spielfilm nutzt die künstlerische Freiheit der Fiktion, um die prinzipiell zähen und dramaturgisch kaum wiederzugebenden Abläufe politischer Institutionen inszenatorisch zu verdichten. Insbesondere in den USA – zwischenzeitlich auch in Frankreich und Italien – hat sich seit den 1970er-Jahren der Zum Inhalt: Politthriller als Genre etabliert, in dem allerdings vor allem Brüche des demokratischen Regelwerks und Intrigen im Vordergrund stehen. (1997), "Bulworth" (1998) und (1998) seien beispielhaft genannt für Filme, in denen Politiker und ihre "Spin-Doctors" hauptsächlich damit beschäftigt sind, von belastenden Sexskandalen abzulenken und zu diesem Zweck auch die Medien zu manipulieren. In "Wag the Dog" wird dafür sogar ein medialer "Krieg" mit Albanien vom Zaun gebrochen.

Die stark medienkritische und oft satirische Ausrichtung solcher Filme wich in jüngerer Zeit – vor allem nach der Inszenierung gefälschter Begründungen für den Irak-Krieg durch die Bush-Regierung selbst – einer explizit politischen Kritik. Terror-Hysterie, Geheimdienstmanipulationen und Lobbyinteressen der Waffen- oder Erdölindustrie bilden den Hintergrund von (2004) und "Syriana" (2005). Der engagierte Hollywood-Star George Clooney, an mehreren solcher Politthriller beteiligt, drehte aber auch einen Wahlkampf-Film: (2011) ist ein Zum Inhalt: Kammerspiel hinter den Kulissen des Politikbetriebs, das den demokratischen Vorwahlkampf ähnlich detailliert schildert wie seinerzeit "Primary" . Abwerbeversuche der Gegenseite zerstören das Vertrauen von Kampagnenmanager und Kandidat; am Ende stehen Desillusionierung und – wie so oft im fiktionalen Politfilm – der Eindruck von Politik als "schmutzigem Geschäft".

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Fernsehsache: Politik und deutscher Film

In Deutschland bleibt die Darstellung von Politik weitgehend auf das Fernsehen beschränkt. Kann der US-amerikanische Präsident sogar zum Actionhelden mutieren (wie in , 1996) oder eigene TV-Serien tragen – seit dem Erfolg von "The West Wing – Im Zentrum der Macht" (USA 1999–2006) gibt es eine Welle von Politserien in den USA –, sind deutsche Politiker/-innen offenbar noch nicht kinotauglich. Stattdessen erregen semi-fiktionale Doku-Dramen wie Heinrich Breloers "Todesspiel" (D 1997) über den RAF-Terror im Deutschen Herbst 1977, "Deutschlandspiel" (D 2000) über die Wiedervereinigung oder der Willy-Brandt-Fernsehfilm "Im Schatten der Macht" (D 2003) und "Der Fall Barschel" (2015) über den mysteriösen Tod des CDU-Politikers immer wieder großes Aufsehen. In der Regel zeigen sie historische Führungspersönlichkeiten wie Helmut Schmidt oder Helmut Kohl als gewiefte Krisenmanager, die auch das Spiel mit den Medien beherrschen – was allerdings kaum als Kritik gemeint ist. Mit der als Politthriller angelegten Fernsehserie "Die Macht und die Stadt" versuchte die ARD zwar 2016 an das Konzept von House of Cards anzuschließen, fiel aber bei der Kritik überwiegend damit durch. Ein ähnlich brisantes Spannungsfeld zwischen Politik und Medien wie in den USA existiert in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft bis dato nicht, die Filme dienen eher der nationalen Selbstvergewisserung.

Politische Sozialisation durch YouTube?

Die Personalisierung zeigt sich in Spielfilmen und Dokumentarfilmen als gängiges Muster, um politische Vorgänge leinwandgerecht zu Zum Inhalt: inszenieren. Auffällig ist die Parallele zum modernen Personenwahlkampf, der oft um Schlagworte wie "Merkel-Wahn" und "Schulz-Effekt" kreist. Die tieferen Prozesse politischer Willensbildung und die Konflikte zwischen den Gewalten scheinen im Film ohne diese Personalisierung nur schwer darstellbar oder fallen den dramaturgischen Anforderungen von Unterhaltung und Zum Inhalt: Spannung zum Opfer. In diese Lücke stoßen heute gewissermaßen Webvideoformate auf YouTube und anderen Plattformen. Mit ihren Polit-Vlogs sprechen populäre YouTuber wie "MrWissen2go" oder "LeFloid" netzaffine Jugendliche an und beeinflussen (man spricht auch von "Influencern") durch diese neue Form des Infotainments deren politische Sozialisation, indem sie komplexe Themen in die Sprache ihrer User und Userinnen übersetzen. Die politische Kommunikationskultur hat sich, gerade in Wahlkampfzeiten, durch das Web 2.0 bereits nachhaltig verändert – und wird sich nicht zuletzt auch in den Filmerzählungen niederschlagen, die dokumentarisch oder fiktional das politische Geschehen sondieren.

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